__WINNER OF THE PULITZER PRIZE__
'A book of big questions, and big answers' Yuval Noah Harari, bestselling author of Sapiens
Why has human history unfolded so differently across the globe? And what can it teach us about our current crisis?
Jared Diamond puts the case that geography and biogeography, not race, moulded the contrasting fates of Europeans, Asians, Native Americans, sub-Saharan Africans, and aboriginal Australians.
An ambitious synthesis of history, biology, ecology and linguistics, Guns, Germs and Steel is a ground-breaking and humane work of popular science that can provide expert insight into our modern world.
'The most absorbing account on offer of the emergence of a world divided between have and have-nots... Never before put together so coherently, with such a combination of expertise, charm and compassion' The Times
'A book of big questions, and big answers' Yuval Noah Harari, bestselling author of Sapiens
Why has human history unfolded so differently across the globe? And what can it teach us about our current crisis?
Jared Diamond puts the case that geography and biogeography, not race, moulded the contrasting fates of Europeans, Asians, Native Americans, sub-Saharan Africans, and aboriginal Australians.
An ambitious synthesis of history, biology, ecology and linguistics, Guns, Germs and Steel is a ground-breaking and humane work of popular science that can provide expert insight into our modern world.
'The most absorbing account on offer of the emergence of a world divided between have and have-nots... Never before put together so coherently, with such a combination of expertise, charm and compassion' The Times
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.1998In Atahualpas Reich hätte die Sonne nie untergehen müssen
Aber die Weltgeschichte war für die Inkas ein Steg der sausenden Sensen: Jared Diamond findet das harte Naturgesetz der Geschichte / Von Josef H. Reichholf
Wir schreiben das Jahr 1532. Im Golf von Mexiko hat sich eine gewaltige Flotte versammelt. Im Auftrag des Inka-Herrschers Atahualpa kommandieren sie die fähigsten Admiräle der westlichen Hemisphäre. Man wartet auf günstigen Wind, um ostwärts zu segeln; dorthin, von wo jener Unruhestifter, Christoph Columbus, herkam. Im Auftrag eines mächtigen Königs sei er gekommen, hatte er angegeben. Und ebendieser mächtige König soll nun gestürzt werden. Die von König Karl I. geführten Spanier sollen bestraft werden, für ihre Dreistigkeit und auch dafür, daß sie einem Götzen dienen, von dem sie behaupten, er sei Gott der Allmächtige. Die Spanier würden schnell besiegt sein, waren ihre Schiffe doch wie Nußschalen, verglichen mit den mehr als einhundert Meter langen, hochseetüchtigen Fahrzeugen der Inkas.
Warum ist eine solche Geschichte absurd? Warum könnte es nicht auch so gekommen sein, daß Atahualpa den spanischen König gefangennahm, daß Invasoren aus Mittel- und Südamerika die Europäer unterjochten und weitgehend ausrotteten? Warum verlief die Geschichte andersherum? Ist der historische Prozeß nichts weiter als eine Verkettung günstiger oder ungünstiger Zufälligkeiten? Oder gibt es doch so etwas wie eine Logik in der Geschichte?
In seinem jüngsten Buch unternimmt der Mediziner und Evolutionsbiologe Jared Diamond nichts Geringeres als den Versuch, eine naturwissenschaftliche Erklärung für den Verlauf der Geschichte des Menschen seit dem Ende der letzten Eiszeit zu liefern. Die zentrale Frage gilt den Ursachen für die eklatanten Unterschiede in der Entwicklung der Menschheit in den letzten 13000 Jahren. Ihr Ergebnis ist offenkundig. Die Weltbevölkerung zerfällt in "Arm und Reich", in fortgeschrittene und zurückgebliebene Kulturen. Merkwürdigerweise gibt es so starke Unterschiede zwischen den Völkern, daß auch politisch korrekte Sprache sie nicht zum Verschwinden bringen kann. Diamond geht von der Evolutionslehre aus, die die Geschichte weder dem Zufall überläßt noch einen teleologischen Determinismus postuliert. Für Historiker mag es überraschend erscheinen, daß sich die Geschichte des Menschen und die Geschichte der Natur in ihrem grundlegenden Verlauf gleichen sollen. Doch die Evolution ist tatsächlich ein regelhafter Prozeß auf der Achse der Zeit, dessen Verlauf nur so viel Änderung und Abweichung annehmen kann, wie es die Bühne der Natur erlaubt. Der Zufall bleibt nicht ausgeschaltet; er ist kanalisiert. Die Evolution hätte nicht grundsätzlich anders verlaufen können, als sie tatsächlich abgelaufen ist, aber sie würde auch niemals zweimal in genau derselben Weise ablaufen. Wenn diese Grundannahme auch für den Prozeß der Geschichte des Menschen zutrifft, dann muß dieser auf dieselbe Weise naturwissenschaftlich erklärbar sein wie die Evolution.
