Trotz grosser Verbreitung der Patchworkfamilien ist das Stiefmutterdasein weitgehend tabuisiert, nicht zuletzt, weil sich die Frauen selber tabuisieren. Die Porträts zeigen, dass ihr Alltag typische Muster aufweist und die Gefühlsverwirrungen im Alltag sich ähneln. Der zweite Teil des Buches dokumentiert die Geschichte des Begriffs 'Stiefmutter' und gibt nach Stichworten geordnet einen Überblick über die häufigsten Herausforderungen, denen sich eine Stiefmutter stellen muss. Hinzu kommen zahlreiche Tipps für Stiefmütter und Frauen, die es werden (wollen).
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.04.2005Die schiefe Lage der Stiefmutter
Karin Frei berichtet von Frauen, die in Patchworkfamilien leben
Die Erwachsenen machen den Kindern das Leben schwer. Ein Paar bekommt Kinder, das Paar trennt sich, die Frau nimmt sich einen neuen Mann, der Mann nimmt sich eine neue Frau. Die Kinder bekommen neben ihrem Vater noch einen Stiefvater, die Kinder bekommen neben ihrer Mutter noch eine Stiefmutter. Manchmal bekommen die Kinder noch Stiefgeschwister, wenn der Stiefvater oder die Stiefmutter Kinder in die neue Familie mitbringt. Die Kinder können auch noch Halbgeschwister bekommen, wenn die Stiefmutter mit dem Vater, wenn der Stiefvater mit der Mutter auch noch ein Kind bekommt. Ein Kind kann dann Ganzgeschwister, Halbgeschwister und Stiefgeschwister haben.
Die Verantwortung für die Patchworkfamilie liegt bei den Erwachsenen. Nehmen wir: die Stiefmutter. Was sollte eine Frau wissen, und was sollte sie beachten, wenn sie in eine Familie mit Kindern kommt und dort Stiefmutter wird? Karin Frei hat ein Buch darüber geschrieben. Das Buch beruht auf Gesprächen mit Frauen aus der Schweiz und ihren Erfahrungen mit ihren Patchworkfamilien. Am Ende des Buches schlägt man nicht die Hände über dem Kopf zusammen und denkt: Vor lauter Problemen gibt es ja keine Lösungen. Am Ende des Buches steht ein Katalog mit Vorschlägen für die Stiefmutter. Am Ende des Buches werden sich die Stiefmütter mit ihren Problemen nicht mehr allein fühlen.
Wenn die Eltern ihren Kinder noch vorlesen, dann lernen die Kinder die Stiefmutter zuerst in den Grimmschen Märchen kennen. Die Stiefmutter ist dort immer ein Ungeheuer, das den Kindern des Mannes aus der ersten Ehe nach dem Leben trachtet. Die leibliche Mutter ist tot und kann die Kinder vor der Stiefmutter nicht beschützen. Der Vater ist seltsam dämlich und nimmt die bösen Absichten seiner neuen Frau hin wie schlechtes Wetter. In der ersten Fassung der Grimmschen Märchensammlung, darauf macht Karin Frei aufmerksam, tauchte die Stiefmutter noch nicht auf. Es war immer die leibhaftige Mutter selbst, die zu den Schandtaten an den Kindern bereit war. Schneewittchen wurde von der eigenen Mutter verfolgt, und Hänsel und Gretel wurden von der eigenen Mutter in den Wald gelockt. Eine solche Märchenmutter hätte das Vertrauen der Kinder in die eigene Mutter wahrscheinlich nachhaltig gestört. Aus der bösen Mutter machten die Brüder Grimm - wollten sie damit die bürgerliche Familie stabilisieren? - schließlich die böse Stiefmutter. Damit waren sie auf der Höhe der Familienentwicklung. Diese Höhe liegt hinter uns. Wir sehen vor uns das weite Tal der Patchworkfamilien.
