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Kein anderer Zeitraum in der Menschheitsgeschichte war für die kulturelle Entwicklung des Abendlandes von so großer Bedeutung wie die griechisch-römische Antike. Literatur, bildende Kunst, Philosophie und Naturwissenschaften gelangten in dieser Epoche zu höchster Blüte. Eine unverzichtbare Rolle in der Vermittlung des antiken Erbes an das Mittelalter spielte die schriftliche Überlieferung. Ihrem materiellen Bestand - den unterschiedlichen Buchformen und Beschreibstoffen, der Schriftkunst, Buchillustration und Einbandkunst - widmet sich dieser Band. Zahlreiche Bildbeispiele

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Produktbeschreibung
Kein anderer Zeitraum in der Menschheitsgeschichte war für die kulturelle Entwicklung des Abendlandes von so großer Bedeutung wie die griechisch-römische Antike. Literatur, bildende Kunst, Philosophie und Naturwissenschaften gelangten in dieser Epoche zu höchster Blüte. Eine unverzichtbare Rolle in der Vermittlung des antiken Erbes an das Mittelalter spielte die schriftliche Überlieferung. Ihrem materiellen Bestand - den unterschiedlichen Buchformen und Beschreibstoffen, der Schriftkunst, Buchillustration und Einbandkunst - widmet sich dieser Band. Zahlreiche Bildbeispiele
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.1999

Diese Circe soll ja ein steiler Zahn gewesen sein
Aber Otto Mazal berichtet, dass die antike Buchkultur noch weit Risikoreicheres zu bieten hatte als hexende Frauen

Im sechsten Jahrhundert nach Christus diktierte ein Lehrer seinen Schülern einen griechischen Merksatz in die Federn, der sich auf Papyri erhalten hat und mehrere Übersetzungen ins Deutsche zulässt. Eine mögliche Version lautet: "Der wichtigste Anfang (arche) im Leben ist der Elementarunterricht (grammata)." Doch man könnte den Satz auch anders verstehen: "Die größte Macht im Leben ist die Schrift." Vor allem die zweite Variante mag vielen Menschen im Zeitalter von Informationstechnik und Digitalisierung altbacken klingen und als Anachronismus erscheinen, doch zumindest bis weit ins neunzehnte Jahrhundert hinein dürfte er stets eine gewisse Berechtigung gehabt haben. Und selbst heute sprechen trotz diverser Lamenti über den Verfall der Lese- und Schreibkultur und über die angebliche Unverkäuflichkeit wirklich guter Bücher die zahlreichen jährlichen Neuerscheinungen und das enorme öffentliche Echo auf die Buchmessen für die fortdauernde kulturelle Bedeutung des Buches.

Ebendiese Bedeutung zu erhellen und von den Anfängen in der griechisch-römischen Antike bis in unsere Gegenwart nachzuzeichnen ist das dezidierte Ziel einer neuen, auf neun Bände angelegten Geschichte der Buchkultur, deren erster Band gerade erschienen ist. Geschrieben hat ihn der Herausgeber der gesamten Reihe, Otto Mazal, der als ehemaliger Direktor der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek die denkbar besten Voraussetzungen für ein derartiges Vorhaben mitbringt, und so bildet der vorliegende Band denn auch einen viel versprechenden Auftakt für die Reihe.

Das antike Buch wird als Gesamtkunstwerk vorgestellt; es wird eingebettet in den allgemeinen historischen Kontext, seine Entstehung und Entwicklung werden minutiös beschrieben durch die Betrachtung von Schrift und Sprache, von verschiedenen Beschreibstoffen, von Schreib- und Lesetechniken sowie Buchmalerei und Bucheinbänden. Den Anfang nicht nur der europäischen Literaturgeschichte, sondern auch der eigentlichen Buchgeschichte markieren die mit dem Namen Homers verbundenen (aber vielleicht von verschiedenen Dichtern stammenden) Epen. Zwar stehen "Ilias" und "Odyssee" in der Tradition mündlicher Dichtung, gleichwohl darf "als sicher gelten, dass die Verfasser ihre Werke niedergeschrieben haben". Im Übrigen kennt schon die wohl spätestens im achten Jahrhundert vor Christus komponierte, freilich bereits mykenische Überlieferung verarbeitende "Ilias" selbst die schriftliche Fixierung von Texten und die Versendung von Mitteilungen und Nachrichten. So schickt der argivisch-tirynthische König Proitos an den lykischen Herrscher "Todeswinke, geritzt auf gefalteter Tafel" (6,169), um Bellerophon, den Überbringer der Nachricht, töten zu lassen, und derartige verbundene Tafeln sind als Vorläufer der später gebräuchlichen Papyrus- und Pergamentrollen anzusehen.

