George Steiners neues Buch handelt von der Idee der Schöpfung, wie sie sich in der westlichen Kultur von der Bibel über Literatur und Kunst bis in die Philosophie und die Wissenschaftsgeschichte verbreitet hat. Und es zeigt, daß vom 20. Jahrhundert, mit seinem Glauben an Wissenschaft und Technik, keine Antworten mehr auf die großen Fragen der Moral, der Politik und der Ästhetik zu erwarten sind. Eine Entwicklung, die in ihren Konsequenzen - laut Steiner - ungeheure Verluste in Kauf nimmt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001Warum ist da nicht nichts?
Vor moralischen Spottkosten wird gewarnt: George Steiner stellt der Bioethik die ontologische Frage / Von Wolfgang Frühwald
Daß die Naturwissenschaften "ein grenzenloses Morgen" vor sich haben, hat George Steiner schon mehrfach betont, denn ihr Prinzip ist der Fortschritt. An der "Erfahrungsbeschleunigung", nach Reinhart Koselleck das Kernkriterium im Prozeß der Modernisierung, sind sie deshalb mehr als alle anderen Wertsysteme der Gesellschaft beteiligt und somit "modern" in einem ganz spezifischen Sinn.
Zur Zeit sind sie auf der Suche nach den Ursprüngen des Lebens ebenso wie des Bewußtseins, der Materie, der Welt und des Kosmos. Ein erstaunlich großes Stück sind sie auf diesem Wege vorangekommen, und "keine Winde der Mode" - sagt Steiner - werden sie "in die Vergangenheit zurückwehen". Sie sind auf Sekunden an den "Urknall" herangekommen, sind in das Innere des Lebens eingedrungen und haben es der technischen Intervention offengelegt, sie haben das scheinbar Unspaltbare (das "Atom") gespalten und damit Kräfte freigesetzt, von denen vorher nur Mythos und Märchen berichtet haben, sie haben die Konstanz der Elemente durchbrochen und in ihren Teams und Arbeitsgruppen eine Gemeinschaftskultur geschaffen, die es weltweit noch nie gegeben hat. Selbst dort, wo Naturwissenschaftler um Patente und Preise und Gelder miteinander konkurrieren, "kommunizieren sie miteinander in einem ,Cyberspace' wechselseitiger Wahrnehmung, die den heutigen tatsächlichen Netzen informationeller Unmittelbarkeit um tausend Jahre voraus ist".
George Steiner, einer der großen fragenden Kulturkritiker unserer Zeit, hat mit einer grundlegenden Frage gegenüber seinem hier skizzierten Befund den ganzen so heftig umrätselten Unterschied der beiden Kulturen von science und literature schlaglichtartig deutlich gemacht. "Was stellt", fragt er, "im Gegensatz hierzu einen Fortschritt gegenüber Homer oder Sophokles, gegenüber Platon oder Dante dar?" Moral, Ästhetik und Geschichte, die grundlegenden Objektbereiche der Geisteswissenschaften, sind nicht jenem "Imperativ des Fortschritts" unterworfen, der die Naturwissenschaften zu den modernen Wissenschaften par excellence macht. Im Schnellschritt des sich steigernden Entwicklungstempos, in einem tendenziell gedächtnislosen Fortschritt gehen offenkundig Erfahrungen und Bewußtseinszustände verloren, die zum Überleben moderner Hochkulturen ebenso wichtig sind wie naturwissenschaftliche Erkenntnisse, Erfindungen und Entdeckungen. "Es gibt keine Gemeinschaft auf der Erde und kann sie nicht geben . . ., die ohne Musik, ohne eine Form der graphischen Kunst, ohne jene Erzählungen von imaginierter Erinnerung auskäme, welche wir Mythos und Dichtung nennen." Zumindest gefährdet sind heute Gedächtnis und Erinnerung, Einsamkeit, Stille und Privatheit, der wirkende Zufall und jetzt auch - das ist George Steiners Thema - die Idee der Schöpfung und der Kreativität. Sie wird ersetzt durch bloßes Erfinden und Entdecken, wobei die Vorstellung der Kosmogonie ebenso unter Druck gerät wie ihr Analogon, die schöpferische Phantasie des Künstlers.
