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Grenzen produzieren nicht nur Staatsbürger und Ausländer, Immigranten und Emigranten, Ausgewiesene und Abgewiesene, sondern auch Grenzverletzer, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen der Limitierung ihrer Bewegungsfreiheit widersetzen und das staatliche Gebot "Halt, nicht weiter!" ignorieren. Dieser Band untersucht unterschiedliche Typen des Grenzverletzers, vom Schmuggler über den Flüchtling bis hin zum Luftpiraten."[.] ein sehr lesenswertes Buch [.]. "Grenzverletzer" ist ein nostalgisches und zugleich brandaktuelles Buch, keine historische Chronik, sondern eine Kollektion sozialer…mehr

Produktbeschreibung
Grenzen produzieren nicht nur Staatsbürger und Ausländer, Immigranten und Emigranten, Ausgewiesene und Abgewiesene, sondern auch Grenzverletzer, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen der Limitierung ihrer Bewegungsfreiheit widersetzen und das staatliche Gebot "Halt, nicht weiter!" ignorieren. Dieser Band untersucht unterschiedliche Typen des Grenzverletzers, vom Schmuggler über den Flüchtling bis hin zum Luftpiraten."[.] ein sehr lesenswertes Buch [.]. "Grenzverletzer" ist ein nostalgisches und zugleich brandaktuelles Buch, keine historische Chronik, sondern eine Kollektion sozialer Spezies', unter denen einige längst ausgestorben sind, andere ihrem Zenit noch entgegensehen." (Süddeutsche Zeitung)"Bei diesem Buch handelt es sich mithin um politische Bildung im besten Sinne." (Neue Gesellschaft - Frankfurter Hefte)
Autorenporträt
Prof. Dr. Ulrich Bröckling, 1959 geboren, 1979-1984 Studium der Heilpädagogik an der Kath. Fachhochschule für Sozialwesen Freiburg. 1985-1991 Magisterstudium der Soziologie, Geschichte und Philosophie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. 1996 Promotion; Dissertation »Gehorsamsproduktionen. Zur Soziologie und Geschichte militärischer Disziplinierung«. 2006 Habilitation an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Habilitationsschrift »Das unternehmerische Selbst. Zur Soziologie einer Subjektivierungsform«. 2009-2011 Professor für allgemeine Soziologie mit Schwerpunkt soziologische Theorie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit April 2011 Professor für Kultursoziologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.Prof. Dr. Eva Horn, 1965 geboren in Frankfurt/Main, Deutschland. 1984-1991 Studium Germanistik, Allgemeine Literaturwissenschaft, Romanistik und Philosophie in Bielefeld, Konstanz und Paris. 2004 Habilitation an der Fakultät für Kulturwissenschafen der

Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder. 2005-2008 Professur am Deutschen Seminar der Universität Basel. Seit 2009 Professur am Institut für Germanistik der Universität Wien.Prof. Dr. Stefan Kaufmann, 2003-2005 Fellowship und DFG- Forschungsstipendium an der Professur für Technikgeschichte der ETH Zürich. 2006-2007: Vertretung der Professur für Kultursoziologie am Institut für Soziologie der Universität Freiburg. 2008-2010: Vertretung der Professur für Medientheorie, Fachbereich Medienwissenschaft der Universität Siegen. 05/2011-07/2011: Fellow am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung (ZiF) in Bielefeld, Forschergruppe »Communicating Disaster«. Seit 2012: Außerplanmäßiger Professor am Institut für Soziologie, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Centre for Security and Society der Universität Freiburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.12.2002

