Hugo Schultz ist einer der wenigen lebenden Augenzeugen, der die Pogrome im November 1938 miterlebt hat. Vor allem kann er von drei Personen aus seiner näheren Umgebung berichte, deren Leben in der Gaskammer endeten. Am nächsten stand ihm Susanna Schultz, seine Tante, die in Grafeneck vergast wurde. Sie war Schülerin und Kollegin von Edith Stein, die in Auschwitz ihr Leben lassen musste. Während fast alle, die einen Aufenthalt in den Vernichtungsanstalten der Nationalsozialisten überlebt haben, es nicht mehr für möglich halten, dass es einen Gott gibt, haben diese beiden Frauen bis zuletzt an ihn geglaubt und ihn zu rechtfertigen versucht. Susanna Schultz hat sich um die Lösung eines der größten Rätsel religiösen Glaubens bemüht: Wenn es Gott gibt, warum lässt er Menschen so erbärmlich leiden? Hugo Schultz verfolgt den Weg, den seine Tante eingeschlagen hat, weiter. Er rekonstruiert ihre Lebens- und ihre Gedankenwelt mal historisch exakt, mal literarisch experimentiell, und lässtsie, die dem Vergessen anheimgegeben war, auf mehrerlei Weise aufleben. Sie wird greifbar als Person, aufgewachsen in der ländlichen Umgebend der Südpfalz, von den Zeitläuften verstört, vermeintlich in Sicherheit im Magdalenen-Kloster zu Speyer, erfasst von der unbarmherzigen Maschinerie der Vernichtung. Schultz spart nichts aus; nicht das Unheil, das über sie hereinbrach - man schob sie bei klarem Verstand in eine "Nervenheilanstalt" ab - nicht das grauenvolle Ende.