In seiner in der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts niedergeschriebenen «Weltgeschichte» wollte Diodor aus Agyrion (Sizilien) in geographisch umfassender Darstellung die universalen Geschehnisse von den Frühzeiten der Götter und Menschen bis in seine Gegenwart, die Jahrzehnte der Feldzüge Caesars, schildern. Diodors auf 40 Bücher konzipierte «Bibliotheke», eine zu mehr als einem Drittel vollständig überlieferte und für die Altertumswissenschaften hoch bedeutsame Quelle, ist mit diesem Buch XVI an einer Zäsur der griechischen Geschichte angelangt: der Regierungszeit König Philipps II. von Makedonien (359–336). Zentrales Thema des XVI. Buchs ist der von Philipp, dem Vater Alexanders des Großen, so rücksichtslos wie zielstrebig und erfolgreich betriebene Aufstieg des den Griechen noch als halbbarbarisch-rückständig geltenden, zudem um 360 militärisch angeschlagenen Makedonien zur hellenischen Hegemonialmacht, die in der Schlacht von Chaironeia (338) über Athen und Theben triumphieren und sich bald darauf zur Invasion des Perserreichs anschicken konnte. Angesichts des rudimentären Erhaltungszustands der zeitgenössischen Geschichtsschreibung (Theopomp, Ephoros) ist Diodors Buch XVI als wichtigster zusammenhängender historiographischer Bericht über die Epoche Philipps einzuschätzen. Sein besonderer Reiz liegt auch darin, daß Diodors würdigende Darstellung der Leistungen des Makedonenkönigs ein wohltuendes Korrektiv zu den maliziös verzerrten, das Geschichtsbild jedoch nachhaltig prägenden Wertungen der zeitgenössischen athenischen Rhetorik (Demosthenes) bietet. Das vorliegende Buch wendet sich darüber hinaus in einem längeren Exkurs dem achaimenidischen Perserreich zu, das – am Vorabend des Alexanderzugs – unter Artaxerxes III. (359-338) einen letzten Gipfel seiner Machtstellung erreichte. Auch setzt Diodor die Schilderung der Wirren und Bürgerkriege in seiner sizilischen Heimat fort, mit eingehenden Beschreibungen der Kämpfe zwischen dem Tyrannen Dionysios II. von Syrakus († nach 338) und dessen Widersachern Dion sowie Timoleon. Diodors XVI. Buch, das in seiner Quellenbasis strittig ist und gehäufte chronologische Unklarheiten aufweist, erscheint einerseits als verwirrendes, eher schwer zugängliches Werk; es ist andererseits eine unverzichtbare Grundlage der Historiographie zum 4. Jahrhundert v. Chr. und markiert, gemeinsam mit der Alexandergeschichte des XVII. Buchs, einen Höhepunkt in der Konzeption der «Bibliotheke». Unter den Aspekten der immanenten Problematik wie auch der herausragenden Bedeutung von Diodor XVI und XVII werden beide Bücher in separaten Bänden vorgelegt (Buch XVII Ende 2007).Die aus dem Nachlaß des Würzburger Philologen Dr. Otto Veh stammende Übersetzung ist von Thomas Frigo M.A. (Berlin) bearbeitet und mit einer ausführlichen Einleitung sowie einem detaillierten Kommentar zu Sachfragen, Parallelüberlieferung und Sekundärliteratur versehen worden; Zeittafel, Bibliographie und Index vervollständigen diesen Teilband der ersten deutschen Diodor-Gesamtedition seit Mitte des 19. Jahrhunderts.