Die coolste, wildeste, eindrucksvollste junge Stimme Großbritanniens
Eine gute Erziehung und ein guter Job. Eine schöne Frau, einen Hund und ein Haus in den Suburbs: unser postmoderner Held besitzt alles. Doch dann steht ihm der Sinn nach Nervenkitzel: Gefühle für eine Frau, die nicht seine ist, eine Orgie und mehrere Schusswechsel. Eine Ereigniskette intolerablen Ausmaßes nimmt ihren Lauf.
Adam Thirlwell lässt diesen schillernden Teufelskerl durch sein ebenso rücksichtsloses wie unschuldiges Leben rasen, das schlagartig aus dem Ruder läuft. Quecksilbrig, melancholisch, angenehm bösartig: ein extravaganter und weltgewandter Großstadtroman.
»Ein wundervoll ausgeklügelter Roman über Sex, Liebe, Verlust und Moral - eine Glanzleistung.«
Daniel Kehlmann
Eine gute Erziehung und ein guter Job. Eine schöne Frau, einen Hund und ein Haus in den Suburbs: unser postmoderner Held besitzt alles. Doch dann steht ihm der Sinn nach Nervenkitzel: Gefühle für eine Frau, die nicht seine ist, eine Orgie und mehrere Schusswechsel. Eine Ereigniskette intolerablen Ausmaßes nimmt ihren Lauf.
Adam Thirlwell lässt diesen schillernden Teufelskerl durch sein ebenso rücksichtsloses wie unschuldiges Leben rasen, das schlagartig aus dem Ruder läuft. Quecksilbrig, melancholisch, angenehm bösartig: ein extravaganter und weltgewandter Großstadtroman.
»Ein wundervoll ausgeklügelter Roman über Sex, Liebe, Verlust und Moral - eine Glanzleistung.«
Daniel Kehlmann
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.08.2015Reibungslose Orgien des Postwesens
Handbuch der abwegigen Vergleiche: Adam Thirlwells Roman "Grell & Süß"
Wenn es tatsächlich ein Charakteristikum gibt für sogenannte Schreibschul-Prosa, dann ist es wohl der Zwang, dauernd irgendwelche völlig abwegigen Vergleiche zu ziehen. Heißt es im Klappentext über einen Autor etwa: "studierte kreatives Schreiben", so kann man fast sicher sein, dass der Text voller solcher Vergleiche und krampfhaft gesuchter Metaphern ist.
Bei einem gestandenen Schriftsteller wie dem 1978 geborenen Briten Adam Thirlwell, der schon vier Romane veröffentlicht und zahlreiche Preise gewonnen hat, der Mitherausgeber der "Paris Review" ist und erhellende Essays über Gottfried Benn oder Roland Barthes verfasst, sollte man solche Anfängerfehler eigentlich nicht erwarten. Aber sein neuer Roman "Grell & Süß" macht sie auf nahezu jeder Seite, er ist so etwas wie das Handbuch der abwegigen Vergleiche.
Da steckt etwa jemand "so voller Wünsche und Pläne wie eine mit Schrot geladene Muskete"; bei der Beschreibung einer mythologische Szene mit strafenden Göttern verhalten sich diese "wie Footballspieler bei einer Massenvergewaltigung", und wenn dem Erzähler selbst mal ein dunkler Gedanke kommt, dann ist das "so wie wenn man eine Katze sieht, die im Hintergrund durch eine Amateurpornoaufnahme läuft". Kennt ja jeder!
Man kann sich mit diesem Erzähler darüber wundern, "dass Dinge, vor denen ich mich vorher gefürchtet habe, wie Orgien und Fremdgehen vor den Augen meiner Frau", plötzlich "so reibungslos geschehen konnten". Hier könnte der Satz gut zu Ende sein, und als Leser hätte man alles Notwendige begriffen. Aber nein, Thirlwell muss noch anfügen "... wie etwa Avocados existierten, oder das Postwesen". Wo ist die Vergleichsebene zwischen Avocados und Fremdgehen, wo jene zwischen Orgien und dem Postwesen?
Über genau solche Koketterien hat sich Peter Handke schon vor Jahrzehnten in seinem sprachkritischen Gedicht "Vergleiche für nichts Vergleichbares" lustig gemacht ("wie Milch in den Straßenbahnschienen") - aber er hätte es sich vielleicht nicht träumen lassen, dass genau daraus noch mal eine sehr ernsthaft betriebene Disziplin des Literaturbetriebs wird.
