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Der polnische Fotograf Tomasz Kizny begann 1986 Fotos ehemaliger Häftlinge zusammenzutragen. Er suchte sowohl in den Alben von Lagerkommandanten und Beamten als auch in privaten und staatlichen Archiven nach Bildmaterial und bereiste die ehemalige UdSSR auf der Suche nach Zeugnissen und Spuren des Gulag. In jener eigenen, abgesonderten Welt machte er Aufnahmen der heutigen Lagerruinen und ihrer Einwohner.
So entstand ein eindrucksvoller Bildband, der die Schrecken der Gewalt sichtbar macht: Neben Steckbrieffotos von Häftlingen aus den Akten des NKWD, stehen Aufnahmen der Klosteranlage auf
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Produktbeschreibung
Der polnische Fotograf Tomasz Kizny begann 1986 Fotos ehemaliger Häftlinge zusammenzutragen. Er suchte sowohl in den Alben von Lagerkommandanten und Beamten als auch in privaten und staatlichen Archiven nach Bildmaterial und bereiste die ehemalige UdSSR auf der Suche nach Zeugnissen und Spuren des Gulag. In jener eigenen, abgesonderten Welt machte er Aufnahmen der heutigen Lagerruinen und ihrer Einwohner.

So entstand ein eindrucksvoller Bildband, der die Schrecken der Gewalt sichtbar macht: Neben Steckbrieffotos von Häftlingen aus den Akten des NKWD, stehen Aufnahmen der Klosteranlage auf den Solowezki-Inseln nahe des Polarkreises, Bilder der Bauarbeiten an den gigantomanischen Projekten Stalins in Sibirien wie dem Belomorkanal, der nie vollendeten Nordeisenbahn oder der Gold- und Uranminen im Lager Kolyma.
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Autorenporträt
Tomasz Kizny ist Fotograf und Journalist. Er befasst sich mit der visuellen Geschichte des sowjetischen totalitären Systems und schreibt über russische Zeitgeschichte.1982 gründete er nach der Einführung des Kriegsrechts in Polen die Independent Dementi Photography Agency, die bis 1989 konspirativ operierte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.10.2004

Der Schick des schwarzen Ledermantels
Dokumentation der Trostlosigkeit: Tomasz Kiznys Bildgeschichte des sowjetischen Lagersystems

Seit Alexander Solschenizyns dreibändigem Werk "Archipel Gulag" über das Lagersystem der Sowjetunion, das in den siebziger Jahren erschienen war, wußte man wieder von der schon früh bekannten, dann aber verdrängten Wahrheit, daß ein terroristisches Strafsystem nicht erst mit dem Stalinismus in Rußland Einzug gehalten hatte. Seither sind einige Gesamtdarstellungen der Lagerwelt hinzugekommen, aus denen man das Buch von Anne Applebaum ("Der Gulag", 2003) und die Darstellung von Stephane Courtois im "Schwarzbuch des Kommunismus" hervorheben möchte.

Der Band von Tomasz Kizny bereichert unsere Kenntnis durch eine breite Darstellung der Bildgeschichte. Er geht die einzelnen Schauplätze durch, etwa die Solowezki-Inseln, auf denen man früh mit Internierungen begann, dann das Prestigeprojekt des Weißmeerkanals. Eindrucksvolle und erschütternde Aufnahmen findet man hier von ausgemergelten Häftlingen, dazu Polizeifotos der Verhafteten und panoramatische Bilder der pharaonischen Bauvorhaben. Und die beschämenden Zeugnisse der Schriftsteller, die sich - allesamt große Kritiker der viel sanfteren zaristischen Strafpraxis - in die sowjetische Propaganda einspannen ließen, um die "Erziehung durch Arbeit" zu feiern.

