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Menschliches Handeln immer wieder zu reflektieren und zu entwerfen, ist Aufgabe der Ethik. Die Philosophie kommt in der Ethik gewissermaßen zu sich selbst - sie wird praktische Philosophie. Bis in die unmittelbare Gegenwart hinein greift Robert Spaemann die aktuellen Herausforderungen und Fragen auf, wie z.B.
· die atomare Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, · die Atomenergie, den 218, · das Euthanasie-Problem, · Auseinandersetzungen um den Sozialstaat, · die Gentechnik, · den Kosovo-Krieg, · die Thesen Peter Singers über Menschen und Tiere oder · die Thesen von Peter Sloterdijk zu einer
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Produktbeschreibung
Menschliches Handeln immer wieder zu reflektieren und zu entwerfen, ist Aufgabe der Ethik. Die Philosophie kommt in der Ethik gewissermaßen zu sich selbst - sie wird praktische Philosophie. Bis in die unmittelbare Gegenwart hinein greift Robert Spaemann die aktuellen Herausforderungen und Fragen auf, wie z.B.

· die atomare Wiederbewaffnung der Bundesrepublik,
· die Atomenergie, den
218,
· das Euthanasie-Problem,
· Auseinandersetzungen um den Sozialstaat,
· die Gentechnik,
· den Kosovo-Krieg,
· die Thesen Peter Singers über Menschen und Tiere oder
· die Thesen von Peter Sloterdijk zu einer Anthropotechnik u.a.m.

Der Autor reflektiert diese zeitgebundenen Auseinandersetzungen vor dem Hintergrund elementarer philosophischer Einsichten. Deren Besonderheit ist es, weniger zeitgebunden zu sein, wodurch es möglich wird, praktische Orientierungen in einer hochkomplexen Welt zu vermitteln.

Robert Spaemann unterstreicht in allen seinen Aufsätzendie Endlichkeit des menschlichen Daseins und seiner natürlichen Bedingungen. Daraus folgt eine konsequente Absage an alle gängigen Utopien und die Kritik des Konsequentialismus, der Ethik als universale Optimierungsstrategie versteht. Schließlich wird herausgestellt, daß der Begriff "Natur des Menschen" für das menschliche Handeln unverzichtbar ist.
Autorenporträt
Robert Spaemann wurde 1927 in Berlin geboren. Er promovierte 1952 in Münster, war dann vier Jahre lang als Verlagslektor tätig. 1962 habilitierte er in den Fächern Philosophie und Pädagogik und war bis 1992 ordentlicher Professor an den Universitäten Stuttgart, Heidelberg und München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2001

Ich bremse mich nicht für Nagetiere
Robert Spaemanns abwendungsorientierte Reflexionen / Von Friedrich Wilhelm Graf

Seit vierzig Jahren markiert Robert Spaemann Grenzen. Der Philosoph wehrt den "Anschlag auf den Sonntag" ab und verurteilt den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo. Er bekämpft die "Seuche der Abtreibung", verteidigt das "Euthanasie"-Tabu und macht gegen Küngs "Weltethos" Front. Im Sammelsurium der Texte und Themen wird Spaemanns Selbstverständnis hervorragend sichtbar. Der "Spezialist für geistiges Krisenmanagement" will "Orientierungswissen" vermitteln. Im Kampf gegen die Erosion überlieferter Moral setzt Spaemann, wie einst Bonald und de Maistre, auf die römisch-katholische Kirche. "Die Kirche" sei der letzte Hort eines abendländischen, durch "Athen und Jerusalem" repräsentierten Ethos. Sie lehre keine klerikale Spezialmoral, sondern vertrete die allgemeingültige humane Sittlichkeit. Der intellektuelle Reiz von Spaemanns Essays liegt im Wahrheitspathos, mit dem er die römisch-katholische Lehre als unbedingt gültiges, einzig menschengemäßes Ethos behauptet.