Märchen fordern Opfer
Karin Frei rät: Die Stiefmutter sollte vorab darüber nachdenken, was es für sie bedeutet, in einer Patchworkfamilie zu leben. Wir ergänzen: Die zukünftige Stiefmutter sollte sich einmal die wenigen therapeutischen Bücher über die Stiefmutter anschauen, und sie sollte das vorliegende Buch lesen, das ohne Theorie auskommt und ganz auf die Erfahrungen der interviewten Frauen setzt. Wer das Buch gelesen hat, der hat einen guten Eindruck davon, was es heißt, den Part der Stiefmutter in einer Patchworkfamilie zu übernehmen. Die Autorin meint, daß die Stiefmütter häufig sogar unter dem tradierten Bild der bösen Stiefmutter leiden und sich dagegen wehren sollten. Wie machen sie das am besten? Indem sie sich nicht zum Opfer machen lassen.
Die zukünftige Stiefmutter sollte sich reiflich überlegen, ob und wie sich ihre eigenen Familienwünsche in einer Patchworkfamilie verwirklichen lassen. Wenn zum Beispiel eine Frau ohne eigene Kinder, aber mit einem großen Kinderwunsch zu einem Mann kommt, der schon vier Kinder von seiner ersten Frau hat - die nicht nur an den Wochenenden sein Haus auf den Kopf stellen - und nun allerhöchstens noch ein Kind mit seiner neuen Frau haben möchte - dann sind die Probleme schon absehbar, die sich zwischen dem stiefmütterlichen Familienwunsch und der väterlichen Familienwirklichkeit ergeben werden.
Hat sich eine Frau für eine Patchworkfamilie entschieden, dann sollte sie sich im Alltag mit den eigenen und den fremden Kindern nicht aus der Fassung bringen lassen. Karin Frei meint: Die Stiefmutter sollte jenen ihrer Entscheidungen vertrauen, die "aus dem Bauch kommen", und sich nicht im Labyrinth der Überlegungen verheddern, ob sie immer alles richtig mache. Es ist sehr schwierig, durchgehend sein eigener Beobachter zu sein und seine Gefühle am Maßstab einer familialen Gerechtigkeit zu korrigieren. In den unmittelbaren emotionalen Reaktionen auf Probleme steckt jene Wahrheit des Gefühls - das ist der "Bauch", aus dem die Entscheidungen kommen -, die sich auch mit überlegten Nachbesserungen im Feld der Beziehungen nicht aus der Welt schaffen läßt.
Die Stiefmutter sollte Distanz zur Patchworkfamilie bewahren. Denn nur dieser Abstand verhindert, daß die Stiefmutter sich alle Schuld an den Fehlern anlastet, die im neuen familialen Leben auftauchen. Das müssen vor allem die Stiefmütter beherzigen, die sich ganz auf den neuen Haushalt konzentrieren und keinen Beruf ausüben, durch den sie sich auch auf Distanz zur Familie halten können.
Auf keinen Fall sollte die Stiefmutter von der Vorstellung ausgehen, daß sie die leibliche Mutter ersetzen müsse. Wir treffen im Buch auf Stiefmütter, die eine sehr enge Beziehung zu den neuen Kindern entwickeln konnten und von diesen Kindern wie selbstverständlich "Mutter" genannt wurden. Diese Namensgebung wird nicht zum Ziel der neuen Beziehung zwischen Kind und Stiefmutter. Karin Frei erzählt auch von einer Mutter, die von ihren neuen Kindern nur mit dem Vornamen angesprochen wird und sich darüber nicht den Kopf zerbricht.