Fotos der Lagerwelt von damals sind durch neuere ergänzt, auf denen etwa der beklagenswert-trostlose Zustand einer Kirche der Solowezki-Inseln zu sehen ist. Auch die Täter kommen in den Blick. In mehreren Aufnahmen sieht man die Konstrukteure des Lagersystems, allen voran Efraim Frenkel und Matwej Berman. Über Frenkels abenteuerliche Biographie fand man schon bei Solschenizyn interessante Einzelheiten: Er, der im Auftrag der Geheimpolizei zunächst im Schwarzhandel tätig war, geriet für kurze Zeit selbst in die Mühlen der Verfolgung. "Aber Frenkel", so der sarkastische Kommentar von Solschenizyn, "gehört nicht zu der leicht beleidigten Sorte, läßt sich nicht entmutigen und findet, noch auf der Lubjanka oder unterwegs zu den Solowki, ,Kontakt' nach oben." Als er auf der Strafinsel eintrifft, steigt er bald zum Chef der Wirtschaftsverwaltung auf, dann organisiert er die Ausbeutung der Häftlinge im großen Stil und hat 1929 eine Audienz bei Stalin. Ihm trägt er seine Pläne zur wirtschaftlichen Nutzung der Zwangsarbeit vor. Hier sieht man ihn im bolschewistischen Schick des schwarzen Ledermantels abgebildet.

In diesem Band ist es Jorge Semprún, ehemaliger Buchenwald-Häftling, der in seinem Vorwort die Frage nach der Vergleichbarkeit des sowjetischen und des nationalsozialistischen Terrorsystems aufwirft und positiv beantwortet. Noch einmal weist Semprún auf die Verehrung hin, die man Stalin, gerade nach dessen Sieg über Hitler, in den Kreisen der eingeschworenen Kommunisten, aber auch im linksbürgerlichen Lager Frankreichs entgegenbrachte.

Ein Fragezeichen möchte man indes bei dem Kapitel über Workuta setzen. Tomasz Kizny hat eine ausschließlich national-polnische Perspektive gewählt: "Workuta. Ein Transitlager für polnische Häftlinge, die nach Stalins Tod aus der Haft entlassen wurden und hier auf ihre Rückreisegenehmigung nach Polen warteten." Immerhin erfährt man, daß die Operation zur Niederschlagung des Aufstands von Workuta im Jahr 1953 von keinem geringeren als Roman Rudenko geleitet wurde, dem sowjetischen Anklagevertreter bei den Nürnberger Prozessen. Aber einzig die Gefangenen der polnischen Heimatarmee sind abgebildet. Von den rund einhunderttausend deutschen Gefangenen ist nicht die Rede, und kein Bild findet sich, das ihre Schicksale schilderte. Für einen polnischen Autor mag es naheliegend sein, zunächst die Leiden der eigenen Landsleute zu schildern. Und bis aus dem Hamburger Institut für Sozialforschung ein Ergänzungsband kommt, der die Lücke füllt, wird noch viel Wasser die Wolga hinabfließen.

LORENZ JÄGER

Tomasz Kizny: "Gulag". Solowezki, Belomorkanal, Waigatsch-Expedition, Theater im Gulag, Kolyma, Workuta, Todesstrecke. Mit Vorworten von Norman Davies, Jorge Semprún und Sergej Kowaljow. Aus dem Französischen von Michael Tillmann. Hamburger Edition, Hamburg 2004. 495 S., geb., zahlreiche Abb., 49,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein verdienstvolles Buch, ein kenntnisreiches, ein bereicherndes Buch, zweifellos, befindet Lorenz Jäger. Eindrucksvolle Fotos erweitern unsere Vorstellungen vom Lagersystem der Sowjetunion, unter Stalin und auch davor. Täter werden ins Bild gerückt, etwa Efraim Frenkel, der sich vom Opfer zum Täter hocharbeitete und dem schließlich Stalin eine Audienz gewährte, im "bolschewistischen Schick des schwarzen Ledermantels". Im Vorwort bejaht Jorge Semprun, einst Häftling in Buchenwald, die Vergleichbarkeit der nationalsozialistischen und der sowjetischen Todeslager. Aber was ist mit Workuta? Tomasz Kizny interessiert sich nur für die polnischen Häftlinge, moniert Jäger. Und die ungefähr 100.000 deutschen Inhaftierten? Um über deren Schicksal aufgeklärt zu werden, so Jägers trotzige Schlussbetrachtung, muss man wohl auf ein Buch vom Hamburger Institut für Sozialforschung warten.

© Perlentaucher Medien GmbH