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Produktdetails
  • Verlag: Moderne Industrie
  • ISBN-13: 9783478353823
  • ISBN-10: 3478353823
  • Artikelnr.: 20747121
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.12.1996

Aufruf zur schöpferischen Zerstörung
Den Managern ins Stammbuch: Wachstum statt übertriebener Abmagerung

Dwight L. Gertz/João P. A. Baptista: Grow to be great. Wider die Magersucht in Unternehmen. Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech 1996. 253 Seiten, 58 DM.

Wieviel Downsizing (Schrumpfung der Unternehmensgröße, Personalabbau) verträgt ein Unternehmen? Ist Downsizing die geeignete Therapie, um angeschlagene Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu bringen? Mit diesen aktuellen Fragen beschäftigen sich Dwight L. Gertz und João P. A. Baptista in ihrem Bestseller "Grow to be great". Die Lektüre dieses insgesamt gut übersetzten Buchs ist durchaus lohnend, wenn es sich auch nicht als Wunderfibel erweist.

Die Autoren, die als Berater in den Vereinigten Staaten arbeiten, gehen von der Feststellung aus, daß die amerikanischen Großunternehmen aus Industrie und tertiärem Sektor (!) zwischen 1984 und 1993 Millionen von Stellen abgebaut haben. Das von den Großunternehmen in den Vereinigten Staaten ebenso wie in Deutschland praktizierte Downsizing ist nach ihren Erkenntnissen nur zum Teil rezessionsbedingt. Hierfür spricht die Tatsache, daß die amerikanischen Großunternehmen nach dem Ende der Rezession nicht - wie in der Vergangenheit üblich - Mitarbeiter in größerer Zahl wieder eingestellt haben. Sie haben an der Abmagerungskur selbst dann noch festgehalten, als die Konjunktur wieder angesprungen ist. Die gleiche Entwicklung ist nunmehr zeitversetzt in Deutschland zu beobachten.

Gertz und Baptista wenden sich nicht grundsätzlich gegen Downsizing; gleichwohl haben sie jedoch etwas gegen die Verabsolutierung dieser "Strategie", die eigentlich keine ist. Sie weisen zu Recht darauf hin, daß Downsizing und Cost Cutting generell einem Unternehmen niemals die Chance bieten, zu einem Unikat in Markt und Wettbewerb zu werden, zumal auch Wettbewerber üblicherweise die Lektion des Kostenmanagements schnell lernen (können). Strategische Fehlentwicklungen mit dem Resultat nicht mehr marktgerechter Produkte und Dienstleistungen können durch bloße Maßnahmen der Effizienzsteigerung nicht kompensiert werden. Die Autoren zeigen, daß an der Börse ein gesparter Dollar weniger wert ist als ein durch Umsatzwachstum zusätzlich verdienter Dollar. Die Investoren bewerten üblicherweise (und eigentlich nicht ganz überraschend) Unternehmen, die ihre Ergebnisse durch Umsatzwachstum verbessert haben, weitaus höher als solche, denen das durch (einmalige, nicht ohne weiteres wiederholbare) Kostensenkungen gelungen ist. Die Autoren kommen daher zu dem Schluß, daß die zentrale Managementherausforderung für heute und morgen Wachstum lauten müsse. Sie fordern die Manager auf, den einseitig auf Effizienzsteigerung gerichteten "Tunnelblick" aufzugeben und aus der Downsizing-Spirale auszubrechen.

Wie Unternehmen durch Kreativität auch unter schwierigen Rahmenbedingungen profitables Wachstum erzielen können, zeigen Gertz und Baptista anhand zahlreicher Fälle. Eine wichtige und auf den ersten Blick überraschende Erkenntnis lautet: Auch in stagnierenden oder sogar insgesamt schrumpfenden Branchen ist profitables Wachstum möglich, und zwar um so mehr, als in reifen Branchen, von denen es in Deutschland viele gibt, die Zahl der einfallslosen Unternehmen (der statischen Wirte im Sinne Schumpeters) besonders groß ist. Die Hebel für profitables Wachstum sind nach den in Gesprächen mit 180 amerikanischen und 100 europäischen Unternehmen gewonnenen Erkenntnissen ein geschicktes Kundenportfolio-Management (Konzentration auf Schlüsselkunden), die kontinuierliche Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen sowie das Erschließen neuer Vertriebskanäle. Drei Erfolgsfaktoren müßten beherrscht werden: ein im Vergleich zur Konkurrenz überlegener (und von den Kunden erkannter) Kundennutzen, eine wirtschaftliche Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette sowie eine nachhaltig bessere Strategieumsetzung durch Organisation und Personalführung.

Große Teile ihres Buches verwenden die Autoren darauf, ihre Vorstellungen über ein strategisches Wachstumsmanagement - die auf durchaus bekannten, bisher aber isoliert voneinander behandelten Elementen aufbauen - durch konkrete Fälle zu veranschaulichen. Am Ende kommen sie zu einem ambivalenten Ergebnis: Profitables Wachstum ist grundsätzlich in jeder Branche möglich. Gleichwohl gestehen sie ein, daß es nicht gut um die Chancen bestellt ist, ein angeschlagenes Unternehmen wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Das erfordere in jedem Falle harte Knochenarbeit. Dabei sollte jedoch nicht verkannt werden, daß profitables Wachstum vor allem das lähmende Klima der Angst beseitigt und Mut und Kreativität bei den Mitarbeitern weckt.

Das Buch kann dazu beitragen, daß Unternehmensleiter Licht am Ende des Tunnels sehen - wenn auch etwas verschwommen. Die Lektüre sollte ihnen Mut machen, ganz im Sinne Schumpeters das Risiko einer schöpferischen Zerstörung überkommener vermeintlicher Standarderfolgsstrategien einzugehen. Das Buch ist daher in erster Linie eine Aufforderung an die Manager von Unternehmen aus stagnierenden und insgesamt nicht sonderlich profitablen Branchen, sich bei der Suche nach Wegen in eine bessere Zukunft nicht wie die Lemminge zu verhalten.

ROBERT FIETEN

(Betriebswirtschaftliches Institut für Organisation und Automation an der Universität zu Köln)

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