Nobelpreis für Literatur 2024
»Griechischstunden« erzählt die Geschichte zweier gewöhnlicher Menschen, die sich in einem Moment privater Angst begegnen. Han Kang hat einen schillernden Roman über die rettende Gnade der Sprache geschrieben.
In einem Klassenzimmer in Seoul beobachtet eine junge Frau ihren Griechischlehrer. Sie versucht, zu sprechen, aber sie hat ihre Stimme verloren. Ihr Lehrer fühlt sich zu der stummen Frau hingezogen, denn er verliert von Tag zu Tag mehr von seinem Augenlicht. Bald entdecken die beiden, dass ein tiefer Schmerz sie verbindet. Sie hat in nur wenigen Monaten sowohl ihre Mutter als auch den Kampf um das Sorgerecht für ihren neunjährigen Sohn verloren. Für ihn ist es der Schmerz, zwischen Korea und Deutschland aufzuwachsen, zwischen zwei Kulturen und Sprachen hin- und hergerissen zu sein.
Langsam entdecken die beiden ein tiefes Gefühl der Einheit, und ihre Stimmen überschneiden sich mit verblüffender Schönheit.
»Die vielleicht leiseste Liebesgeschichte der Welt.« Die Zeit
»Han Kangs Stimme kann man sich nicht entziehen.« The Independent
»Dieser Roman ist ein Fest des unaussprechlichen Vertrauens, das im Austausch von Sprache zu finden ist... Han Kang ist eine scharfsinnige Chronistin der ungewöhnlichen, rebellischen Frauen. « New York Times
»Han Kang erzählt zugleich mit großer Brutalität und großer Poesie - eine Mischung, die nur wenigen Schriftstellern gelingt.« stern
»Han Kang erzählt so intensiv, dass man manchmal die Augen schließen möchte.« HR2 Kultur
»Han Kang ist eine der eigenwilligsten, kraftvollsten, innovativsten Autorinnen unserer Zeit.« Die Zeit
»Griechischstunden« erzählt die Geschichte zweier gewöhnlicher Menschen, die sich in einem Moment privater Angst begegnen. Han Kang hat einen schillernden Roman über die rettende Gnade der Sprache geschrieben.
In einem Klassenzimmer in Seoul beobachtet eine junge Frau ihren Griechischlehrer. Sie versucht, zu sprechen, aber sie hat ihre Stimme verloren. Ihr Lehrer fühlt sich zu der stummen Frau hingezogen, denn er verliert von Tag zu Tag mehr von seinem Augenlicht. Bald entdecken die beiden, dass ein tiefer Schmerz sie verbindet. Sie hat in nur wenigen Monaten sowohl ihre Mutter als auch den Kampf um das Sorgerecht für ihren neunjährigen Sohn verloren. Für ihn ist es der Schmerz, zwischen Korea und Deutschland aufzuwachsen, zwischen zwei Kulturen und Sprachen hin- und hergerissen zu sein.
Langsam entdecken die beiden ein tiefes Gefühl der Einheit, und ihre Stimmen überschneiden sich mit verblüffender Schönheit.
»Die vielleicht leiseste Liebesgeschichte der Welt.« Die Zeit
»Han Kangs Stimme kann man sich nicht entziehen.« The Independent
»Dieser Roman ist ein Fest des unaussprechlichen Vertrauens, das im Austausch von Sprache zu finden ist... Han Kang ist eine scharfsinnige Chronistin der ungewöhnlichen, rebellischen Frauen. « New York Times
»Han Kang erzählt zugleich mit großer Brutalität und großer Poesie - eine Mischung, die nur wenigen Schriftstellern gelingt.« stern
»Han Kang erzählt so intensiv, dass man manchmal die Augen schließen möchte.« HR2 Kultur
»Han Kang ist eine der eigenwilligsten, kraftvollsten, innovativsten Autorinnen unserer Zeit.« Die Zeit
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Ein weiteres tolles Buch legt Han Kang hier vor, findet Rezensentin Katharina Borchardt. Im Zentrum stehen zwei Menschen, die sich von der Welt abgewandt haben, ein erblindender Mann, der Altgriechisch unterrichtet, und eine seiner Schülerinnen, eine Frau, die ihre Sprache verloren hat. Der Roman der Koreanerin handelt zwar von Sprache, so Borchardt, aber gleichzeitig auch von Stille und ähnelt teilweise einer Meditation. Schön, wie sich in dem Buch die Figuren den Lesern öffnen und wie der Text eine Verbindung herstellt zwischen Innerem und Äußerem, Körper und Geist, freut sich die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Eine Ausnahmeautorin« Süddeutsche Zeitung 20240315
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.03.2024Bücher wie aus Seide
Eine koreanische Dichterin lernt Altgriechisch, um ihren Glauben an die Sprache wiederzufinden:
der neue Roman der Ausnahmeautorin Han Kang.