Schöpfung ist mehr als Erfindung, und gerade der Bezug des künstlerischen Schaffens und Erschaffens auf den Anfang aller Dinge, die Zeitlosigkeit des großen (erschaffenen) Kunstwerkes, inmitten des historischen Ablaufs der Zeit, hebt "Schöpfung" und "Schöpfer" über die Immanenz auch der bedeutenden Erfindung und der genialen Entdeckung hinaus. Der Glanz, der dieser Kreativität eignet, entspringt der Wiederholung ebenjenes "ersten Augenblicks" der Schöpfung, alle große Literatur ist ein einziges Déjà-vu. So haben die "Grammatiken der Schöpfung", die George Steiner uns zu lesen lehrt: das Buch Hiob, die Epen Homers, Platons "Timaios", Dante, Hölderlin, Flaubert, Joyce, Celan und viele andere, allesamt etwas vom Abglanz des ersten Tages, ja einer Zeit vor aller Zeit an sich. Denn das ist die grundlegende Frage, die George Steiner, allen naturtheoretischen Warnungen zum Trotz, noch einmal und wieder einmal zu stellen wagt, die ontologische Frage: "Warum ist da nicht nichts?"
Er beantwortet sie aus der Lektüre der "Grammatiken der Schöpfung", aus dem Postulat der Verantwortung, die der Schöpfer gegenüber seiner Schöpfung hat. Daß diese Frage und diese Antwort immer wieder mit grausamen Aporien konfrontiert sind, mit solchen individuellen Leides, aber auch mit solchen, wie sie die Schoa gestellt hat, weiß Steiner wohl. Doch entbinden uns diese Aporien nicht davon, die ontologische Frage zu stellen. Ob Levinas recht hat, daß "nur der Entschluß, für andere zu leben, . . . den Schrecken der Existenz validieren und annehmbar machen" kann?
Die Frage nach der Schöpfung und den analogen Schöpfungen sieht Steiner heute grundlegend erschüttert. Wie großen Erdbeben nicht meßbare, aber von Tieren wahrgenommene Vibrationen vorausgehen, so hat die sprachkritische und sprachskeptische Bewegung der Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert jene Erschütterungen vorgedeutet, die von dem mörderischen letzten Jahrhundert dann ausgegangen sind. Sie hat die Mutationen des "Sprachtieres" angezeigt, als welches der Mensch bis dahin (seit der Antike) verstanden wurde. Verwandelt hat sich unter dem Eindruck des blutigsten Jahrhunderts der neueren Geschichte, unter der Erfahrung der - von Stefan Zweig so genannten - programmatischen Anti-Humanität des Nationalsozialismus unsere Wahrnehmung des Todes, unser Gefühl für den Tod - und damit auch für seinen Gegenpol: die Unsterblichkeit. Die Industrialisierung des Todes, seine Namenlosigkeit, seine Einbeziehung in einen "fast kommerziellen Prozeß und in süßsauere Routine", hat die Würde des Todes in unserer Kultur verändert.
Mit ihr aber verändert sich auch das Schöne, das - schon in Schillers "Nänie" - nichts anderes ist als die Klage der Götter über den Tod des Vollkommenen. Bei Steiner heißt diese Erkenntnis, daß "der Ringkampf mit dem dunklen Engel archetypisch (ist) für menschliche Kreativität". Diese archetypische Wahrnehmung hat sich verändert, der Gedanke des Überlebens im Kunstwerk ist "mit dem Übergang unserer Kultur und des sie prägenden Vokabulars zu einem neuen Code des Kollektiven, des Ersetzbaren, des Ephemeren" suspekt, peinlich, ja nahezu lächerlich geworden. Die Mutation der Todeswahrnehmung hat die Mutation des Ästhetischen unweigerlich zur Folge.
