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Der Imam der bayerischen Gemeinde Penzberg ist eine Symbolfigur für die geglückte Integration einer muslimischen Gemeinschaft in ein ausgeprägt selbstbewusst-traditionelles Milieu. Er repräsentiert einen weltoffenen, loyalen und transparenten Islam und widerlegt mit seiner Reform-Moschee den Verdacht von der Unvereinbarkeit von Islam und Rechtsstaat. Idriz beschreibt das "Penzberger Modell" und entwickelt daraus eine realistische und vielversprechende Roadmap für ganz Deutschland.
Muslimisches Leben in Deutschland Wegweiser für eine gelungene Integration Debattentitel

Produktbeschreibung
Der Imam der bayerischen Gemeinde Penzberg ist eine Symbolfigur für die geglückte Integration einer muslimischen Gemeinschaft in ein ausgeprägt selbstbewusst-traditionelles Milieu. Er repräsentiert einen weltoffenen, loyalen und transparenten Islam und widerlegt mit seiner Reform-Moschee den Verdacht von der Unvereinbarkeit von Islam und Rechtsstaat. Idriz beschreibt das "Penzberger Modell" und entwickelt daraus eine realistische und vielversprechende Roadmap für ganz Deutschland.

Muslimisches Leben in Deutschland
Wegweiser für eine gelungene Integration
Debattentitel
Autorenporträt
Benjamin Idriz, 38, geboren in Mazedonien ist Imam der muslimischen Gemeinde in Penzberg und Initiator des "Zentrum für Islam in Europa- München" (ZIEM)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011

Zwingt unsere Kinder zum Schulbesuch!

Der bayerische Imam Benjamin Idriz setzt auf die Aufklärung der Muslime im Bündnis mit dem Staat. Trotzdem misstraut ihm der Verfassungsschutz.

Von Patrick Bahners

Nach der Fusion von Amazon und Google wird ja bestimmt ein Programm Amagoogle Bookcase View aufgelegt werden, das die Lokalisierung jedes auf der Welt gedruckten Buches erlaubt. Auch ohne die entsprechenden Algorithmen kann man heute schon mit Gewissheit behaupten, dass sich ein Exemplar des Buches "Grüß Gott, Herr Imam!" von Benjamin Idriz in der Knorrstraße 139 im Münchner Stadtteil Milbertshofen befindet. Dort sitzt nämlich das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, das Idriz, dem Imam der Islamischen Gemeinde Penzberg (IGP), seit Jahren besondere Aufmerksamkeit zuwendet. Vor einigen Tagen stellte Innenminister Joachim Herrmann den Bericht für das Jahr 2010 vor. Dort heißt es mit implizitem Bezug auf das vorliegende Buch: "Der Imam der IGP hat im Berichtsjahr verschiedene Veröffentlichungen herausgegeben, in denen er für einen mit dem Grundgesetz vereinbaren Islam eintritt." Idriz behält seinen für Bürger im Staat des Grundgesetzes höchst gefährlichen Status: Er wird in Verfassungsschutzberichten "erwähnt".

Das Kultusministerium rät Lehrern deshalb davon ab, mit ihren Klassen die Moschee zu besuchen. Vergeblich hat die Gemeinde versucht, dem Geheimdienst die Erwähnung gerichtlich untersagen zu lassen. Ihre Niederlage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat ihr die Erwähnung im jüngsten Bericht gesichert. Zwar lautet dort der letzte Satz: "Neue Erkenntnisse über verfassungswidrige Aktivitäten ergaben sich im Berichtsjahr jedenfalls nicht." Aber davor steht, es bleibe "abzuwarten", ob in der in diesem Buch zum Ausdruck gebrachten "Distanz zu extremistischen Organisationen eine anhaltende, eigenständige, der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entsprechende Ausrichtung zu sehen ist".

Das Buch ist ein radikales theologisches Manifest, das durch Freilegung des ursprünglichen Universalismus der koranischen Offenbarung den Nachweis führen will, dass der Glaube der Muslime nicht nur nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats steht, sondern eigene Gründe für diese Prinzipien liefert. Idriz geht sogar so weit, die "Sicherheit der Menschen und des Landes" als "islamischen Wert" auszuweisen, also den Verfassungsschutz buchstäblich aus dem Koran herzuleiten. "Wenn eine offenkundige Gefahr vorhanden ist, so ist es ein Gebot unserer Religion, mit den staatlichen Institutionen zu kooperieren."