VON ALEX RÜHLE
Etwas zur Sprache bringen. Nichts leichter als das. Man denkt sich was und dann spricht man es eben aus.
Tja.
„Das ist nicht so einfach.“ Eine Frau taucht bei einem Therapeuten auf. Ihre Mutter ist gestorben, ihr Mann hat sich von ihr getrennt, sie hat den Sorgerechtsstreit um den gemeinsamen Sohn verloren. Und jetzt ist ihr auch noch die Fähigkeit zu sprechen abhandengekommen. Für den Therapeuten ist die Sache sofort klar, zu viel Leid bringt Verstummen mit sich. „,Nein‘, hatte sie auf das weiße Blatt geschrieben, das vor ihr auf dem Tisch lag. ,Das ist nicht so einfach.‘“
Es wäre vermessen zu sagen, dass Han Kang die wichtigste Autorin Südkoreas ist, so wenig wie wir hierzulande von dort zu lesen bekommen. Dass die 53-jährige Kang aber große Literatur schreibt, kann glücklicherweise jeder selbst nachprüfen, Dank dafür an den Aufbau-Verlag, der seit 2016 fünf ihrer Romane veröffentlicht hat, Dank auch an ihre treue Übersetzerin Lee Ki-Hyang, die auch diesmal wieder einen so konzentrierten wie schwebenden Ton gefunden hat (und die dieses Jahr – allerdings für ein anderes Buch – auch für den Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse nominiert ist).
Kang hat eine sehr eigene Bildsprache – und ein sehr eigenes Personal, das quer durch die Bücher miteinander wesensverwandt zu sein scheint: Weltberühmt (und 2016 mit dem International Booker Prize ausgezeichnet) wurde sie mit „Die Vegetarierin“, der Geschichte über eine Frau, die sich irgendwann weigert, weiterhin Fleisch zu essen, damit eine stille Revolution gegen die brutalisierte, zerstörerische Männerwelt ringsumher beginnt und dann immer radikaler versucht, selbst einer Pflanze gleich zu werden. Ähnlich eigenbrötlerisch bis zur Bizarrerie war der Bildhauer aus „Deine kalten Hände“, der von Kindheit an das Gefühl hatte, nirgends dazuzugehören, und der sich den ganzen Roman über fast die Augen aus dem Kopf schaut, um die Dinge endlich richtig zu sehen und sie abzubilden, so wie sie wirklich sind.
Aber was sehen wir überhaupt? Und was können wir ausdrücken? Große, schwere Fragen, fast schon deppert und sackplump, wenn man sie so in den Raum stellt. Kangs neue namenlose Erzählerin war mal Lyrikerin, jetzt kann sie nicht mehr schreiben und nicht mal mehr sprechen, weil man ja doch immer an der Sache vorbeiredet. „Sprache ist ein Pfeil, der immer knapp sein Ziel verfehlt“, wie Kang, die selbst auch Lyrik schreibt, in einem Interview zu diesem Buch sagte. Ihre verstummte Protagonistin hat sich aus der Welt zurückgezogen und besucht nur einmal wöchentlich einen kleinen Altgriechisch-Kurs, ein Versuch, neu nach den Anfängen der Sprache zu suchen.