Wer in Diamonds Buch nur einen kruden geopolitischen Naturalismus vermutet, täuscht sich. Weder rechtfertigt er einen neuen Rassismus, was ihm sicherlich unterstellt werden wird, noch das, was in der Geschichte geschehen ist. Im Gegenteil: Diamond macht verständlich, warum der Gang der Geschichte dem Weg folgte, den sie tatsächlich nahm, und nicht anderen Linien, die auf den ersten Blick auch plausibel gewesen wären. Seine Gründe lassen sich mit naturwissenschaftlichen Methoden überprüfen. Sie erfordern keinen Glauben an eine alleinseligmachende Theorie.
Dieser Umstand macht die Argumente im einzelnen so aufregend. Diamond zeigt anhand umfangreicher Sprachanalysen und historisch-linguistischer Studien, wie sich die Sprachen der Sieger durchgesetzt haben und die der Besiegten zurückgedrängt oder ausgelöscht wurden. Und er macht klar, daß die Entwicklung global dort weiter vorankam, wo die Vielfalt der Sprachen und Dialekte schwand. Genetische Analysen haben die linguistischen Befunde bestätigt. Manche Entwicklungen sind vergleichsweise jungen Datums, so etwa, daß Afrika im Zuge der Bantu-Ausbreitung "schwarz" wurde und einen wesentlichen Teil anderer Völkergruppen verlor.
Am eindrucksvollsten und wohl auch kontroversesten sind Diamonds Ansichten über die Entwicklung von Vormachtstellungen und die Ausbreitungswege von Gruppen und Völkern. Den Angelpunkt sieht er in der Landwirtschaft. Jene Regionen gewannen die entscheidenden Vorteile, die als erste an den dafür geeigneten Stellen eine effiziente Landwirtschaft aufbauen und Überschüsse produzieren konnten. Sie boten die Voraussetzung für die Zusammenballung von Menschen und die Bildung von städtischen Kulturen, aus denen sich so entscheidende Fortschritte wie die Erfindung des Alphabets ergaben. Schreiben und Lesen wurden damit viel leichter als in den komplexen Bilderschriften, deren Kenntnis wenigen Schriftgelehrten vorbehalten blieb.
Das alles, mögen die Historiker einwenden, sei doch längst bekannt. Doch weiß man auch um die produktionsökologischen Bedingungen, die solchen Entwicklungen Dauer verliehen? Diamond führt mit großer Überzeugungskraft aus, daß Eurasien aus zwei Hauptgründen die Führungsrolle in der Entwicklung der Menschheit übernommen habe, obwohl der Homo sapiens sapiens ursprünglich aus Afrika stammte. Neben der großen Fläche und den einheitlichen klimatischen Verhältnissen, die eine nahezu ungehinderte Ausbreitung auf der Ost-West-Achse ermöglichten, spielte das natürliche Angebot an Pflanzen und Tieren eine Rolle, die in Kultur genommen werden konnten. Ackerbau und Viehzucht, die Voraussetzung für das Seßhaftwerden, entsprangen jenem vorderasiatischen Raum, der als "Fruchtbarer Halbmond" bekannt geworden ist. Das ostafrikanische Ursprungsgebiet des Menschen hat trotz der so eindrucksvollen Fülle an Großtierarten keine einzige Haustierart und keine Nutzpflanze geliefert, die Grundnahrung für den Menschen geboten hätten.
Auf der anderen Seite der Erde, in Amerika, bildeten sich der Bevölkerungszahl nach große Kulturen im Heimatbereich von Kartoffel und Mais, aber nicht in den tierreichen Prärien. Zum Vorteil Europas gereichte zudem der Reichtum des Mittelmeerraumes an Bodenschätzen, insbesondere an Erzen. Die Region bot weltweit einmalige Voraussetzungen für die Entdeckung und Nutzung von Metallen. Vorderasien und Europa sowie China und Japan waren (und sind) von Natur aus begünstigt, und trotz ihrer Entfernung ermöglichten die Ost-West-Ausbreitung von Ideen und der Transport von Waren ungleich bessere Austauschbedingungen als etwa zwischen Nord- und Südamerika oder innerhalb Afrikas. Die Nord-Süd-Achsen gehen über die Klimazonen der Erde hinweg und sind schwerer zu überwinden als Distanzen, die sich über dieselbe Klimazone erstrecken. Das betrifft auch Nutztiere und Pflanzen, die vielfach den Wechsel in einen anderen Klimabereich nicht vertragen.