Erklärt sich die Vorsicht, mit der die Behörde diese Lehren aufgenommen wissen möchte, daraus, dass sich im Schriftenverzeichnis des Imams ältere Publikationen finden, in denen er das Gegenteil vertrat und Doktrinen extremistischer Organisationen propagierte? Oder ist dokumentiert, dass die Praxis der islamischen Unterweisung in seiner Moschee im Widerspruch zu den staatsfrommen Bekundungen steht? Nichts davon ist der Fall. Die Ortspolitiker und Pfarrer in Penzberg verbürgen sich für den Imam, dessen Plan, in München ein Zentrum für Imamausbildung zu gründen, auch in der Münchner CSU entschiedene Fürsprecher hat.

Als Indizien für Extremismus führt der Verfassungsschutz die frühere Mitgliedschaft leitender Gemeindeangehöriger in der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs an sowie ein Telefongespräch, in dem Ibrahim El-Zayat, die graue Eminenz des politischen Islam in Deutschland, dem Imam dessen Distanzierung von Milli Görüs zum Vorwurf machte. Die Gemeinde sei ein Beispiel für "formal nach außen hin vollzogene Distanzierungsbemühungen", steht im Verfassungsschutzbericht für 2008. Außer Formalien hat die Behörde aber gar keine Belege für ihre Darstellung vorzuweisen. In der Affäre um Imam Idriz begegnet uns die Hermeneutik des Verdachts, die von der deutschen Auseinandersetzung mit dem Islam Besitz ergriffen hat, in der gefährlichsten Variante: der des amtlichen Handelns.

Der aus Mazedonien stammende Imam beruft sich auf bosnische Theologen, die schon unter österreichischer Herrschaft den Anschluss des Islam an die europäische Zivilisation herstellen wollten und auf die Nachhilfe einer energisch modernisierenden Obrigkeit setzten. Zustimmend zitiert Idriz einen solchen "Reformator", der den k. u. k. Behörden fehlgeleitete Rücksicht auf die Religion vorhielt: "Sie hätten uns zwingen sollen, unsere Kinder in die Schulen zu geben, sie hätten uns zwingen sollen, den Frauen einen anderen Status in der Familie und Gesellschaft zu geben, wie ihn die neue Zeit verlangte."

Die Offenheit für die Forderungen veränderter Zeiten möchte Idriz als den Grundgedanken der Gestaltung innerweltlicher Verhältnisse nach den Maßgaben des Propheten erweisen, als das Wesen der Scharia, des islamischen Rechts. Er unterscheidet "zwei Formen des Islam", den wahren und einen nach dem Tod des Propheten verfälschten. Muslimische Herrscher hätten den Islam politisch instrumentalisiert und auch jenseits der Sphäre der Glaubenswahrheiten dogmatisiert. Der apologetische Zweck dieser Geschichtskonstruktion liegt auf der Hand. Aber wer von den Muslimen eine Reformation verlangt, sollte sich daran erinnern, dass auch die christlichen Reformatoren der Glaube beseelte, die Urkirche wiederherstellen zu können. Entscheidend ist, dass Idriz eine theologische Kritik des Syndroms der politischen und geistigen Starrheit fordert, für die der Anspruch des Korans, die letzte Offenbarung zu sein, als Rechtfertigung herhalten musste.

Dass nach traditioneller Lehre ein Muslim das Glaubensbekenntnis nicht widerrufen darf, ist eine mit den modernen Menschenrechten nicht zu vereinbarende Konsequenz des islamischen Universalismus, des schönen Gedankens, dass jeder Mensch als Muslim geboren wird und durch Sprechen der Bekenntnisformel in die Urgemeinschaft der Menschheit heimkehrt. Im Fall Penzberg agiert der Verfassungsschutz als Inquisition, die sich ihre Ketzer erfindet. Warum soll sich irgendein Muslim zum Grundgesetz bekehren, wenn man Benjamin Idriz sein Bekenntnis nicht abnehmen will?

Benjamin Idriz: "Grüß Gott, Herr Imam!" Eine Religion ist angekommen.

Diederichs Verlag, München 2010. 224 S., br., 16,99 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die hier rezensierende Islamwissenschaftlerin und Religionspädagogin Lamya Kaddor begrüßt Benjamin Idriz' Buch "Grüß Gott, Herr Iman!". Sie schätzt den Iman und Islamgelehrten für seine Integrität und seinen Mut. Schlüssig führt er ihres Erachtens vor Augen, dass Islam und Demokratie keinen Widerspruch darstellen. Zudem hebt sie hervor, dass Idriz konsequent die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung von Mann und Frau postuliert. Auch in theologischer Hinsicht findet Kaddor die Ausführungen des Autors überzeugend. Ihr Fazit: ein verdienstvolles Buch, das die Bemühungen um eine "Weiterentwicklung des Islam" voranbringt.

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