Auch Väter haben Beine
Was noch? Die Stiefmutter sollte nicht die Hauptverantwortung für die Stiefkinder übernehmen. Die Hauptverantwortung trage der leibliche Vater. Manche Stiefmütter sind von den neuen Aufgaben völlig überfordert, werden aber von ihren Männern nicht genügend unterstützt. Dabei sollte es selbstverständlich sein, daß sich der leibliche Vater um seine Kinder mehr kümmert als die Stiefmutter. Wir lernen einen Vater aus einer Patchworkfamilie kennen, der ohne Wenn und Aber zu den Elternabenden seiner Töchter geht und auch die Termine beim Kinderarzt wahrnimmt, statt die Beine hochzulegen, Fußball zu schauen und seine neue Frau machen zu lassen.
Nicht alle hier vorgestellten Patchworkfamilien sind zusammengeblieben. Manche Stiefmütter litten unter den psychischen Schwierigkeiten und kapitulierten auf ganzer Linie vor den familialen Problemen. Häufig liegen in den ausschließenden Beziehungen der Kinder zu der leiblichen Mutter oder in deren besitzergreifendem Verhalten gegenüber den Kindern oder in den seelischen Differenzen, welche die Stiefmutter von den fremden Kindern trennt, die Gründe für eine Trennung. Kein Mensch, meint die Autorin, kann von einer Stiefmutter verlangen, daß sie für die Stiefkinder genauso empfindet wie für die eigenen Kinder. Gleiche Gefühle zu fordern, wo sich gleiche Gefühle nicht einstellen können - das führt nur in das Labyrinth von Fehlern, Schuld und Anklage. Die Stiefmutter muß davon ausgehen, daß ein Stiefkind immer eine Beziehung zu seiner leiblichen Mutter hat - auch wenn die Mutter gestorben ist - und daß das Kind diese Beziehung auch leben soll. Sie dagegen muß auch verstehen lernen, sich der Vergangenheit stellen und die Probleme zu lösen versuchen.
Die ehemalige Partnerin, die leibliche Mutter - gehört sie zum Kreis der neuen Familie? Schwierigkeiten entstehen, wenn sich die neue Familie vor den alten Beziehungen, insbesondere vor der Mutter abschottet. Die Kinder geraten in diesem Fall in Loyalitätskonflikte. Einige der interviewten Frauen sahen ihre Stiefkinder in diesen Loyalitätskonflikten versinken, die auch von der ehemaligen Partnerin angezettelt werden können.
Die Stiefmutter darf sich nicht verkriechen, sie sollte die neuen verwandtschaftlichen Beziehungen pflegen. In vielen Fällen kommen ja zwei ganz neue Familien zusammen, und dann müssen sich zum Beispiel die Großeltern erst einmal kennenlernen. Einmal wetterte eine Mutter heftig gegen die Beziehung ihrer Tochter zu einem geschiedenen Mann mit eigenen Kindern. Die Stiefmutter sollte auch die Finanzen mit ihrem neuen Partner in der Patchworkfamilie offen besprechen und klären. Eine der interviewten Frauen erlebte in der neuen Beziehung ihre bösen Überraschungen mit der finanziellen Lage der ehemaligen Partnerin ihres Mannes.
Vor allem aber, bloß nichts überstürzen! Die Stiefmutter muß sich für das Zusammenwachsen der Patchworkfamilie genügend Zeit lassen. Sie sollte Gespräche mit Freunden und mit Therapeuten suchen, um sich von Problemen zu entlasten, die ihr über den Kopf wachsen.
Alles in allem: Keine leichte Aufgabe. Aber auch keine unmögliche Aufgabe. Das Buch über die gute böse Stiefmutter mag denen helfen, die sich bei dieser Aufgabe manchmal alleine fühlen und nicht weiterwissen.