Mit Max Scheler betont Spaemann die kulturellen Kontexte ethischer Reflexion. "Wo es um das Thema der Lebenspraxis geht, spielen Unterschiede der Herkunft, der Sozialisation, der Biographien, der Religion, des Charakters und des Lebensalters der Gesprächsteilnehmer eine Rolle." Gern erwähnt Spaemann Lebensgeschichtliches. Im intakten Kirchenmilieu lernte der Gymnasiast die Nationalsozialisten zu hassen. Einer Reeducation bedurfte er 1945 nicht. Sein religiöser Glaube sensibilisierte ihn für Ambivalenzen der Moderne. Häufig zitiert Spaemann die "Dialektik der Aufklärung". Die Kritik sich selbst verabsolutierender Zweckrationalität bildet einen Angelpunkt seines Denkens. Mit großer gedanklicher Konsequenz greift der Ritter-Schüler klassische Topoi konservativer Zivilisationskritik auf. Liberale verachtet er, weil diese spätbürgerlichen Individualisten nur eine relativistische "Soft-Phraseologie" verkünden. Gegen den globalen Kapitalismus empfiehlt Spaemann Verzicht und Askese. Der Hedonismus konsumgeiler Egomanen widert ihn an. In seinem Zivilisationsekel gebraucht er harte Worte. Den vielen Funktionalisten unter den Sozialwissenschaftlern, die alles in Gebrauchswert und Nutzenkalkül auflösen, wirft er die Vertierung des Menschen zum angepaßten Trendsetter vor. "Man denkt klein vom Menschen, man ist eine sich systemkonform amüsierende Ratte - beyond freedom and dignity."

Moderne Wissenschaft führt Spaemann auf ein einziges Prinzip zurück. Seit Descartes hätten die Wissenschaften ihre Gegenstände radikal auf bloße Gegenständlichkeit reduziert. Jede Ähnlichkeit zwischen res extensa und res cogitans werde geleugnet. So habe man zunehmend auch den Menschen als Naturwesen verobjektiviert. Szientifischer Machbarkeitsglaube rechtfertige sich sozialutilitaristisch: Man vergegenständliche den Menschen, um das subjektive Wohlbefinden möglichst vieler zu steigern. Die Optimierungsstrategien der Wissenschaftler lieferten uns nur der "Dialektik der Naturbeherrschung" aus: Die intendierte Emanzipation von der gegebenen Natur stärke die Tendenz, sich als triebgeleitetes Naturwesen zu begreifen. "Die Emanzipation des Geistes von der natürlichen Gestalt des Menschen, dieser neue Spiritualismus ist die heimtückischste Form des Naturalismus." Spaemann will "den modernen Wissenschaften" ein ganzheitliches Bild des Menschen entgegensetzen, das an der conditio humana, unserer Endlichkeit und unseren natürlichen Grenzen, orientiert ist. "Die sittliche Vernunft" stehe im kontradiktorischen Gegensatz zu allen szientifischen Selbstverbesserungsphantasien des Menschen.

Doch was ist "die sittliche Vernunft"? Sein Konzept des Ethischen entfaltet Spaemann zunächst durch Polemik. Gern zieht der deutsche Seinsdenker in den Kulturkrieg gegen konsequentialistische Tommies. Sie erhalten Nachhilfeunterricht bei Aristoteles und Thomas. Leider haben die Briten im Weltbürgerkrieg ums wahre Ethos in katholischen Moraltheologen Verbündete gefunden. Der Philosoph belehrt diese, vom Christentum nichts verstanden zu haben. Als Gegner bleiben dann noch einige Weberianer übrig, die das Sittliche durch toten Formalismus aushöhlen, und die Funktionäre von Ethikkommissionen. In ihnen sieht Spaemann nur amoralische Handlanger von Industrie und Wissenschaftssystem. ",Angewandte Ethiker' sind nützlich, weil sie gegenüber technischer Betriebsblindheit an Akzeptanzkriterien erinnern und so Akzeptanz für das sichern, was auf die Länge ohnehin geschieht. Sie helfen, das Tempo von Veränderungen sozialverträglich zu regulieren." Mehrfach rückt Spaemann die applied ethicists in die Nähe Lenins. Hier wie dort rufe man "Uns ist alles erlaubt". Sind im Streit der Ethiker inzwischen Tiefschläge erlaubt?