Daß "die Geschichte aus der ,Genesis' (aus der Schöpfung) ein Ende gefunden hat", glaubt auch George Steiner nicht, der unserer Kultur Müdigkeit im Kern attestiert. Doch die Veränderung dieser Geschichte innerhalb einer weltumspannenden Wertehierarchie, "die in zunehmendem Maße von den Naturwissenschaften und ihrer technologischen Anwendung dominiert wird", steht außer Zweifel. Ebenso steht außer Zweifel, daß die Naturwissenschaften und ihre Anwendungen ohne diese Geschichte, ohne die aus dieser Quelle stets zu erneuernde menschliche Kreativität nicht überleben können, zumindest nicht human überleben können. "Über die Gott-Hypothese", sagt George Steiner, "läßt sich nicht ohne Kosten spotten." Er gehört zu den wenigen Kulturkritikern, die ohne Wehleidigkeit und in einer zugänglichen Sprache die Grundfragen unserer Zivilisation verständlich machen, den Kontinuitätsbruch des zwanzigsten Jahrhunderts, die Entstehung neuer Wahrnehmungsmöglichkeiten, aber auch die damit einhergehenden Verluste. Auf diesem Niveau würden wir gerne mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus den Naturwissenschaften diskutieren.
George Steiner: "Grammatik der Schöpfung". Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. Carl Hanser Verlag, München 2001. 348 S., geb., 49,80 DM.
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Vor moralischen Spottkosten wird gewarnt: George Steiner stellt der Bioethik die ontologische Frage / Von Wolfgang Frühwald
Daß die Naturwissenschaften "ein grenzenloses Morgen" vor sich haben, hat George Steiner schon mehrfach betont, denn ihr Prinzip ist der Fortschritt. An der "Erfahrungsbeschleunigung", nach Reinhart Koselleck das Kernkriterium im Prozeß der Modernisierung, sind sie deshalb mehr als alle anderen Wertsysteme der Gesellschaft beteiligt und somit "modern" in einem ganz spezifischen Sinn.
Zur Zeit sind sie auf der Suche nach den Ursprüngen des Lebens ebenso wie des Bewußtseins, der Materie, der Welt und des Kosmos. Ein erstaunlich großes Stück sind sie auf diesem Wege vorangekommen, und "keine Winde der Mode" - sagt Steiner - werden sie "in die Vergangenheit zurückwehen". Sie sind auf Sekunden an den "Urknall" herangekommen, sind in das Innere des Lebens eingedrungen und haben es der technischen Intervention offengelegt, sie haben das scheinbar Unspaltbare (das "Atom") gespalten und damit Kräfte freigesetzt, von denen vorher nur Mythos und Märchen berichtet haben, sie haben die Konstanz der Elemente durchbrochen und in ihren Teams und Arbeitsgruppen eine Gemeinschaftskultur geschaffen, die es weltweit noch nie gegeben hat. Selbst dort, wo Naturwissenschaftler um Patente und Preise und Gelder miteinander konkurrieren, "kommunizieren sie miteinander in einem ,Cyberspace' wechselseitiger Wahrnehmung, die den heutigen tatsächlichen Netzen informationeller Unmittelbarkeit um tausend Jahre voraus ist".