Thirlwells Ich-Erzähler ist ein junger, arbeitsloser Großstädter, der Ablenkung in sexuellen Eskapaden sucht. Zunächst bringt ihn das noch in ein moralisches Dilemma gegenüber seiner Frau Candy, dann nehmen sie zusammen an besagten Orgien teil. Später kommt auch noch kriminelle Aktivität hinzu, und es wird blutig, allerdings auch immer unüberschaubarer, weil man nicht durchweg weiß, was erlebt und was nur eingebildet ist in diesem Bewusstseinsstrom. Man könnte dem Erzähler immerhin zugestehen, dass er nicht ganz zurechnungsfähig ist. Es werden allerlei Drogen konsumiert, und auf der vorletzten Seite räumt er ein, dass er sich womöglich die ganze Zeit in einem "sprachlichen Delirium" befand. Das ahnt der Leser schon viel früher.
Erstaunlich ist, dass laut offizieller Inhaltsangabe dieser Erzähler "in einem Londoner Vorort" lebt - denn so klar und realistisch scheint das Setting mitnichten: Es wimmelt im Roman nur so von amerikanischen Dingen und Orten, dann wieder führt er in die Tropen. Aber hier noch mehr von der Handlung des Buches zu erzählen erscheint fast so abwegig wie seine Vergleiche, denn die zähen knapp vierhundertfünfzig Seiten sind zu einem Großteil mit belanglosen Abschweifungen und philosophisch sich gebenden Banalitäten gefüllt. Es ist die x-te literarische Neuauflage postmoderner Unentschiedenheit, die poppig-voraussetzungsreich auf der Höhe der Zeit daherstolziert (jemand ist "so hyper wie ein Genki-Drink"), aber morgen schon alt aussehen könnte.
Die sprachliche Ungenauigkeit und Vagheit ist manchmal kaum erträglich. Ein bisschen liegt das vielleicht auch an der Übersetzung, die teils viel zu wörtlich ist ("Einmal bin ich in unseren Schulfreund Nelson hineingelaufen"), stellenweise sprachlich schlecht ("insofern, dass"). Aber oft ist Thirlwells Prosa auch durch keine Übersetzung mehr zu retten: "Ich glaube, Mütter sind die Atmosphäre, in der man leben muss, und ich denke, das gefällt mir, aber gleichzeitig ist es eine milde Form von Strafverfolgung." Was in aller Welt soll das bedeuten?
Thirlwells Erzähler bezeichnet sich übrigens als "Dauphin", und tatsächlich geriert sich dieser Herr prätentiös wie ein Thronerbe großer postmoderner Literaten, ist aber nur ein schwafelnder Hochstapler. Er könnte allenfalls König der Quatschköpfe werden.
JAN WIELE
Adam Thirlwell:
"Grell & Süß". Roman.
Aus dem Englischen von
Tobias Schnettler. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015. 448 S., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Handbuch der abwegigen Vergleiche: Adam Thirlwells Roman "Grell & Süß"
Wenn es tatsächlich ein Charakteristikum gibt für sogenannte Schreibschul-Prosa, dann ist es wohl der Zwang, dauernd irgendwelche völlig abwegigen Vergleiche zu ziehen. Heißt es im Klappentext über einen Autor etwa: "studierte kreatives Schreiben", so kann man fast sicher sein, dass der Text voller solcher Vergleiche und krampfhaft gesuchter Metaphern ist.
Bei einem gestandenen Schriftsteller wie dem 1978 geborenen Briten Adam Thirlwell, der schon vier Romane veröffentlicht und zahlreiche Preise gewonnen hat, der Mitherausgeber der "Paris Review" ist und erhellende Essays über Gottfried Benn oder Roland Barthes verfasst, sollte man solche Anfängerfehler eigentlich nicht erwarten. Aber sein neuer Roman "Grell & Süß" macht sie auf nahezu jeder Seite, er ist so etwas wie das Handbuch der abwegigen Vergleiche.
Da steckt etwa jemand "so voller Wünsche und Pläne wie eine mit Schrot geladene Muskete"; bei der Beschreibung einer mythologische Szene mit strafenden Göttern verhalten sich diese "wie Footballspieler bei einer Massenvergewaltigung", und wenn dem Erzähler selbst mal ein dunkler Gedanke kommt, dann ist das "so wie wenn man eine Katze sieht, die im Hintergrund durch eine Amateurpornoaufnahme läuft". Kennt ja jeder!
Man kann sich mit diesem Erzähler darüber wundern, "dass Dinge, vor denen ich mich vorher gefürchtet habe, wie Orgien und Fremdgehen vor den Augen meiner Frau", plötzlich "so reibungslos geschehen konnten". Hier könnte der Satz gut zu Ende sein, und als Leser hätte man alles Notwendige begriffen. Aber nein, Thirlwell muss noch anfügen "... wie etwa Avocados existierten, oder das Postwesen". Wo ist die Vergleichsebene zwischen Avocados und Fremdgehen, wo jene zwischen Orgien und dem Postwesen?