Immer wieder lässt Mazal die antiken Autoren zu Wort kommen und demonstriert, wie viele wertvolle Sachinformationen aus den antiken Quellen über den damaligen Literaturbetrieb zu gewinnen sind. Bisweilen kann er sogar geradezu modern klingende Werturteile über das Publikationswesen zitieren. Wenn etwa der alexandrinische Gelehrte und Meister der epigrammatischen Dichtung, Kallimachis (circa 300 bis 240 vor Christus), feststellt, ein großes Buch sei ein großes Übel, so wird man dies am ehesten als Kritik an der Vielschreiberei seiner Zeitgenossen verstehen wollen. Daneben zieht Mazal natürlich vor allem die erhaltenen Papyri, Codices und mittelalterlichen Handschriften heran, um seine Leser mit der antiken Buchkultur vertraut zu machen. Diesem Ziel dienen auch die reichen Illustrationen des mit vierzig vorzüglichen Abbildungen und zweiunddreißig Farbtafeln von bestechender Qualität versehenen Bandes, dessen Höhepunkt das umfangreichste Kapitel über die antike Buchmalerei bildet. Darin präsentiert Mazal in aller Ausführlichkeit eine der berühmtesten Kostbarkeiten der Österreichischen Nationalbibliothek, die so genannte "Wiener Genesis".

Es handelt sich dabei um die älteste erhaltene, wahrscheinlich in die erste Hälfte des sechsten Jahrhunderts nach Christus zu datierende Prachthandschrift des Buches Genesis, die im syrischen Raum entstanden sein dürfte. Von der mit Silbertinte beschriebenen Purpurpergamenthandschrift hat sich ungefähr ein Viertel erhalten, und von den wundervollen Miniaturen sind noch achtundvierzig Bilder auf uns gekommen, von denen vier auf Farbtafeln abgebildet sind.

Allerdings lädt der Bildband keineswegs in erster Linie zum genussvollen Schauen ein, sondern er verlangt vor allem den geduldigen und anspruchsvollen Leser. Am besten sollte dieser auch über Kenntnisse der alten Sprachen verfügen, denn nicht alle antiken Zitate und Fachausdrücke werden übersetzt. Insgesamt überzeugt die Darstellung durch ihren hohen Informationsgehalt und ihre Detailgenauigkeit. So werden beispielsweise die einzelnen Buchstaben des archaischen lateinischen Alphabets nicht nur in Umzeichnungen präsentiert, sondern Stück für Stück in ihrem Erscheinungsbild beschrieben, nicht anders als die verschiedenen Schriftformen der griechischen Papyri oder der römischen "Capitalis", der eigentlichen Buchschrift von Kaiserzeit und Spätantike.

Wenn man überhaupt Kritik an diesem Buch üben möchte, dann allenfalls daran, dass vielleicht ein wenig zu viel des Guten getan worden ist. Denn in dem Bestreben, die Buchkultur als wesentlichen Bestandteil der gesamten antiken Zivilisation zu präsentieren, stellt Mazal an den Beginn seiner Ausführungen ein umfangreiches, sechzig Seiten umfassendes Kapitel, in welchem er einen Abriss der politischen Geschichte und eine Kurzdarstellung von antiker Dichtung und Prosaliteratur sowie von Religion und Philosophie zu geben versucht. Dabei ist er freilich gezwungen, weitgehend auf differenziertere Ausführungen zu verzichten zugunsten einer Aneinanderreihung von Daten, Fakten, Namen und schlagwortartigen, häufig apodiktischen Werturteilen.

Letztere muten bisweilen recht eigenwillig an, zum Beispiel die Äußerungen Mazals über die Einwanderungsbewegungen in das archaische Griechenland: "Die Dorer und Nordwestgriechen brachten strenge Zucht, bäuerliche Sitte und frische Unberührtheit mit sich." Derartige Einschätzungen, die allerdings nicht typisch sind für das ansonsten schnörkellos und unprätentiös formulierte Buch, entsprechen gewiss weder dem heutigen Kenntnisstand über die frühen Griechen noch bedienen sie sich der gebotenen nüchternen Terminologie. Auch ist es keineswegs ausgemacht, dass "griechisches Ingenium" durch den Sieg über die Perser bei Plataiai (479 vor Christus) "Europa vor einer früheren Orientalisierung gerettet hat", denn über das weitere Vorgehen des Großkönigs im Falle eines persischen Sieges lässt sich bestenfalls spekulieren. Und schließlich scheint es fraglich, ob der zwischen circa 45 und 120 nach Christus lebende Plutarch tatsächlich "als letzter bedeutender griechischer Schriftsteller" zu gelten hat. Abgesehen von diesen Defiziten der Einführung ist das Buch von Mazal jedoch uneingeschränkt zu empfehlen, insbesondere auch Studierenden aller altertumswissenschaftlichen Disziplinen. Angesichts des viel versprechenden Auftakts darf man den folgenden Bänden erwartungsvoll entgegensehen.

HARTWIN BRANDT

"Geschichte der Buchkultur". Band 1: Otto Mazal: "Griechisch-römische Antike". Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1999. 415 S., 40 Abb. und 32 Farbtafeln, geb., 98,- DM bei Reihenbezug, sonst 109,- DM.

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