George Steiner, einer der großen fragenden Kulturkritiker unserer Zeit, hat mit einer grundlegenden Frage gegenüber seinem hier skizzierten Befund den ganzen so heftig umrätselten Unterschied der beiden Kulturen von science und literature schlaglichtartig deutlich gemacht. "Was stellt", fragt er, "im Gegensatz hierzu einen Fortschritt gegenüber Homer oder Sophokles, gegenüber Platon oder Dante dar?" Moral, Ästhetik und Geschichte, die grundlegenden Objektbereiche der Geisteswissenschaften, sind nicht jenem "Imperativ des Fortschritts" unterworfen, der die Naturwissenschaften zu den modernen Wissenschaften par excellence macht. Im Schnellschritt des sich steigernden Entwicklungstempos, in einem tendenziell gedächtnislosen Fortschritt gehen offenkundig Erfahrungen und Bewußtseinszustände verloren, die zum Überleben moderner Hochkulturen ebenso wichtig sind wie naturwissenschaftliche Erkenntnisse, Erfindungen und Entdeckungen. "Es gibt keine Gemeinschaft auf der Erde und kann sie nicht geben . . ., die ohne Musik, ohne eine Form der graphischen Kunst, ohne jene Erzählungen von imaginierter Erinnerung auskäme, welche wir Mythos und Dichtung nennen." Zumindest gefährdet sind heute Gedächtnis und Erinnerung, Einsamkeit, Stille und Privatheit, der wirkende Zufall und jetzt auch - das ist George Steiners Thema - die Idee der Schöpfung und der Kreativität. Sie wird ersetzt durch bloßes Erfinden und Entdecken, wobei die Vorstellung der Kosmogonie ebenso unter Druck gerät wie ihr Analogon, die schöpferische Phantasie des Künstlers.
Schöpfung ist mehr als Erfindung, und gerade der Bezug des künstlerischen Schaffens und Erschaffens auf den Anfang aller Dinge, die Zeitlosigkeit des großen (erschaffenen) Kunstwerkes, inmitten des historischen Ablaufs der Zeit, hebt "Schöpfung" und "Schöpfer" über die Immanenz auch der bedeutenden Erfindung und der genialen Entdeckung hinaus. Der Glanz, der dieser Kreativität eignet, entspringt der Wiederholung ebenjenes "ersten Augenblicks" der Schöpfung, alle große Literatur ist ein einziges Déjà-vu. So haben die "Grammatiken der Schöpfung", die George Steiner uns zu lesen lehrt: das Buch Hiob, die Epen Homers, Platons "Timaios", Dante, Hölderlin, Flaubert, Joyce, Celan und viele andere, allesamt etwas vom Abglanz des ersten Tages, ja einer Zeit vor aller Zeit an sich. Denn das ist die grundlegende Frage, die George Steiner, allen naturtheoretischen Warnungen zum Trotz, noch einmal und wieder einmal zu stellen wagt, die ontologische Frage: "Warum ist da nicht nichts?"
Er beantwortet sie aus der Lektüre der "Grammatiken der Schöpfung", aus dem Postulat der Verantwortung, die der Schöpfer gegenüber seiner Schöpfung hat. Daß diese Frage und diese Antwort immer wieder mit grausamen Aporien konfrontiert sind, mit solchen individuellen Leides, aber auch mit solchen, wie sie die Schoa gestellt hat, weiß Steiner wohl. Doch entbinden uns diese Aporien nicht davon, die ontologische Frage zu stellen. Ob Levinas recht hat, daß "nur der Entschluß, für andere zu leben, . . . den Schrecken der Existenz validieren und annehmbar machen" kann?
Die Frage nach der Schöpfung und den analogen Schöpfungen sieht Steiner heute grundlegend erschüttert. Wie großen Erdbeben nicht meßbare, aber von Tieren wahrgenommene Vibrationen vorausgehen, so hat die sprachkritische und sprachskeptische Bewegung der Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert jene Erschütterungen vorgedeutet, die von dem mörderischen letzten Jahrhundert dann ausgegangen sind. Sie hat die Mutationen des "Sprachtieres" angezeigt, als welches der Mensch bis dahin (seit der Antike) verstanden wurde. Verwandelt hat sich unter dem Eindruck des blutigsten Jahrhunderts der neueren Geschichte, unter der Erfahrung der - von Stefan Zweig so genannten - programmatischen Anti-Humanität des Nationalsozialismus unsere Wahrnehmung des Todes, unser Gefühl für den Tod - und damit auch für seinen Gegenpol: die Unsterblichkeit. Die Industrialisierung des Todes, seine Namenlosigkeit, seine Einbeziehung in einen "fast kommerziellen Prozeß und in süßsauere Routine", hat die Würde des Todes in unserer Kultur verändert.
