*** Dieses Buch wurde mir kostenfrei vom Verlag zur Verfügung gestellt. ***
Die Medien sind voll von angeblich wissenschaftlich belegten Erkenntnissen. Reißerische Überschriften wie "Smartphones machen dumm" oder "Wer häufig googelt, riskiert seine Intelligenz" lassen die Frage offen, welche
Studien diesen Aussagen zugrundeliegen und ob die plakative Verdichtung überhaupt stimmt. Das…mehr*** Dieses Buch wurde mir kostenfrei vom Verlag zur Verfügung gestellt. ***
Die Medien sind voll von angeblich wissenschaftlich belegten Erkenntnissen. Reißerische Überschriften wie "Smartphones machen dumm" oder "Wer häufig googelt, riskiert seine Intelligenz" lassen die Frage offen, welche Studien diesen Aussagen zugrundeliegen und ob die plakative Verdichtung überhaupt stimmt. Das Autorenteam Thomas Bauer, Gerd Gigerenzer, Walter Krämer und Katharina Schüller entlarvt statistische Denkfehler, die aus Dummheit oder mit bewusster Absicht zu Fehlinterpretationen führen.
Zunächst stellen sie die Grundprinzipien statistischen Arbeitens vor, die schon einen großen Teil dieser Fehldeutungen erklären. Anhand von Beispielen untersuchen sie unklare oder falsch referenzierte Prozentangaben oder erklären den Zusammenhang zwischen Korrelation und Kausalität (In Afrika gibt es viele Störche und viele Kinder, also bringt der Storch die Kinder). Es sind auch hochaktuelle Fälle darunter, wie z. B. ob Mund-Nasen-Masken wirklich vor Corona schützen.
Beim Lesen habe ich mich häufiger an die eigene Nase fassen müssen. Kennt man die Grundprinzipien, die die Autoren in den nachfolgenden Kapiteln noch intensiver betrachten, bekommt man schnell ein Gefühl dafür, ob eine Aussage oder Statistik stimmig ist oder nicht. Statistiken sind fast nie neutral, sondern das Ergebnis von Entscheidungen und Absichten: Welche Daten will man darstellen und wie? Grafiken sind heute mit digitaler Hilfe schnell zusammengebastelt, ob sie die Wahrheit abbilden, ist eine zweite Frage.
Gigerenzer und Mitautoren gehen bei ihren Beispielen immer wieder auf die besondere Problematik der Corona-Pandemie ein. Bei aller Kritik scheuen sie sich aber den eigentlichen Verursacher der miserablen Datenqualität zu benennen: Die DSGVO, die den Datenschutz über den Gesundheitsschutz stellt. Übrigens hat sich daran nichts geändert. Deutschland ist das einzige Land in Europa, das durch die rigorose Auslegung der europäischen DGSVO faktisch gelähmt ist. In anderen Ländern herrscht diesbezüglich Pragmatismus, bei uns leider Fanatismus. Die Aussagefähigkeit von Statistiken ist aber immer nur so gut, wie die erhobenen Daten es zulassen.
Von politischen Aussagen mit angeblich statistisch unterfütterten Daten, z. B. zum Nutzen der Migration, zur Vermögensverteilung oder der Kriminalitätsstatistik lassen die Autoren zwar die Finger, aber wer das Buch verstanden hat, der merkt sehr schnell, dass auch hier besonders oft Unstatistik betrieben wird. Es geht den Autoren aber nicht um das Anprangern einzelner Aussagen oder Studien, sondern um die Vermittlung von statistischem Verständnis zum praktischen Nutzen im Alltag.
Mangelndes statistisches Denken ist ein weit verbreitetes Bildungsproblem. Auch unter Studenten und besonders bei Ärzten ist Zahlenblindheit verbreitet, die statistischen Grundkonzepte fehlen häufig und die wissenschaftsbasierte Risikokommunikation ist mangelhaft. Es graust mir beim Gedanken daran, wie viele Untersuchungen - insb. Röntgenuntersuchungen - unnötig sind, nur weil Ärzte Studien nicht richtig lesen und deuten können.
Insgesamt ein sehr hilfreicher Ratgeber, um die eigene Zahlenblindheit zu überwinden, Statistiken zu hinterfragen und plakativen Aussagen noch mehr zu misstrauen. Vor allem, wenn politische Überzeugungen statistisch "belegt" werden sollen.
Das Buch hat mir deutlich gezeigt, dass im Sprichwort "Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast" leider viel Wahrheit steckt.