Ihr Lehrer, ebenfalls namenlos, ist auf ganz andere Art ähnlich einsam wie sie. Als er ein Kind war, zogen seine Eltern mit ihm und seiner Schwester nach Westdeutschland. Da er dort nie heimisch wurde, ging er irgendwann alleine zurück, konnte aber auch in Seoul nicht mehr wirklich Anschluss finden. Außerdem hat er die Augenkrankheit seines Vaters geerbt, sieht nur noch Flächen und Schatten und muss sich den Rest, alle Konkretion des Schönen, mittlerweile dazudenken. Zwei extreme Außenseiter also, mitten in der Megacity von Seoul, der einen fehlt die Sprache, dem anderen kommt die sichtbare Welt abhanden – beide aber tragen alles in sich, um Sprache und Welt zum Leuchten zu bringen, wie das sonst nur in Gedichten der Fall ist.
Text kommt von texere, weben, flechten. Han Kangs Romane sind einerseits dicht wie Teppiche und dabei doch so leicht wie Seide – voller intertextueller Bezüge (Borges und Plato tauchen diesmal so regelmäßig auf wie das Muster in einem Kelim), aber nie bildungshubernd oder auftrumpfend, im Gegenteil, der Text wirkt so kompakt und zugleich filigran, als habe Kang am Ende 80 Prozent des Geschriebenen wieder weggenommen, weil ohnehin nur die Essenz bestehen kann.
Man muss hier noch „Weiß“ erwähnen, Kangs kleinen, großen Text über Abschied und Tod: „Weiß“ war ein autobiografisches Trauerbuch um Kangs eigene tot geborene Schwester, in dem die Erzählerin einmal davon spricht, wie sie in einer europäischen Stadt fremd „wie eine unnachgiebige Insel“ zwischen den Leuten schwimme und sich in das Zentrum ihres Innenlebens gedrängt fühle.
Die beiden Frauenstimmen aus „Weiß“ und „Griechischstunden“ sind einander auffallend ähnlich, bis in die fast wörtlich gleich gestellte Frage, die sich durch ihr Leben bohrt, nämlich, wie es diesmal heißt, „ob sie überhaupt das Recht hat, auf dieser Welt zu sein“. Und der Schnee, der in „Weiß“ als zentrale Metapher diente, weht auch in die „Griechischstunde“ hinein, als immer neu zu deutendes Bild, für die Blindheit genauso wie für das Verstummen der Welt, das Vergessen und die Indifferenz, die Reinheit und das Papier, auf dem der Text seine Spur hinterlässt.
Hier mal als wenigstens kleiner Beleg für die enorme atmosphärische Dichte und Kangs Beschreibungsgenauigkeit drei ganz unterschiedliche Sätze. Als die Frau im Gesicht ihres Lehrers eine Narbe entdeckt, die sich von den Augen zu den Lippen zieht, „sah sie darin einen Weg auf einer alten Landkarte, der die Spur einer vor langer Zeit geflossenen Träne markierte.“ – „Im Zimmer flirrte glitzernd die Luft, als bestünde sie aus Millionen von Glaspartikeln.“ – Oder spätabends im Bus „ein Dutzend stummer Fahrgäste. Die Stille ist geprägt von Erschöpfung, Erfolglosigkeit und latenter Feindseligkeit“.
Eines Abends stürzt der Lehrer, als er einem verirrten Vogel den Weg aus dem Gebäude weisen will, eine Treppe hinunter und liegt hilflos im Dunkel. Die Frau findet ihn und hilft ihm nach Hause. Wie aber kann man sich austauschen, wenn sie nicht spricht und er nicht sieht? Der Moment, in dem sie ihm mit ihrem Finger auf die Hand schreibt, ist so berührend, als sei man selbst plötzlich angefasst worden. Und man kann nur staunen, wie elegant Kang die Seiten zuvor alles vorbereitet hat für dieses taktile Überraschungswunder.