Doch die Vorzüge der Nutzpflanzen und Haustiere haben ihren Preis. Weltweit führte ihre Nutzung zur Bildung von Strukturen, die über Kleingruppen von Verwandten hinausgingen. Stämme und Völker formierten sich. Hierarchische Gliederungen wurden notwendig, und eine besondere "Klasse" von Mitgliedern der Gesellschaft entstand, die uns bis heute und in allen politischen Systemen das Leben schwermacht und dennoch unentbehrlich ist: die Kleptokraten. Sie leben als Bürokraten, Verwalter, Priester und dergleichen auf Kosten der Gemeinschaft, und sie sind die eigentlichen Garanten der Herrschaft, gleich welcher Art. Unter dem System der Kleptokratie hat der Mensch schon frühzeitig in seinem geschichtlichen Werdegang seine Freiheit und Eigenverantwortlichkeit eingebüßt.
Doch es kam noch schlimmer: Die Nahrung und Wohlstand spendenden Haustiere brachten die gefährlichsten Krankheitserreger hervor und wurden zu Auslösern todbringender Seuchen. Die Haustiere markieren eine Schwachstelle, die, wie wir mit dem Rinderwahnsinn wieder erleben, nie behoben werden konnte. Es waren die Seuchen aus Europa, welche die Bevölkerung auf fernen Kontinenten und Inseln so dezimierten, daß die europäischen Eroberer leichtes Spiel hatten.
Nur dort, wo eigenständige Seuchenherde existierten, denen das Immunsystem der Eindringlinge nicht gewachsen war, konnten sie sich nicht festsetzen. So etwa in Ostasien, weiten Bereichen Indiens und West-und Zentralafrikas. Am Ende gingen die Europäer und die Ostasiaten als die "Gewinner" aus der langen historischen Entwicklung hervor. Von ihnen hängt ab, wie die Geschichte weitergeht.
Dieser nüchtern vorgetragene Befund wird heftige Diskussionen auslösen. Diamonds Sicht der Geschichte ist ein großartiger Wurf. In jedem Detail ungemein kenntnisreich geschrieben, ohne aber jemals die zentrale Linie zu verlieren, trifft sein Buch die Geschichtswissenschaft sowie die Sozial- und Politikwissenschaften ins Mark. Sie werden darauf reagieren müssen, und sie können sich nicht mit der Feststellung aus der Affäre ziehen, daß das Werk von einem Biologen stamme.
Jared Diamond: "Arm und Reich". Die Schicksale menschlicher Gesellschaften. Aus dem Amerikanischen von Volker Englich. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1998. 550 S., Abb., geb., 58,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Aber die Weltgeschichte war für die Inkas ein Steg der sausenden Sensen: Jared Diamond findet das harte Naturgesetz der Geschichte / Von Josef H. Reichholf
Wir schreiben das Jahr 1532. Im Golf von Mexiko hat sich eine gewaltige Flotte versammelt. Im Auftrag des Inka-Herrschers Atahualpa kommandieren sie die fähigsten Admiräle der westlichen Hemisphäre. Man wartet auf günstigen Wind, um ostwärts zu segeln; dorthin, von wo jener Unruhestifter, Christoph Columbus, herkam. Im Auftrag eines mächtigen Königs sei er gekommen, hatte er angegeben. Und ebendieser mächtige König soll nun gestürzt werden. Die von König Karl I. geführten Spanier sollen bestraft werden, für ihre Dreistigkeit und auch dafür, daß sie einem Götzen dienen, von dem sie behaupten, er sei Gott der Allmächtige. Die Spanier würden schnell besiegt sein, waren ihre Schiffe doch wie Nußschalen, verglichen mit den mehr als einhundert Meter langen, hochseetüchtigen Fahrzeugen der Inkas.
Warum ist eine solche Geschichte absurd? Warum könnte es nicht auch so gekommen sein, daß Atahualpa den spanischen König gefangennahm, daß Invasoren aus Mittel- und Südamerika die Europäer unterjochten und weitgehend ausrotteten? Warum verlief die Geschichte andersherum? Ist der historische Prozeß nichts weiter als eine Verkettung günstiger oder ungünstiger Zufälligkeiten? Oder gibt es doch so etwas wie eine Logik in der Geschichte?