EBERHARD RATHGEB
Karin Frei: "Gute böse Stiefmutter. Sieben Porträts und ein Leitfaden". Limmat Verlag, Zürich 2005. 190 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Karin Frei berichtet von Frauen, die in Patchworkfamilien leben
Die Erwachsenen machen den Kindern das Leben schwer. Ein Paar bekommt Kinder, das Paar trennt sich, die Frau nimmt sich einen neuen Mann, der Mann nimmt sich eine neue Frau. Die Kinder bekommen neben ihrem Vater noch einen Stiefvater, die Kinder bekommen neben ihrer Mutter noch eine Stiefmutter. Manchmal bekommen die Kinder noch Stiefgeschwister, wenn der Stiefvater oder die Stiefmutter Kinder in die neue Familie mitbringt. Die Kinder können auch noch Halbgeschwister bekommen, wenn die Stiefmutter mit dem Vater, wenn der Stiefvater mit der Mutter auch noch ein Kind bekommt. Ein Kind kann dann Ganzgeschwister, Halbgeschwister und Stiefgeschwister haben.
Die Verantwortung für die Patchworkfamilie liegt bei den Erwachsenen. Nehmen wir: die Stiefmutter. Was sollte eine Frau wissen, und was sollte sie beachten, wenn sie in eine Familie mit Kindern kommt und dort Stiefmutter wird? Karin Frei hat ein Buch darüber geschrieben. Das Buch beruht auf Gesprächen mit Frauen aus der Schweiz und ihren Erfahrungen mit ihren Patchworkfamilien. Am Ende des Buches schlägt man nicht die Hände über dem Kopf zusammen und denkt: Vor lauter Problemen gibt es ja keine Lösungen. Am Ende des Buches steht ein Katalog mit Vorschlägen für die Stiefmutter. Am Ende des Buches werden sich die Stiefmütter mit ihren Problemen nicht mehr allein fühlen.
Wenn die Eltern ihren Kinder noch vorlesen, dann lernen die Kinder die Stiefmutter zuerst in den Grimmschen Märchen kennen. Die Stiefmutter ist dort immer ein Ungeheuer, das den Kindern des Mannes aus der ersten Ehe nach dem Leben trachtet. Die leibliche Mutter ist tot und kann die Kinder vor der Stiefmutter nicht beschützen. Der Vater ist seltsam dämlich und nimmt die bösen Absichten seiner neuen Frau hin wie schlechtes Wetter. In der ersten Fassung der Grimmschen Märchensammlung, darauf macht Karin Frei aufmerksam, tauchte die Stiefmutter noch nicht auf. Es war immer die leibhaftige Mutter selbst, die zu den Schandtaten an den Kindern bereit war. Schneewittchen wurde von der eigenen Mutter verfolgt, und Hänsel und Gretel wurden von der eigenen Mutter in den Wald gelockt. Eine solche Märchenmutter hätte das Vertrauen der Kinder in die eigene Mutter wahrscheinlich nachhaltig gestört. Aus der bösen Mutter machten die Brüder Grimm - wollten sie damit die bürgerliche Familie stabilisieren? - schließlich die böse Stiefmutter. Damit waren sie auf der Höhe der Familienentwicklung. Diese Höhe liegt hinter uns. Wir sehen vor uns das weite Tal der Patchworkfamilien.
Märchen fordern Opfer
Karin Frei rät: Die Stiefmutter sollte vorab darüber nachdenken, was es für sie bedeutet, in einer Patchworkfamilie zu leben. Wir ergänzen: Die zukünftige Stiefmutter sollte sich einmal die wenigen therapeutischen Bücher über die Stiefmutter anschauen, und sie sollte das vorliegende Buch lesen, das ohne Theorie auskommt und ganz auf die Erfahrungen der interviewten Frauen setzt. Wer das Buch gelesen hat, der hat einen guten Eindruck davon, was es heißt, den Part der Stiefmutter in einer Patchworkfamilie zu übernehmen. Die Autorin meint, daß die Stiefmütter häufig sogar unter dem tradierten Bild der bösen Stiefmutter leiden und sich dagegen wehren sollten. Wie machen sie das am besten? Indem sie sich nicht zum Opfer machen lassen.