Spaemanns Fundamentalkritik am Konsequentialismus liegen fünf Einwände zugrunde. Sie wurden zum Teil schon im neunzehnten Jahrhundert formuliert. Der Utilitarismus sei in sich widersprüchlich, benötige metaphysische Zusatzannahmen, hebe die Differenz von Praxis und Poiesis auf, könne moralische Prinzipien wie Gerechtigkeit nicht begründen und führe dank Überforderung des Handelnden zur "Unterbeanspruchung seines Gewissens". Konsequentialisten wollen die ethische Qualität einer Handlung nach ihren Folgen bemessen. Spaemann wendet ein, daß niemand die Folgen seines Tuns zureichend überblicken kann. Mit seinen Handlungskonzepten setze der Utilitarismus ein nicht-endliches Wissen des Menschen voraus. Hinter seiner reinen Zweckrationalität verberge sich viel krude Metaphysik.

Spaemann will sittliche Verbindlichkeit "mit den Griechen" im Rückgang auf "die Natur" erschließen. Um das Naturgemäße, Gute vom bloß Naturwüchsigen zu unterscheiden, bedarf es eines teleologisch normativen Begriffs der Natur. Kulturelle Universalien sollen in "natürlichen", anthropologisch invarianten Ordnungen verankert und diese mit einer Wertontologie fundiert werden. Ethos sei nur "erinnerte Natur". Doch wie läßt sich ein genetischer Begriff des Natürlichen in ein normatives Konzept naturgemäßen Handelns überführen? Spaemann setzt auf eine Erneuerung von Schelers Wertmetaphysik. Gegen den politischen Wertejargon und den verbreiteten Ruf nach neuen Werten beschwört er mit Scheler eine unendliche Totalität von Werten, die als immer schon existierende objektive Entitäten gelten. Erst der objektive Wert erlaube uns das Werten. Dazu muß Spaemann auf ein absolutes Bewußtsein rekurrieren, das die unendliche Fülle allen Wertgehalts enthält. Diesen intellectus archetypus nennt er "absolutes Wertwesen". Ist dies ein genuin katholischer Gottesbegriff? In protestantischer Perspektive kann ein Wertegott bestenfalls ein caput mortuum der Abstraktion heißen.

Seit den Naturrechtsdiskursen des siebzehnten Jahrhunderts streiten europäische Gelehrte über das Verhältnis von Religion und Moral. Spaemann ergreift Partei für eine starke Rückbindung des Ethischen an religiöse Pietätspflichten. In seiner Wertehierarchie kommt dem Heiligen der höchste Rang zu. Ohne Gottesbezug lasse sich Verantwortung nicht denken. Mit christlichen Begriffen will Spaemann absolute Tabugrenzen markieren. Die "Würde des Menschen" deutet er mystisch, als Abglanz der Heiligkeit des Schöpfers im vornehmsten Geschöpf. Eine "Philosophie des Absoluten" soll gegen die Biotechnokraten der neuen Lebenswissenschaften "die Demut einer vernünftigen Kreatur" einklagen. Die In-vitro-Fertilisation lehnt Spaemann ab, weil auch der göttliche Logos genitum, non factum sei. Gern verknüpft er die Sprache des frommen Appells mit bildungsbürgerlichem Grundwissen über den Lauf der Natur. Die Sonntagsruhe will der Philosoph mit dem "zweiten Hauptsatz der Thermodynamik" verteidigen. Sein Naturbegriff changiert fortwährend zwischen genetischem und normativem Gehalt. Diese Unschärfe ist Programm. Man muß kein Utilitarist aus Oxford sein, um Spaemann naturalistische Fehlschlüsse nachzuweisen.

Spaemann beschwört eine intuitive Evidenz unbedingter sittlicher Verpflichtung. Nirgends gelangt er hier über vage Formulierungen hinaus. Wie erschließen sich die "Maßstäbe, die im Unvordenklichen gründen"? Wo zeigt sich "die evidente Schönheit elementarer sittlicher Phänomene"? Den moral point of view im "ethischen Metagesichtspunkt" überwunden zu sehen, ist schon sprachlich mißglückt. Wenn er die Halbheiten der Konsequentialisten kritisiert, verwickelt er sich selbst in Widersprüche.