Laubsägearbeiten am Schlagbaum
Der Schmuggler ist der dunkle Zwilling der Globalisierung: Ein Sammelband über die Logik der Grenzverletzung
Die Indianer nannten ihn „Warraghiyagey”, „Häuptling Gutes Geschäft”. William Johnson radebrechte ein wenig Mohawk und ertrug tagelanges Palaver am Lagerfeuer, aber die Herzen der Indianer eroberte er als Arbeitgeber. Auf seinem Landsitz am Cayadutta Creek, dem „Ort, wo man anhält, um seine Schüssel mit Essen und Trinken zu füllen”, beschäftigte der sauf- und rauflustige Ire zahlreiche Mohawks, die im Hof eine Art Lager aufschlugen und im Haus ein und aus gingen. Für die Puritaner wäre dies noch zu ertragen gewesen. Johnson hatte gegen Franzosen und Indianer gekämpft, eine halbe Million Morgen Land kolonisiert und stand treu zur Kirche von England. Aber dass Sir William schließlich sogar eine Indianerin heiratete, Molly Brant, die als „Brown Lady” Johnson bekannt wurde, das war zu viel. Der Mann war ein Skandal.
Heute gilt William Johnsons Multikulti-Kolonisiererei als vorbildlich, damals aber wurde sein ungezwungenes Fraternisieren als Verrat begriffen. Jede neue Siedlung trieb die Grenze nach Westen voran, ja, sie war die Grenze und zwar in ihrer größten Ausdehnung. Doch mindestens so schwer zu verteidigen wie die frisch gepflügte Prärie war der Abstand zwischen Zivilisation und Wildnis. Wenn der skandalöse „Chief Big Business” eine Art Zwischenreich schuf, in dem sich autochthone und koloniale Kultur zu einer neuen und für das Mutterland unerhört provokativen Lebensweise verbanden, dann hintertrieb er die schiere Existenz der Grenze, dann betrieb er ihre Auflösung.
Das macht die Figur des Siedlers unter den „Grenzverletzern”, denen Eva Horn, Stefan Kaufmann und Ulrich Bröckling ein sehr lesenswertes Buch gewidmet haben, zu einem doppelt subversiven Charakter. Wie der Hacker, der geknackte Spielcodes verbreitet und damit neuen Regelungsbedarf, also: neue Grenzen schafft, lieferte sich William Johnson dem Codex der Peripherie nicht aus.
An der Abhängigkeit änderten die Laubsägearbeiten am Schlagbaum nichts: „Grenzverletzer” und Grenze verbindet die gegenseitige Affirmation, beide sind ohne einander nicht denkbar. Nehmen wir den Schmuggler, diesen Botschafter eines schrankenlosen Warenverkehrs, den dunklen Zwilling der Globalisierer, je nach Fracht geliebt (Zucker, Kaffee) oder gehasst (Drogen, Waffen): Woran sollte er verdienen, wenn es keine Grenzen gäbe? Andererseits: Wofür bräuchte man Grenzen, wenn es keine Schmuggler gäbe? Keine Anarchisten, keine Eroberer? Ein Einschluss, der niemanden ausschließt, ist so sinnlos wie ein Visum ohne Fahrkarte.
Der edelste Teil des Menschen
Allerdings: Es gibt viele Arten, jemanden auszuschließen und die uns vertraute ist nur die jüngste. „Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustande wie ein Mensch. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.” Bertolt Brechts Anklage hätte in den Zeiten der Pest wenig Sinn gehabt. Denn das Wertpapier, das Identität und Herrschaftsraum verband, war eine Erfindung des Nationalstaates. Im feudalen Patchwork-Partikularismus diente der Pass nur als Erlaubnis zur Durchreise, nicht zur Identifikation. Die „sans papieres”, die Staatenlosen, sind die elenden Kinder der Neuzeit.