Die zukünftige Stiefmutter sollte sich reiflich überlegen, ob und wie sich ihre eigenen Familienwünsche in einer Patchworkfamilie verwirklichen lassen. Wenn zum Beispiel eine Frau ohne eigene Kinder, aber mit einem großen Kinderwunsch zu einem Mann kommt, der schon vier Kinder von seiner ersten Frau hat - die nicht nur an den Wochenenden sein Haus auf den Kopf stellen - und nun allerhöchstens noch ein Kind mit seiner neuen Frau haben möchte - dann sind die Probleme schon absehbar, die sich zwischen dem stiefmütterlichen Familienwunsch und der väterlichen Familienwirklichkeit ergeben werden.
Hat sich eine Frau für eine Patchworkfamilie entschieden, dann sollte sie sich im Alltag mit den eigenen und den fremden Kindern nicht aus der Fassung bringen lassen. Karin Frei meint: Die Stiefmutter sollte jenen ihrer Entscheidungen vertrauen, die "aus dem Bauch kommen", und sich nicht im Labyrinth der Überlegungen verheddern, ob sie immer alles richtig mache. Es ist sehr schwierig, durchgehend sein eigener Beobachter zu sein und seine Gefühle am Maßstab einer familialen Gerechtigkeit zu korrigieren. In den unmittelbaren emotionalen Reaktionen auf Probleme steckt jene Wahrheit des Gefühls - das ist der "Bauch", aus dem die Entscheidungen kommen -, die sich auch mit überlegten Nachbesserungen im Feld der Beziehungen nicht aus der Welt schaffen läßt.
Die Stiefmutter sollte Distanz zur Patchworkfamilie bewahren. Denn nur dieser Abstand verhindert, daß die Stiefmutter sich alle Schuld an den Fehlern anlastet, die im neuen familialen Leben auftauchen. Das müssen vor allem die Stiefmütter beherzigen, die sich ganz auf den neuen Haushalt konzentrieren und keinen Beruf ausüben, durch den sie sich auch auf Distanz zur Familie halten können.
Auf keinen Fall sollte die Stiefmutter von der Vorstellung ausgehen, daß sie die leibliche Mutter ersetzen müsse. Wir treffen im Buch auf Stiefmütter, die eine sehr enge Beziehung zu den neuen Kindern entwickeln konnten und von diesen Kindern wie selbstverständlich "Mutter" genannt wurden. Diese Namensgebung wird nicht zum Ziel der neuen Beziehung zwischen Kind und Stiefmutter. Karin Frei erzählt auch von einer Mutter, die von ihren neuen Kindern nur mit dem Vornamen angesprochen wird und sich darüber nicht den Kopf zerbricht.
Auch Väter haben Beine
Was noch? Die Stiefmutter sollte nicht die Hauptverantwortung für die Stiefkinder übernehmen. Die Hauptverantwortung trage der leibliche Vater. Manche Stiefmütter sind von den neuen Aufgaben völlig überfordert, werden aber von ihren Männern nicht genügend unterstützt. Dabei sollte es selbstverständlich sein, daß sich der leibliche Vater um seine Kinder mehr kümmert als die Stiefmutter. Wir lernen einen Vater aus einer Patchworkfamilie kennen, der ohne Wenn und Aber zu den Elternabenden seiner Töchter geht und auch die Termine beim Kinderarzt wahrnimmt, statt die Beine hochzulegen, Fußball zu schauen und seine neue Frau machen zu lassen.
Nicht alle hier vorgestellten Patchworkfamilien sind zusammengeblieben. Manche Stiefmütter litten unter den psychischen Schwierigkeiten und kapitulierten auf ganzer Linie vor den familialen Problemen. Häufig liegen in den ausschließenden Beziehungen der Kinder zu der leiblichen Mutter oder in deren besitzergreifendem Verhalten gegenüber den Kindern oder in den seelischen Differenzen, welche die Stiefmutter von den fremden Kindern trennt, die Gründe für eine Trennung. Kein Mensch, meint die Autorin, kann von einer Stiefmutter verlangen, daß sie für die Stiefkinder genauso empfindet wie für die eigenen Kinder. Gleiche Gefühle zu fordern, wo sich gleiche Gefühle nicht einstellen können - das führt nur in das Labyrinth von Fehlern, Schuld und Anklage. Die Stiefmutter muß davon ausgehen, daß ein Stiefkind immer eine Beziehung zu seiner leiblichen Mutter hat - auch wenn die Mutter gestorben ist - und daß das Kind diese Beziehung auch leben soll. Sie dagegen muß auch verstehen lernen, sich der Vergangenheit stellen und die Probleme zu lösen versuchen.