Mit ihr aber verändert sich auch das Schöne, das - schon in Schillers "Nänie" - nichts anderes ist als die Klage der Götter über den Tod des Vollkommenen. Bei Steiner heißt diese Erkenntnis, daß "der Ringkampf mit dem dunklen Engel archetypisch (ist) für menschliche Kreativität". Diese archetypische Wahrnehmung hat sich verändert, der Gedanke des Überlebens im Kunstwerk ist "mit dem Übergang unserer Kultur und des sie prägenden Vokabulars zu einem neuen Code des Kollektiven, des Ersetzbaren, des Ephemeren" suspekt, peinlich, ja nahezu lächerlich geworden. Die Mutation der Todeswahrnehmung hat die Mutation des Ästhetischen unweigerlich zur Folge.
Daß "die Geschichte aus der ,Genesis' (aus der Schöpfung) ein Ende gefunden hat", glaubt auch George Steiner nicht, der unserer Kultur Müdigkeit im Kern attestiert. Doch die Veränderung dieser Geschichte innerhalb einer weltumspannenden Wertehierarchie, "die in zunehmendem Maße von den Naturwissenschaften und ihrer technologischen Anwendung dominiert wird", steht außer Zweifel. Ebenso steht außer Zweifel, daß die Naturwissenschaften und ihre Anwendungen ohne diese Geschichte, ohne die aus dieser Quelle stets zu erneuernde menschliche Kreativität nicht überleben können, zumindest nicht human überleben können. "Über die Gott-Hypothese", sagt George Steiner, "läßt sich nicht ohne Kosten spotten." Er gehört zu den wenigen Kulturkritikern, die ohne Wehleidigkeit und in einer zugänglichen Sprache die Grundfragen unserer Zivilisation verständlich machen, den Kontinuitätsbruch des zwanzigsten Jahrhunderts, die Entstehung neuer Wahrnehmungsmöglichkeiten, aber auch die damit einhergehenden Verluste. Auf diesem Niveau würden wir gerne mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus den Naturwissenschaften diskutieren.
George Steiner: "Grammatik der Schöpfung". Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. Carl Hanser Verlag, München 2001. 348 S., geb., 49,80 DM.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Als "bewusst altmodischen Kopf" bezeichnet Martin Meyer den Philosophen und Literaturwissenschaftler George Steiner, der gegen das Vergessen und Verschwinden unseres kulturellen Erbes polemisiert, für Meyer jedoch durchblicken lässt, dass er auch um die Vergeblichkeit seines Zeterns weiß. "Schöpfung" sei nicht im religiösen Sinn gemeint, erläutert Meyer den Titel von Steiners Buch, sondern bedeute den schöpferisch-künstlerischen Akt, durch den sich der Mensch zur Welt verhält. Die "Grammatik" wäre demnach die Summe aller möglichen Entwürfe von der Welt. Aber nicht alle Entwürfe halten Stand vor Steiners kritischen Augen. Mit der spätmodernen Ästhetik tue sich der Autor schwer, meint Meyer, ihm liege mehr an einer "Liaison mit dem Göttlichen". Ein spannendes Buch, findet der Rezensent, zuweilen etwas unsystematisch, mitunter forciert, im Detail strittig und ganz bestimmt mit einer Überdosis an "name-dropping" belastet; aber, so Meyer, dafür glänzt und besticht das Buch durch seine Beobachtungen am Rande.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"George Steiners Aufruf der Kunst und ihren zeitaufhebenden Perspektiven einen neuen Anfang zuzutrauen, ist letztlich ein Mißtrauensantrag gegen die Alleinherrschaft der Mechanik: "Ein Kobold von dämonischer Trivialität wohnt dem imperialen Regime der Naturwissenschaften inne." Zugleich ist sie ein Schlag ins Gesicht einer Spaßkultur, deren Züge mittlerweile zur Fratze der Jämmerlichkeit erstarrt sind." Oliver vom Hove, Die Presse, 23.02.02