Grenzverletzungen wirken wie Kontrastmittel. In den geheimen Passagen von Söldnern und Nomaden, Eroberern und Spionen entwirft das Buch eine verkehrte Geschichte des Zusammenlebens, eine Herrschaftsgeschichte ex negativo. Überraschend eindrucksvoll gelingt dies dem Beitrag von Florian Oberhuber über den „Vagabunden”. Dessen unkontrolliertes Flanieren war im 18. Jahrhundert vor allem deshalb so fluchwürdig, weil er sich der lokalen Disziplin und Ökonomie entzog und dies ausgerechnet, als die auf Grundrenten und Gerichtsrechte gestützte Feudalherrschaft einem einheitlichen Rechtsverband wich. Wie niemand sonst legte der „Gegenuntertan” die Schwächen der frühen Kontrollbemühungen offen und wurde dafür verfolgt; eine ermordete Zigeunerin und ihren Säugling führte man im 16. Jahrhundert unter „erlegtem Wild”: Wenn schon der Einschluss nicht funktionierte, dann wenigstens der Ausschluss. Nicht einmal die Binnenwanderungen der Industrie-Arbeiter machten die illegale Mobilität des Vagabunden akzeptabel: Als einer, der nicht arbeitet und doch überlebt, war er im Frühkapitalismus erst recht verdächtig. Erst 1974 wurde „Landstreicherei” als Straftat abgeschafft.
Betrachtet man Grenzen nicht als natürliche Einfassung eines Gemeinwesens, sondern als Machtinstrument, dann erklärt sich die fast romantische Aura, die viele Autoren ihren Typologien verleihen. Manchmal wirkt das seltsam. Wenn Florian Schneider schreibt, der „Fluchthelfer” wolle über die „abstrakte Unmenschlichkeit” der Grenze siegen, dann misst er Schleusern, die ihren Passagieren den letzten Dollar abpressen und sie dann in Containern ersticken lassen, den Edelmut eines Rick Blaine zu, der im „Blauen Papagei” um Transitvisa ringt.
Aber die nationale Grenze ist ja ohnehin ein Auslauf-Modell. Mit jedem supranationalen Staatenbündnis verschwinden ein paar Visa-Vorschriften. Für die Grenzverletzer ändert sich damit nur die Geschäftsgrundlage: Die Räume werden größer, die Grenzen schärfer bewacht, aber der Bedarf nimmt eher zu. Der Söldner etwa, seit Wallenstein fast ausgemustert zugunsten nationaler Befreiungskrieger, ist einer der größten Profiteure der Globalisierung. Als Dienstleister in Sachen Gewalt bietet er Know How und Logistik in privatisierten Kriegen an.
„Grenzverletzer” ist ein nostalgisches und zugleich brandaktuelles Buch, keine historische Chronik, sondern eine Kollektion sozialer Spezies’, unter denen einige längst ausgestorben sind, andere ihrem Zenit erst noch entgegensehen. Das Buch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber gerade deshalb reizt es zum Weitersammeln von neuen, noch unbekannten „Grenzverletzern”. Das Gewerbe kennt kein Konjunkturtief. Aber erst wenn das letzte Zollhäuschen geschliffen, der letzte Einreisestempel verblasst und der letzte Grenzstreifen gerodet ist, werden wir lernen, dass ein Mensch edlere Teile besitzt als seinen Pass.
SONJA ZEKRI
EVA HORN, STEFAN KAUFMANN, ULRICH BRÖCKLING (Hg.): Grenzverletzer. Von Schmugglern, Spionen und anderen subversiven Gestalten. Kulturverlag Kadmos, Berlin 2002. 272 Seiten, 17,50 Euro.
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"(...) ein sehr lesenswertes Buch (...). 'Grenzverletzer' ist ein nostalgisches und zugleich brandaktuelles Buch, keine historische Chronik, sondern eine Kollektion sozialer Spezies', unter denen einige längst ausgestorben sind, andere ihrem Zenit noch entgegensehen. (SDZ)

"Mehr als einmal fallen bei der Lektüre die Absurditäten des heutigen Nationalstaatswesens auf." (Südwind - Magazin für internationale Politik, Kultur und Entwicklung)

"Bei diesem Buch handelt es sich mithin um politische Bildung im besten Sinne." (Neue Gesellschaft - Frankfurter Hefte)