Die ehemalige Partnerin, die leibliche Mutter - gehört sie zum Kreis der neuen Familie? Schwierigkeiten entstehen, wenn sich die neue Familie vor den alten Beziehungen, insbesondere vor der Mutter abschottet. Die Kinder geraten in diesem Fall in Loyalitätskonflikte. Einige der interviewten Frauen sahen ihre Stiefkinder in diesen Loyalitätskonflikten versinken, die auch von der ehemaligen Partnerin angezettelt werden können.
Die Stiefmutter darf sich nicht verkriechen, sie sollte die neuen verwandtschaftlichen Beziehungen pflegen. In vielen Fällen kommen ja zwei ganz neue Familien zusammen, und dann müssen sich zum Beispiel die Großeltern erst einmal kennenlernen. Einmal wetterte eine Mutter heftig gegen die Beziehung ihrer Tochter zu einem geschiedenen Mann mit eigenen Kindern. Die Stiefmutter sollte auch die Finanzen mit ihrem neuen Partner in der Patchworkfamilie offen besprechen und klären. Eine der interviewten Frauen erlebte in der neuen Beziehung ihre bösen Überraschungen mit der finanziellen Lage der ehemaligen Partnerin ihres Mannes.
Vor allem aber, bloß nichts überstürzen! Die Stiefmutter muß sich für das Zusammenwachsen der Patchworkfamilie genügend Zeit lassen. Sie sollte Gespräche mit Freunden und mit Therapeuten suchen, um sich von Problemen zu entlasten, die ihr über den Kopf wachsen.
Alles in allem: Keine leichte Aufgabe. Aber auch keine unmögliche Aufgabe. Das Buch über die gute böse Stiefmutter mag denen helfen, die sich bei dieser Aufgabe manchmal alleine fühlen und nicht weiterwissen.
EBERHARD RATHGEB
Karin Frei: "Gute böse Stiefmutter. Sieben Porträts und ein Leitfaden". Limmat Verlag, Zürich 2005. 190 S., geb., 24,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Recht nützlich findet Rezensent Eberhard Rathgeb dieses Buch, in dem Karin Frei von Frauen berichtet, die in Patchworkfamilien leben. Er kann es jeder Frau, die in eine Familie mit Kindern kommt und dort Stiefmutter wird, nur ans Herz legen, gibt es doch Auskunft darüber, was eine Frau in einer solchen Situation wissen und was sie beachten sollte. Seiner Erachtens vermittelt das Buch einen guten Eindruck davon, "was es heißt, den Part der Stiefmutter in einer Patchworkfamilie zu übernehmen". Ausführlich referiert Rathgeb eine Reihe von Ratschlägen aus dem Buch. Etwa, dass sich eine Frau reiflich überlegen sollte, ob und wie sich ihre eigenen Familienwünsche in einer Patchworkfamilie verwirklichen lassen, oder dass sie nicht die Hauptverantwortung für die Stiefkinder übernehmen sollte. Insgesamt erscheint Rathgeb das Stiefmutterdasein keine leichte Aufgabe, aber eine auch kein Ding der Unmöglichkeit. "Das Buch über die gute böse Stiefmutter mag denen helfen", resümiert er, "die sich bei dieser Aufgabe manchmal alleine fühlen und nicht weiterwissen".
© Perlentaucher Medien GmbH
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