In seinem jüngsten Buch unternimmt der Mediziner und Evolutionsbiologe Jared Diamond nichts Geringeres als den Versuch, eine naturwissenschaftliche Erklärung für den Verlauf der Geschichte des Menschen seit dem Ende der letzten Eiszeit zu liefern. Die zentrale Frage gilt den Ursachen für die eklatanten Unterschiede in der Entwicklung der Menschheit in den letzten 13000 Jahren. Ihr Ergebnis ist offenkundig. Die Weltbevölkerung zerfällt in "Arm und Reich", in fortgeschrittene und zurückgebliebene Kulturen. Merkwürdigerweise gibt es so starke Unterschiede zwischen den Völkern, daß auch politisch korrekte Sprache sie nicht zum Verschwinden bringen kann. Diamond geht von der Evolutionslehre aus, die die Geschichte weder dem Zufall überläßt noch einen teleologischen Determinismus postuliert. Für Historiker mag es überraschend erscheinen, daß sich die Geschichte des Menschen und die Geschichte der Natur in ihrem grundlegenden Verlauf gleichen sollen. Doch die Evolution ist tatsächlich ein regelhafter Prozeß auf der Achse der Zeit, dessen Verlauf nur so viel Änderung und Abweichung annehmen kann, wie es die Bühne der Natur erlaubt. Der Zufall bleibt nicht ausgeschaltet; er ist kanalisiert. Die Evolution hätte nicht grundsätzlich anders verlaufen können, als sie tatsächlich abgelaufen ist, aber sie würde auch niemals zweimal in genau derselben Weise ablaufen. Wenn diese Grundannahme auch für den Prozeß der Geschichte des Menschen zutrifft, dann muß dieser auf dieselbe Weise naturwissenschaftlich erklärbar sein wie die Evolution.
Wer in Diamonds Buch nur einen kruden geopolitischen Naturalismus vermutet, täuscht sich. Weder rechtfertigt er einen neuen Rassismus, was ihm sicherlich unterstellt werden wird, noch das, was in der Geschichte geschehen ist. Im Gegenteil: Diamond macht verständlich, warum der Gang der Geschichte dem Weg folgte, den sie tatsächlich nahm, und nicht anderen Linien, die auf den ersten Blick auch plausibel gewesen wären. Seine Gründe lassen sich mit naturwissenschaftlichen Methoden überprüfen. Sie erfordern keinen Glauben an eine alleinseligmachende Theorie.
Dieser Umstand macht die Argumente im einzelnen so aufregend. Diamond zeigt anhand umfangreicher Sprachanalysen und historisch-linguistischer Studien, wie sich die Sprachen der Sieger durchgesetzt haben und die der Besiegten zurückgedrängt oder ausgelöscht wurden. Und er macht klar, daß die Entwicklung global dort weiter vorankam, wo die Vielfalt der Sprachen und Dialekte schwand. Genetische Analysen haben die linguistischen Befunde bestätigt. Manche Entwicklungen sind vergleichsweise jungen Datums, so etwa, daß Afrika im Zuge der Bantu-Ausbreitung "schwarz" wurde und einen wesentlichen Teil anderer Völkergruppen verlor.
Am eindrucksvollsten und wohl auch kontroversesten sind Diamonds Ansichten über die Entwicklung von Vormachtstellungen und die Ausbreitungswege von Gruppen und Völkern. Den Angelpunkt sieht er in der Landwirtschaft. Jene Regionen gewannen die entscheidenden Vorteile, die als erste an den dafür geeigneten Stellen eine effiziente Landwirtschaft aufbauen und Überschüsse produzieren konnten. Sie boten die Voraussetzung für die Zusammenballung von Menschen und die Bildung von städtischen Kulturen, aus denen sich so entscheidende Fortschritte wie die Erfindung des Alphabets ergaben. Schreiben und Lesen wurden damit viel leichter als in den komplexen Bilderschriften, deren Kenntnis wenigen Schriftgelehrten vorbehalten blieb.
