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Grenzen begleiten die Menschheit von Anbeginn. Schon immer galt es, Stammes- und Eigentumsgrenzen zu markieren. Frühe Hochkulturen kannten sprachliche, kulturelle und ethnische Räume, die es zu schützen galt - das ist bis heute so. Alexander Demandt nimmt uns mit auf eine spannende Reise zu den Grenzen der Welt. Ob die Mythen vom Ursprung und Ende der Welt, die biblischen Zeitgrenzen, Schutzgrenzen wie der römische Limes oder die chinesische Mauer, ob sakrale Grenzen der Tempelbezirke, natürliche Grenzen, markiert durch Flüsse, Gebirge und Meere, koloniale Willkürgrenzen oder jahrhundertelang…mehr

Produktbeschreibung
Grenzen begleiten die Menschheit von Anbeginn. Schon immer galt es, Stammes- und Eigentumsgrenzen zu markieren. Frühe Hochkulturen kannten sprachliche, kulturelle und ethnische Räume, die es zu schützen galt - das ist bis heute so. Alexander Demandt nimmt uns mit auf eine spannende Reise zu den Grenzen der Welt. Ob die Mythen vom Ursprung und Ende der Welt, die biblischen Zeitgrenzen, Schutzgrenzen wie der römische Limes oder die chinesische Mauer, ob sakrale Grenzen der Tempelbezirke, natürliche Grenzen, markiert durch Flüsse, Gebirge und Meere, koloniale Willkürgrenzen oder jahrhundertelang umstrittene Machtgrenzen wie die deutsch-französische - Demandts Reise führt uns von der Antike bis zur Gegenwart, von der Philosophie über die Geografie bis zur Geopolitik.
Autorenporträt
Alexander Demandt, geboren 1937 in Marburg, von 1974 bis 2005 Althistoriker und Kulturwissenschaftler an der Freien Universität Berlin. Zu seinem umfangreichen Werk gehören Bücher über das Römische Reich, über Wissenschafts- und Kulturgeschichte. Zuletzt erschienen bei Propyläen 'Zeit', 'Über die Deutschen. Eine kleine Kulturgeschichte' und 'Es hätte auch anders kommen können. Wendepunkte deutscher Geschichte'.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Johan Schloemannn verneigt sich vor dem historischen und kulturellen Weltwissen des Gelehrten, lässt sich gerne von ihm durch die Zeiten und Geografien (wenngleich auch dankbar für die Karten im Anhang) führen. Grenzen gab es immer, sie sind wichtig, sie änderten sich auch immer, Reiche gingen unter usw. Alles das fasziniert den Kritiker merklich, und die Beobachtung, dass schon die Grenze des Paradieses von Cherubim bewacht war, findet er ebenso köstlich wie die Bestimmung der Grenzen des Wissens, des Alls und der Religionen. Aber dann ist es ihm auch manchmal zu viel und gar nicht gefällt ihm, wie der Historiker die Grenzöffnung durch Angela Merkel beurteilt ("verantwortungslos"). Schließlich lässt er ihm dennoch das letzte Wort angesichts nicht auflösbarer Widersprüche.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.10.2020

Unterschiedenes ist gut
Reiches Wissen, Common Sense und auch Sarkasmen: Alexander Demandt nimmt sich Grenzen aller Art vor

"Buntschriftsteller" werden antike Autoren genannt, die allerlei Wissenswertes zusammentrugen, um es zwecks Instruktion und Unterhaltung auszubreiten. Einer komponierte etwa in langen "Attischen Nächten" eine Art fortlaufendes Lektüreprotokoll, scheinbar zufällig, wie ihm Wissenswertes und Kurioses gerade unterkamen, auf dass seine Kinder "in den Freistunden, wenn sie sich von ihren Arbeiten geistig ausruhen und ihrem eigenen Vergnügen nachhängen können, auch sofort eine angemessene Erholungslektüre vorfinden sollten". Soziale Überlegenheit manifestierte sich bereits hier in Bildung, freilich kombiniert mit einem Habitus des Unangestrengten.

Auch Alexander Demandt breitet in seinen Büchern Schätze eines stupenden Gedächtnisses und prall mit Fakten, Erklärungen, Geschichten gefüllter Zettelkästen aus, angereichert durch Selbsterlebtes aus Tagebüchern, Briefen und Erinnertem. Listig bringt er damit zwei einst selbstverständliche Säulen der Orientierung in der Welt zu Ehren: Wissen und Arbeit. Dabei pflegt er eine additive Ordnung: Der Stoff wird nach verschiedenen Achsen sortiert und dann wie Perlen auf Schnüre gezogen. Diese Bildung ist Instrument bürgerlicher Weltbewältigung.