Sie war mal
Lyrikerin, jetzt kann sie
nicht mehr schreiben
Wie sich austauschen,
wenn sie nicht spricht und
er nicht sieht?
Han Kang:
Griechischstunden.
Roman. Aus dem
Südkoreanischen
von Ki-Hyang Lee.
Aufbau, Berlin 2024.
204 Seiten, 23 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Eine koreanische Dichterin lernt Altgriechisch, um ihren Glauben an die Sprache wiederzufinden:
der neue Roman der Ausnahmeautorin Han Kang.
VON ALEX RÜHLE
Etwas zur Sprache bringen. Nichts leichter als das. Man denkt sich was und dann spricht man es eben aus.
Tja.
„Das ist nicht so einfach.“ Eine Frau taucht bei einem Therapeuten auf. Ihre Mutter ist gestorben, ihr Mann hat sich von ihr getrennt, sie hat den Sorgerechtsstreit um den gemeinsamen Sohn verloren. Und jetzt ist ihr auch noch die Fähigkeit zu sprechen abhandengekommen. Für den Therapeuten ist die Sache sofort klar, zu viel Leid bringt Verstummen mit sich. „,Nein‘, hatte sie auf das weiße Blatt geschrieben, das vor ihr auf dem Tisch lag. ,Das ist nicht so einfach.‘“
Es wäre vermessen zu sagen, dass Han Kang die wichtigste Autorin Südkoreas ist, so wenig wie wir hierzulande von dort zu lesen bekommen. Dass die 53-jährige Kang aber große Literatur schreibt, kann glücklicherweise jeder selbst nachprüfen, Dank dafür an den Aufbau-Verlag, der seit 2016 fünf ihrer Romane veröffentlicht hat, Dank auch an ihre treue Übersetzerin Lee Ki-Hyang, die auch diesmal wieder einen so konzentrierten wie schwebenden Ton gefunden hat (und die dieses Jahr – allerdings für ein anderes Buch – auch für den Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse nominiert ist).
Kang hat eine sehr eigene Bildsprache – und ein sehr eigenes Personal, das quer durch die Bücher miteinander wesensverwandt zu sein scheint: Weltberühmt (und 2016 mit dem International Booker Prize ausgezeichnet) wurde sie mit „Die Vegetarierin“, der Geschichte über eine Frau, die sich irgendwann weigert, weiterhin Fleisch zu essen, damit eine stille Revolution gegen die brutalisierte, zerstörerische Männerwelt ringsumher beginnt und dann immer radikaler versucht, selbst einer Pflanze gleich zu werden. Ähnlich eigenbrötlerisch bis zur Bizarrerie war der Bildhauer aus „Deine kalten Hände“, der von Kindheit an das Gefühl hatte, nirgends dazuzugehören, und der sich den ganzen Roman über fast die Augen aus dem Kopf schaut, um die Dinge endlich richtig zu sehen und sie abzubilden, so wie sie wirklich sind.
Aber was sehen wir überhaupt? Und was können wir ausdrücken? Große, schwere Fragen, fast schon deppert und sackplump, wenn man sie so in den Raum stellt. Kangs neue namenlose Erzählerin war mal Lyrikerin, jetzt kann sie nicht mehr schreiben und nicht mal mehr sprechen, weil man ja doch immer an der Sache vorbeiredet. „Sprache ist ein Pfeil, der immer knapp sein Ziel verfehlt“, wie Kang, die selbst auch Lyrik schreibt, in einem Interview zu diesem Buch sagte. Ihre verstummte Protagonistin hat sich aus der Welt zurückgezogen und besucht nur einmal wöchentlich einen kleinen Altgriechisch-Kurs, ein Versuch, neu nach den Anfängen der Sprache zu suchen.
