Der Band steht in der von Friedrich Ueberweg und Karl Praechter vertretenen Tradition philosophiehistorischer Darstellung, die sich durch eine enge Verbindung von Philosophie und Philologie auszeichnet. Denn zur Philosophiegeschichte gehört die Erklärung der philosophischen Dogmatik, die in der Antike aber oft durch fragmentarischen und literarischen Charakter der Quellen erschwert ist und deshalb philologischer Kompetenz bedarf. Dies ist auch und gerade bei Platon und seinem dialogischen Werk der Fall. Deshalb wird eine systematische Darstellung platonischer Lehre durch eine ausführliche Werkbeschreibung ergänzt, welche auch die literarischen Besonderheiten platonischer Dialogkunst berücksichtigt und dabei für die systematischen Teile, aber auch die einzelnen Schriften den Stand der wissenschaftlichen Diskussion dokumentiert. Die Werkbeschreibung geben dem Leser die Möglichkeit einer ersten Orientierung über den Inhalt von Platons umfangreichem Werk. Die systematischen Teile informieren über wesentliche Aspekte der Philosophie Platons wie seine besonderen Philosophiebegriffe, seine Epistemologie, Ontologie, Psychologie, Kosmologie und politische Philosophie ebenso wie über Einzelaspekte wie Platons Haltung zur Bildung, zur Musik oder Mathematik. Auch hier wird der jeweilige Stand der Diskussion in die Darstellung einbezogen.Der philologische Aspekt der Darstellung kommt darüber hinaus in einem ausführlichen Kapitel «Platon als Autor» zur Geltung. Hier werden die Besonderheiten platonischer Dialogkunst und ihrer Beziehung zur philosophischen Aussage des Werkes untersucht, in der Erkenntnis, dass literarische Ausdrucksform und philosophische Botschaft gerade bei Platon nicht zu trennen sind. Durch die Verbindung von Werkbeschreibung und Doxographie soll Platon in seiner ganzen philosophischen und literarischen Bedeutung gewürdigt werden, im Bewusstsein, dass seine Philosophie sich kaum systematisieren und in jene philosophischen Teilbereiche aufteilen lässt, die sich bei Platons Nachfolgern dann herausgebildet haben. Die Darstellung zeichnet ein Gesamtbild Platons und vermittelt einen Eindruck davon, dass und warum wir es bei Platon nicht nur mit dem bedeutendsten Philosophen, sondern auch wichtigsten Prosakünstler der Antike zu tun haben, bei dem sich nur zum Nachteil für ein angemessenes Verständnis philosophische und literarische Aspekte trennen lassen. In den letzten Dezennien erfreut er sich grössten Interesses und gehört zu den am meisten übersetzten Autoren, nicht nur der Antike, in fast alle Weltsprachen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Innerhalb der modernen Neufassung des dreibändigen Standardwerks zur Philosophiegeschichte, das Friedrich Ueberweg zwischen 1862 und 1866 geschrieben hat und das mittlerweile auf über 40 Bände angeschwollen ist, legt Michael Erler sein Handbuch zur Philosophie Platons vor, teilt Thomas Schirren mit. Gerade Platon bietet für Handbuchautoren besondere Schwierigkeiten, nicht nur wegen seiner herausragenden Stellung unter den antiken Philosophen, sondern auch wegen der dialogischen Form seiner Lehren, an denen sich von jeher die Geister der Forschung schieden, erklärt der Rezensent. Er hat deshalb durchaus Hochachtung vor dem Bemühen Erlers, die Philosophie Platons ausgewogen aus der Sekundärliteratur heraus darzulegen. Insbesondere die besondere "Denkbewegung", die sich im Dialogischen manifestiert, wird ein auf schnelle und systematische Information ausgelegtes Handbuch natürlich kaum gerecht werden können, so der Rezensent verständnisvoll, der das Lehrbuch immerhin für hervorragend geeignet hält, die Dialoge Platons thematisch und formal zu überblicken und somit die zentralen Themen der platonischen Philosophie zusammenzufassen. Was bei Erler allerdings fehlt, sei eine "moderne Dialogtheorie", die den Zugang zu Platon erleichtern und methodologisch absichern könnte, macht Schirren klar.
© Perlentaucher Medien GmbH
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