Das alles, mögen die Historiker einwenden, sei doch längst bekannt. Doch weiß man auch um die produktionsökologischen Bedingungen, die solchen Entwicklungen Dauer verliehen? Diamond führt mit großer Überzeugungskraft aus, daß Eurasien aus zwei Hauptgründen die Führungsrolle in der Entwicklung der Menschheit übernommen habe, obwohl der Homo sapiens sapiens ursprünglich aus Afrika stammte. Neben der großen Fläche und den einheitlichen klimatischen Verhältnissen, die eine nahezu ungehinderte Ausbreitung auf der Ost-West-Achse ermöglichten, spielte das natürliche Angebot an Pflanzen und Tieren eine Rolle, die in Kultur genommen werden konnten. Ackerbau und Viehzucht, die Voraussetzung für das Seßhaftwerden, entsprangen jenem vorderasiatischen Raum, der als "Fruchtbarer Halbmond" bekannt geworden ist. Das ostafrikanische Ursprungsgebiet des Menschen hat trotz der so eindrucksvollen Fülle an Großtierarten keine einzige Haustierart und keine Nutzpflanze geliefert, die Grundnahrung für den Menschen geboten hätten.
Auf der anderen Seite der Erde, in Amerika, bildeten sich der Bevölkerungszahl nach große Kulturen im Heimatbereich von Kartoffel und Mais, aber nicht in den tierreichen Prärien. Zum Vorteil Europas gereichte zudem der Reichtum des Mittelmeerraumes an Bodenschätzen, insbesondere an Erzen. Die Region bot weltweit einmalige Voraussetzungen für die Entdeckung und Nutzung von Metallen. Vorderasien und Europa sowie China und Japan waren (und sind) von Natur aus begünstigt, und trotz ihrer Entfernung ermöglichten die Ost-West-Ausbreitung von Ideen und der Transport von Waren ungleich bessere Austauschbedingungen als etwa zwischen Nord- und Südamerika oder innerhalb Afrikas. Die Nord-Süd-Achsen gehen über die Klimazonen der Erde hinweg und sind schwerer zu überwinden als Distanzen, die sich über dieselbe Klimazone erstrecken. Das betrifft auch Nutztiere und Pflanzen, die vielfach den Wechsel in einen anderen Klimabereich nicht vertragen.
Doch die Vorzüge der Nutzpflanzen und Haustiere haben ihren Preis. Weltweit führte ihre Nutzung zur Bildung von Strukturen, die über Kleingruppen von Verwandten hinausgingen. Stämme und Völker formierten sich. Hierarchische Gliederungen wurden notwendig, und eine besondere "Klasse" von Mitgliedern der Gesellschaft entstand, die uns bis heute und in allen politischen Systemen das Leben schwermacht und dennoch unentbehrlich ist: die Kleptokraten. Sie leben als Bürokraten, Verwalter, Priester und dergleichen auf Kosten der Gemeinschaft, und sie sind die eigentlichen Garanten der Herrschaft, gleich welcher Art. Unter dem System der Kleptokratie hat der Mensch schon frühzeitig in seinem geschichtlichen Werdegang seine Freiheit und Eigenverantwortlichkeit eingebüßt.
Doch es kam noch schlimmer: Die Nahrung und Wohlstand spendenden Haustiere brachten die gefährlichsten Krankheitserreger hervor und wurden zu Auslösern todbringender Seuchen. Die Haustiere markieren eine Schwachstelle, die, wie wir mit dem Rinderwahnsinn wieder erleben, nie behoben werden konnte. Es waren die Seuchen aus Europa, welche die Bevölkerung auf fernen Kontinenten und Inseln so dezimierten, daß die europäischen Eroberer leichtes Spiel hatten.
Nur dort, wo eigenständige Seuchenherde existierten, denen das Immunsystem der Eindringlinge nicht gewachsen war, konnten sie sich nicht festsetzen. So etwa in Ostasien, weiten Bereichen Indiens und West-und Zentralafrikas. Am Ende gingen die Europäer und die Ostasiaten als die "Gewinner" aus der langen historischen Entwicklung hervor. Von ihnen hängt ab, wie die Geschichte weitergeht.
Dieser nüchtern vorgetragene Befund wird heftige Diskussionen auslösen. Diamonds Sicht der Geschichte ist ein großartiger Wurf. In jedem Detail ungemein kenntnisreich geschrieben, ohne aber jemals die zentrale Linie zu verlieren, trifft sein Buch die Geschichtswissenschaft sowie die Sozial- und Politikwissenschaften ins Mark. Sie werden darauf reagieren müssen, und sie können sich nicht mit der Feststellung aus der Affäre ziehen, daß das Werk von einem Biologen stamme.
Jared Diamond: "Arm und Reich". Die Schicksale menschlicher Gesellschaften. Aus dem Amerikanischen von Volker Englich. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1998. 550 S., Abb., geb., 58,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
The most absorbing account on offer of the emergence of a world divided between have and have-nots... Never before put together so coherently, with such a combination of expertise, charm and compassion The Times
Monumental and monumentally good William Leith, 4 stars Scotsman