Nach der Zeit (F.A.Z. vom 10. Oktober 2015) hat sich Demandt nun in dieser Manier die Grenzen vorgenommen - abermals einen wahrhaft universalen Gegenstand! Ausführlich bestimmt er zunächst Grenze als Grundkategorie menschlicher wie sozialer Existenz, im Raum, in der Zeit, im Kosmos und in der sachlichen Systematik von Feldern wie Politik, Recht oder Wirtschaft. Wer Grenzen für obsolet, ja böse hält, sieht sich belehrt: Alle Erscheinungen gewinnen Individualität und Identität erst durch Abgrenzung; jeder Gegenstand, den wir erkennen, zeigt sich in seinen Konturen, erst Begrenzung ermöglicht, zu unterscheiden und damit Formen und Gestalten zu erkennen. Der Autor erinnert an elementare erkenntnistheoretische Tatsachen, die auch in aktuellen Diskurskämpfen zur Geltung kommen: Wem Grenzen zwischen Staaten oder Geschlechtern als hinderlich, gar schädlich erscheinen, wird sich zugleich mit Verve gegen "rechts" abschotten. Grenzen und Grenzvorstellungen sedimentieren oder sind veränderlich; für beide Phänomene bietet das Buch Hekatomben von Beispielen. Ein listiger Trost, denn angesichts der schier unendlichen Fülle des hier über das Thema durch die Jahrtausende Gewussten werden die Abgrenzungskonflikte des Tages zu Wimpernschlägen. Argumente, um bestimmte Scheidungen festzuschreiben, finden sich hier eher nicht, dafür anthropologische Gemeinplätze: Der Mensch vertrage weder die generelle Entgrenzung noch die universelle Eingrenzung.

Die chronologische Darstellung folgt den üblichen Großepochen, wobei der Alte Orient (China eingeschlossen), die Griechen und die Römer breiten Raum erhalten, während "Germanen und Mittelalter" eher knapp abgemacht werden. Das lange Kapitel zur Neuzeit ist nach Großregionen gegliedert und behandelt vorwiegend die Staatengrenzen. Ergänzend treten in gleicher Anlage gut sechzig Seiten über Kriegs- und Nachkriegszeit hinzu - die Einteilung spiegelt die Generationenerfahrung des 1937 geborenen Verfassers.

Den Duktus des Buches mag als Beispiel der Absatz über die Landenge von Perekop zwischen der Ukraine und der Krim erhellen. Diese werde im Osten durch ein Sumpfgebiet gesperrt, im Westen gebe es seit alters einen Grenzgraben, daher der griechische Stadtname Taphros. Die Tabula Peutingeriana notiere: "Graben gemacht durch die Sklaven der Skythen." Dieser wurde dann "im 15. Jahrhundert vom Khan der Krimtataren auf der Südseite durch eine Mauer verstärkt, die von den Russen bis zur Annexion der zuvor türkischen Krim 1783 mehrfach genommen wurde. 1944 deportierte Stalin die Krimtataren und ersetzte sie durch Russen. Die Krimrussen gehörten seit 1954 zur Ukraine, bis sie sich 2014 durch ,unzulässigen' Volksentscheid an Rußland anschlossen." Um die Krim wiederum gegen die Ukraine abzuschließen, "zog Rußland 2018 in alter Tradition einen 60 Kilometer langen Zaun über den Hals der Halbinsel. Eine zweite Geländegrenze schützte die Landzunge, die sich von Theodosia ostwärts nach Pantikapaion-Kertsch erstreckt. Hier baute um 40 v. Chr. der bosporanische König Asandros gegen die Krimskythen eine Nord-Süd-Mauer vom Asowschen zum Schwarzen Meer, verstärkt durch zehn Türme im Abstand eines Stadions zu 180 Metern."

Merkformeln und Aphorismen sollen wohl Orientierung im Meer der Fakten bieten. Beispiele von religiös oder ideologisch geprägten Grenzregimen etwa werden mit der Bemerkung beschlossen, muslimischer Fundamentalismus und westlicher Liberalismus wechselten im Nahen Osten "mit den Generationen. Mal so, mal anders. Optimisten deuten das als Übergangserscheinung, Realisten als orientalische Normalität." Als Weisheit eines Alten vom Berge mag das durchgehen. Eine Seite weiter sieht sich der Leser ebenso reizend wie erhellend über die Funktion des Rahmens für ein Gemälde belehrt. Und "schmuckvoll gestaltete Kragen sind Amts- und Rangabzeichen für Richter, Pfarrer und Offiziere, nobilitieren den Kopf".

Sucht man in dieser Ausschüttung nützlichen Wissens - kaum eine Buchseite bietet weniger als zwanzig distinkte Informationen - einen roten Faden, so wäre dies wohl ein robuster Common Sense, gepaart mit mancherlei Sarkasmen. Vor Jahrzehnten hat Demandt einen schönen Aufsatz über Politik in den Fabeln Aesops publiziert, und sein Bild des Verhältnisses von Macht und Recht bewegt sich in der Fluchtlinie der resignierten Klugheit der Schwachen in diesen Texten. Besonders das Völkerrecht und die UN nimmt er gern aufs Korn, seien doch die Resolutionen und Charten letzterer, "um mit Mao zu sprechen - Papiertiger". Recht erwachse aus der Angst vor dem Unrecht, das ein Schwacher fürchten, ein Starker nicht scheuen müsse, so der Prophet Habakuk und der Dichter Horaz. Lehnte nicht Romulus feste Landesgrenzen ab, weil sie einen dynamischen Staat entweder fesselten oder ins Unrecht setzten? Erst sein Nachfolger Numa, so erfahren wir via Demandt von Plutarch, fixierte Staatsgrenzen und erkannte damit fremdes Recht an. Rom jedoch haben Grenzen auch danach nie an der Expansion gehindert.

UWE WALTER

Alexander Demandt: "Grenzen". Geschichte und Gegenwart.

Propyläen Verlag, Berlin 2020. 656 S., geb., 28,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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