Im Umgang mit Gegnern verletzt er alle Fairneßregeln. Erst benutzt er Rawls, um die Utilitaristen zu kritisieren. Wenige Seiten später werden aufgeklärte Vertragstheoretiker für Hitler und Lenin verantwortlich gemacht. Mal beschuldigt er die Liberalen des seichten Relativismus, mal des abstrakten Universalismus. Trotz seiner Dauerpolemik gegen die Konsequentialisten bemüht er in medizinethischen Konflikten utilitaristische Denkfiguren. Die Knappheit medizinischer Ressourcen will er mit allokationsethischen Erwägungen bewältigen. "Bei ständiger Vermehrung der Therapiemöglichkeiten ist es nicht vernünftig davon auszugehen, daß alle Mitglieder eines Gemeinwesens jeden beliebigen Aufwand treiben müssen, um jedem Mitglied der Gesellschaft das jeweilige rein technisch mögliche Optimum an Gesundheitsmaßnahmen zukommmen zu lassen. Viel wichtiger ist auf Dauer eine wirklich humane Ausgestaltung des Minimums, d. h. des Normalen, das wir jedem schulden." Wer entscheidet über das "wirklich Humane"? Wer über "das normale Minimum"?

Viele Ethiker tasten sich derzeit in das "ethische Neuland" (Otfried Höffe) vor, das durch die Lebenswissenschaften eröffnet wird. Sie gehen hier behutsam vor, vorsichtig abwägend, auf der Suche nach orientierungskräftigen Konkretionen alter Begriffe. Spaemann will hingegen jede Güterabwägung von vornherein verboten sehen und operiert mit Horrorvisionen der Selbsterzeugung eines neuen Menschen.

Kein anderer deutscher Philosoph schreibt derzeit so einfühlsam über den Tierschutz. Entschiedener als andere Philosophen tritt Spaemann für den römisch-katholischen Potentialismus ein, demzufolge der befruchteten Eizelle unbedingte Menschenwürde eignet. Derselbe Autor kann Menschen als Ratten bezeichnen, nur weil sie einen anderen (auch mir unsympathischen) Lebensstil pflegen. Zurecht erinnert er an die Conditio humana und Grenzen unseres Wissen-Könnens. Wie verträgt sich damit die maßlose moralische Arroganz, die behutsam Skeptischen unter den Ethikern als Anwälte des Bösen zu bezeichnen? Spaemann legitimiert seine polemische Schärfe mit dem Argument, angesichts der wachsenden Macht des Bösen bleibe für Skepsis keine Zeit. Darin steckt ein Selbstwiderspruch: Nicht das Naturgemäße, sondern eine bestimmte Geschichtsdeutung dient hier der Rechtfertigung des eigenen Tuns. Doch hat Spaemann selbst betont, daß eine Ethik, die "die Geschichte" als Legitimationsinstanz bemüht, nur der moralischen Terreur Vorschub zu leisten droht.

Robert Spaemann: "Grenzen". Zur ethischen Dimension des Handelns. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2001. 560 S., geb., 68,50 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Erst einmal hält sich Rezensent Friedrich Wilhelm Graf mit Kommentaren zu Robert Spaemanns philosophischen Ansichten zurück, zählt nur die verschiedenen Beiträge zu Diskussionen der letzten Jahre auf, erinnert an den Widerspruch Spaemanns gegen den Kosovo-Einsatz, seinen Kampf gegen die "Seuche der Abtreibung" (Zitat Spaemann). Es geht, fasst Graf zusammen, dem Philosophen um die Bereitstellung von "Orientierungswissen", und zwar auf dem Fundament der katholischen Kirche. Sein "Zivilisationsekel", seine Aufnahme der "Topoi konservativer Zivilisationskritik", seien von "großer gedanklicher Konsequenz". Das bleibt dann aber das einzige lobende Wort in der sehr ausführlichen Besprechung des neuen Buches. Spaemanns Polemiken gegen den Utilitarismus, gegen den Konsequentialismus gründen stets auf einer von einem postulierten normativen Naturbegriff geleiteten Ethik, so Graf. Der Vorwurf "naturalistischer Fehlschlüsse" gehört noch zu den freundlicheren Entgegnungen des Rezensenten, der zunehmend wütender wird: er schreibt von "Tiefschlägen" Spaemanns, ärgert sich über seine "Sprache des frommen Appells", stellt fest, dass der Philosoph oft "alle Fairnessregeln" verletzt und konstatiert zuletzt "maßlose moralische Arroganz".

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