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Produktdetails
  • Verlag: iudicium
  • Seitenzahl: 488
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 634g
  • ISBN-13: 9783891297414
  • Artikelnr.: 10630465
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.02.2003

Erfolgreich seit
30 Jahren
Die Geschichte des
Berliner GRIPS - Theaters
Gerade alltäglich ist es nicht, dass eine deutsche Bühne, noch dazu ein Kindertheater, immer wieder durch die Welt reist, vom Goethe-Institut als kultureller Exportartikel genutzt wird, und dass ihre Stücke in Sydney oder Minneapolis, in Seoul oder in Sao Paulo gespielt werden.Das Berliner GRIPS-Theater, das vor mehr als dreißig Jahren aus dem „Reichskabarett”, dem kabarettistischen Sprachrohr der 68er hervorgegangen ist, und von Anfang an unter der künstlerischen Leitung von Volker Ludwig stand, hat seit seiner Gründung weit mehr als 30 Stücke erarbeitet. Viele davon wurden aus dem kecken berlinischen Großstadtdeutsch in fremde Sprachen übersetzt und in über 40 Ländern nachgespielt. Was da in der Arena im Hansa-Viertel im Ensemble erprobt und uraufgeführt wurde, ist stets sowohl den Schauspielern wie dem jugendlichen Publikum auf den Leib geschrieben.
Von den Zeiten des kalten Krieges bis heute hat GRIPS die Fragen, die in unserer Gesellschaft auch jungen Menschen auf den Nägeln brennen, aufgegriffen: von der verschmutzten Umwelt bis zur ersten Liebe, vom Leben mit ausländischen Mitbürgern bis zum Umgang mit jungen Neonazis. Und immer wieder wurden „linke Geschichten” inszeniert. Titel wie „Maximilian Pfeiferling”, „Mugnog-Kinder”, „Mannomann!”, „Das hältste ja im Kopf nicht aus”, „Ein Fest für Papadakis” oder „Ab heute heißt Du Sarah” sind inzwischen in den Köpfen mindestens zweier Generationen fest verankert. Das Musical „Linie 1” ist um die Welt gereist und allein in Seoul (Korea) bis heute über 1000mal gespielt worden.
Nun sind die Geschichte dieses Hauses, sein eigenartiges und unverwechselbares Profil, sowie die immense internationale Wirkung des GRIPS Theaters in einem fast 500 Seiten starken Buch untersucht worden. Sein Verfasser ist der Theater- und Literaturwissenschaftler Gerhard Fischer, der sich sowohl bei Heiner Müller wie auch im Theater der australischen Aborigines auskennt. Bei GRIPS verfolgt er nun die „Geschichte eines populären Theaters” von seinen antiautoritären Anfängen bis zur Suche im „Café Mitte” nach dem „Nerv der Zeit” um die Jahrtausendwende. Die „emanzipatorische” Zielsetzung und der unverwechselbare Ton seien in den dreißig Jahren geblieben, meint der Autor, während es Wandlungen, Stagnation, Epochenzäsur und Neuanfänge gab.
Fischer informiert sachlich, ruft Stücke und Ereignisse in Erinnerung, aber er ergreift auch deutlich Partei für diese Form des politischen Theaters, dessen einzigartigen Welterfolg er nicht zuletzt auf eine „Internationale” von Intellektuellen und Künstlern zurückführt, die durch die Erfahrungen der 68er Generation geprägt sind.
Die Lektüre des Buches ist nicht nur spannend, sondern sie gibt den Anstoß, über die Bedeutung von Kinderkultur nachzudenken. Zum Beispiel darüber, warum die Kulturszene an der Spree und die deutsche Theaterkritik insgesamt dieser populären Theaterform so wenig Beachtung schenkt, oder wie es gekommen ist, dass ein Berliner theatralisches Unikum zu so breiter internationaler Resonanz gefunden hat. Wahrscheinlich hätten sich die gewichtigen Nachdenker über das moderne populäre Jugendtheater Bert Brecht, Walter Benjamin oder auch Erich Kästner gefreut, wenn sie so Profundes über die Erfolgsgeschichte und Theorie des GRIPS-Theaters hätten erfahren können.
KLAUS DODERER
GERHARD FISCHER: GRIPS – Geschichte eines populären Theaters (1966-2000). judicium Verlag 2002. 488 Seiten, 40 Euro.
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