Ihr Lehrer, ebenfalls namenlos, ist auf ganz andere Art ähnlich einsam wie sie. Als er ein Kind war, zogen seine Eltern mit ihm und seiner Schwester nach Westdeutschland. Da er dort nie heimisch wurde, ging er irgendwann alleine zurück, konnte aber auch in Seoul nicht mehr wirklich Anschluss finden. Außerdem hat er die Augenkrankheit seines Vaters geerbt, sieht nur noch Flächen und Schatten und muss sich den Rest, alle Konkretion des Schönen, mittlerweile dazudenken. Zwei extreme Außenseiter also, mitten in der Megacity von Seoul, der einen fehlt die Sprache, dem anderen kommt die sichtbare Welt abhanden – beide aber tragen alles in sich, um Sprache und Welt zum Leuchten zu bringen, wie das sonst nur in Gedichten der Fall ist.
Text kommt von texere, weben, flechten. Han Kangs Romane sind einerseits dicht wie Teppiche und dabei doch so leicht wie Seide – voller intertextueller Bezüge (Borges und Plato tauchen diesmal so regelmäßig auf wie das Muster in einem Kelim), aber nie bildungshubernd oder auftrumpfend, im Gegenteil, der Text wirkt so kompakt und zugleich filigran, als habe Kang am Ende 80 Prozent des Geschriebenen wieder weggenommen, weil ohnehin nur die Essenz bestehen kann.
Man muss hier noch „Weiß“ erwähnen, Kangs kleinen, großen Text über Abschied und Tod: „Weiß“ war ein autobiografisches Trauerbuch um Kangs eigene tot geborene Schwester, in dem die Erzählerin einmal davon spricht, wie sie in einer europäischen Stadt fremd „wie eine unnachgiebige Insel“ zwischen den Leuten schwimme und sich in das Zentrum ihres Innenlebens gedrängt fühle.
Die beiden Frauenstimmen aus „Weiß“ und „Griechischstunden“ sind einander auffallend ähnlich, bis in die fast wörtlich gleich gestellte Frage, die sich durch ihr Leben bohrt, nämlich, wie es diesmal heißt, „ob sie überhaupt das Recht hat, auf dieser Welt zu sein“. Und der Schnee, der in „Weiß“ als zentrale Metapher diente, weht auch in die „Griechischstunde“ hinein, als immer neu zu deutendes Bild, für die Blindheit genauso wie für das Verstummen der Welt, das Vergessen und die Indifferenz, die Reinheit und das Papier, auf dem der Text seine Spur hinterlässt.
Hier mal als wenigstens kleiner Beleg für die enorme atmosphärische Dichte und Kangs Beschreibungsgenauigkeit drei ganz unterschiedliche Sätze. Als die Frau im Gesicht ihres Lehrers eine Narbe entdeckt, die sich von den Augen zu den Lippen zieht, „sah sie darin einen Weg auf einer alten Landkarte, der die Spur einer vor langer Zeit geflossenen Träne markierte.“ – „Im Zimmer flirrte glitzernd die Luft, als bestünde sie aus Millionen von Glaspartikeln.“ – Oder spätabends im Bus „ein Dutzend stummer Fahrgäste. Die Stille ist geprägt von Erschöpfung, Erfolglosigkeit und latenter Feindseligkeit“.
Eines Abends stürzt der Lehrer, als er einem verirrten Vogel den Weg aus dem Gebäude weisen will, eine Treppe hinunter und liegt hilflos im Dunkel. Die Frau findet ihn und hilft ihm nach Hause. Wie aber kann man sich austauschen, wenn sie nicht spricht und er nicht sieht? Der Moment, in dem sie ihm mit ihrem Finger auf die Hand schreibt, ist so berührend, als sei man selbst plötzlich angefasst worden. Und man kann nur staunen, wie elegant Kang die Seiten zuvor alles vorbereitet hat für dieses taktile Überraschungswunder.
Sie war mal
Lyrikerin, jetzt kann sie
nicht mehr schreiben
Wie sich austauschen,
wenn sie nicht spricht und
er nicht sieht?
Han Kang:
Griechischstunden.
Roman. Aus dem
Südkoreanischen
von Ki-Hyang Lee.
Aufbau, Berlin 2024.
204 Seiten, 23 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de