Jacob Paul von Gundling gehört zu den schillerndsten Persönlichkeiten der preußischen Geschichte. Als Hofnarr Friedrich Wilhelms I. und als Präsident der preußischen Akademie der Wissenschaften spielte er eine bis heute nur schwer zu verstehende Doppelrolle im Geistesleben der ersten Hälfte des 18. Jh. Und wahrlich ist Gundlings Vita, die sich zwischen den extremen Polen lächerlicher Possenreißerei in den derben Männerrunden des Tabakskollegiums des Soldatenkönigs und ernsthafter kreativer Wissenschaftsarbeit als Historiograph und Ökonom bewegte, nach unseren heutigen Wertmaßstäben nur mit Mühe zu begreifen. Hofnarr und Gelehrter – ein Rollenpaar, das zu gern als Paradoxon begriffen wurde und nicht nur deshalb zu Missverständnissen führen musste. Doch betrachten wir das so überaus widersprüchlich erscheinende Leben Gundlings durch die Brille seiner Zeit, wird sein vielfach rätselhaftes Handeln verständlicher. Gundlings beinahe zwanzig Jahre anhaltende Karriere am Hofe des Soldatenkönigs fällt in eine epochale Umbruchzeit. Als Friedrich Wilhelm I. Preußens Königsthron besteigt, hat das absolutistische Zeitalter seinen Höhepunkt überschritten und steht an der Schwelle der Aufklärung. In diese das gesamte Geistesleben umwälzende Zeit ist das Schicksal des Gelehrten Jacob Paul von Gundling eingebettet. Selbst der Soldatenkönig steht vor einem schier unlösbaren Widerspruch: Einerseits verachtet er alle Wissenschaftler als nichtsnutzige »Blackscheißer«, die er verächtlich macht, wo er nur kann, andererseits braucht er sie, um einen modernen Staat aufzubauen. In Gundling findet Friedrich Wilhelm I. jenen »maßgeschneiderten« Gelehrten, dem er die Doppelrolle des geachteten klugen Beraters und Referenten sowie des verlachten Hanswurst und Possenreißers zumuten kann. So bilden Narretei und Gelehrsamkeit im Wertesystem des Soldatenkönigs eine durchaus verträgliche Kombination, die gleichzeitige Auf- und Abwertung nicht gegenseitig ausschließt, sondern als Einheit ansieht. Wenn spätere Geschichtsschreiber Gundlings Rolle immer stärker und einseitig auf den Lustigen Rat reduzierten, halfen sie, ein verzerrtes Gundling-Bild zu malen. Schließlich blieb vom einstigen königlichen Referenten und Hofhistoriker die zur Legende verklärte Retusche eines verlachten Possenreißers übrig. Allzu schwer ist den Historikern diese Geschichtsklitterung wohl nicht gefallen, durften sie sich doch auf Gundlings groteskes und menschenverachtendes Begräbnis in einem Weinfass stützen und das in der Bornstedter Kirche aufbewahrte kunstvolle Gundling-Epitaph als beweiskräftiges Zeitdokument zitieren. Dabei kann man dieser barocken Grabplatte bis heute ihre Suggestivkraft nicht absprechen. Kein Wunder, dass das Grabmal auch Theodor Fontane faszinierte und den sonst so scharfsinnigen Chronisten zu einer zweifelhaften Würdigung Gundlings verführte.