Über genau solche Koketterien hat sich Peter Handke schon vor Jahrzehnten in seinem sprachkritischen Gedicht "Vergleiche für nichts Vergleichbares" lustig gemacht ("wie Milch in den Straßenbahnschienen") - aber er hätte es sich vielleicht nicht träumen lassen, dass genau daraus noch mal eine sehr ernsthaft betriebene Disziplin des Literaturbetriebs wird.
Thirlwells Ich-Erzähler ist ein junger, arbeitsloser Großstädter, der Ablenkung in sexuellen Eskapaden sucht. Zunächst bringt ihn das noch in ein moralisches Dilemma gegenüber seiner Frau Candy, dann nehmen sie zusammen an besagten Orgien teil. Später kommt auch noch kriminelle Aktivität hinzu, und es wird blutig, allerdings auch immer unüberschaubarer, weil man nicht durchweg weiß, was erlebt und was nur eingebildet ist in diesem Bewusstseinsstrom. Man könnte dem Erzähler immerhin zugestehen, dass er nicht ganz zurechnungsfähig ist. Es werden allerlei Drogen konsumiert, und auf der vorletzten Seite räumt er ein, dass er sich womöglich die ganze Zeit in einem "sprachlichen Delirium" befand. Das ahnt der Leser schon viel früher.
Erstaunlich ist, dass laut offizieller Inhaltsangabe dieser Erzähler "in einem Londoner Vorort" lebt - denn so klar und realistisch scheint das Setting mitnichten: Es wimmelt im Roman nur so von amerikanischen Dingen und Orten, dann wieder führt er in die Tropen. Aber hier noch mehr von der Handlung des Buches zu erzählen erscheint fast so abwegig wie seine Vergleiche, denn die zähen knapp vierhundertfünfzig Seiten sind zu einem Großteil mit belanglosen Abschweifungen und philosophisch sich gebenden Banalitäten gefüllt. Es ist die x-te literarische Neuauflage postmoderner Unentschiedenheit, die poppig-voraussetzungsreich auf der Höhe der Zeit daherstolziert (jemand ist "so hyper wie ein Genki-Drink"), aber morgen schon alt aussehen könnte.
Die sprachliche Ungenauigkeit und Vagheit ist manchmal kaum erträglich. Ein bisschen liegt das vielleicht auch an der Übersetzung, die teils viel zu wörtlich ist ("Einmal bin ich in unseren Schulfreund Nelson hineingelaufen"), stellenweise sprachlich schlecht ("insofern, dass"). Aber oft ist Thirlwells Prosa auch durch keine Übersetzung mehr zu retten: "Ich glaube, Mütter sind die Atmosphäre, in der man leben muss, und ich denke, das gefällt mir, aber gleichzeitig ist es eine milde Form von Strafverfolgung." Was in aller Welt soll das bedeuten?
Thirlwells Erzähler bezeichnet sich übrigens als "Dauphin", und tatsächlich geriert sich dieser Herr prätentiös wie ein Thronerbe großer postmoderner Literaten, ist aber nur ein schwafelnder Hochstapler. Er könnte allenfalls König der Quatschköpfe werden.
JAN WIELE
Adam Thirlwell:
"Grell & Süß". Roman.
Aus dem Englischen von
Tobias Schnettler. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015. 448 S., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dem König der Quatschköpfe begegnet Jan Wiele in Adam Thirlwells neuem Roman, dem Kaiser der schiefen Vergleiche zudem. Dass Thirlwell eigentlich ein mit allen Wassern gewaschener Autor und Essayist ist, lässt den Rezensenten diese Erfahrung mit Verwunderung machen. Und dem postmodern durch London floatenden Helden und seinem Bewusstseinsstrom immerhin bis zum Ende folgen. Das Ergebnis bleibt laut Wiele allerdings dürftig, die Story strapaziert durch Belangloses, Banales, Vages und eine Thirwells sprachliche Ungenauigkeit noch verstärkende Übersetzung, meint Wiele.
© Perlentaucher Medien GmbH
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ein moderner, chaotischer literarischer Höllentrip. Alex Dengler Denglers Buchkritik 20151019
Dem König der Quatschköpfe begegnet Jan Wiele in Adam Thirlwells neuem Roman, dem Kaiser der schiefen Vergleiche zudem. Dass Thirlwell eigentlich ein mit allen Wassern gewaschener Autor und Essayist ist, lässt den Rezensenten diese Erfahrung mit Verwunderung machen. Und dem postmodern durch London floatenden Helden und seinem Bewusstseinsstrom immerhin bis zum Ende folgen. Das Ergebnis bleibt laut Wiele allerdings dürftig, die Story strapaziert durch Belangloses, Banales, Vages und eine Thirwells sprachliche Ungenauigkeit noch verstärkende Übersetzung, meint Wiele.
© Perlentaucher Medien GmbH
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