Es gibt sie wirklich, die glücklichen, harmonischen Ehen. Die renommierten Beziehungsforscherinnen Judith S. Wallerstein und Sandra Blakeslee zeigen, wie und warum sie funktionieren. Die Autorinnen erzählen und analysieren die alltäglichen und doch ungewöhnlichen Geschichten dieser Ehen, ihren Beginn, ihre Krisen, ihre Geheimnisse. Über glückliche Ehen ist so gut wie nichts bekannt. Deshalb beschloss J. Wallerstein, einige langjährige Ehen unter die Lupe zu nehmen. "Denn letztlich", so die Autorin, "ist es absurd zu behaupten, dass die Sehnsucht nach Liebe und Vertrautheit in der Ehe passé ist." In ihrem Buch analysiert sie erfüllte und harmonische Partnerschaften und berichtet von den 9 notwendigen Aufgaben, die jedes glückliche Paar auf seine Weise gelöst hat.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.1996Longue durée
Über gute Ehen und wie sie dazu wurden / Von Maria Frisé
Wer sich wie die amerikanische Psychologin Judith S. Wallerstein seit fünfundzwanzig Jahren mit Scheidungen und ihren schmerzlichen Folgen beschäftigt hat, möchte auch einmal gute Ehen untersuchen. Die Wissenschaft hat sich bisher mit glücklich Verheirateten kaum befaßt. Doch wenn es auf die Fragen, warum und wie Ehen gelingen und halten, schlüssige Antworten gäbe, würden sich vermutlich viele Scheidungen oder quälende Zerrüttungen vermeiden lassen.
Jeder glaubt, Beispiele beneidenswert harmonischer Partnerschaften zu kennen, häufig jedoch erweisen sie sich nur als perfekte Fassaden. Der Blick von außen ins Innere einer Ehe kann täuschen; auch eine geschulte Psychologin muß sich mit dem begnügen, was freiwillig preisgegeben wird. Daß Amerikaner bereitwilliger als andere über ihr Intimleben Auskunft geben, wissen wir seit dem Kinsey-Report. So überrascht denn auch nicht, mit welcher Offenheit die Partner, Frauen wie Männer, mitunter über ihre sexuellen Ansprüche sprechen.
Judith S. Wallerstein hat ihre besondere Forschungsmethode: Fünfzig Paare, die allesamt versicherten, glücklich zu sein, sortierte sie nach drei Typen, die Leidenschaftlichen, sprich sexuell sehr Aktiven, die Traditionellen und die Kameradschaftlichen, wobei sie auch Mischformen zuließ. Mindestens zehn Jahre waren ihre Interviewpartner verheiratet; ein Paar hatte vierzig Jahre zusammengelebt. Alle gehörten der Mittelschicht an. Die Befragung - jeder Partner einzeln - dauerte jeweils drei Stunden und wurde nach zwei Jahren wiederholt. Keine Ehe war inzwischen auseinandergegangen.
Daß auch glückliche Ehen nicht ohne Probleme sind, überrascht nicht. Da ist zunächst einmal die Vergangenheit, die die Beziehung belasten kann. Erstaunlich viele Paare berichteten von negativen Erlebnissen in der Kindheit, von Verlassenheitsängsten und Schuldgefühlen, wenn die Eltern sich trennten, von traumatischen Verletzungen wie Gewalt und sexuellem Mißbrauch. Die eigene Ehe bedeutete nicht selten eine Zuflucht. Mit Hilfe des Partners gelang es, nicht nur die Vergangenheit zu bewältigen, sondern auch den späteren Kindern ein liebevolles Elternhaus zu schaffen.
Nahezu alle Befragten vertrauen auf offene Gespräche, für manche sind diese Aussprachen, bei denen Kritik und Vorwürfe nicht verschwiegen werden, ein regelmäßiges Ritual. Von uneingeschränktem Vertrauen und einem Gefühl der Sicherheit sprechen fast alle Eheleute, obwohl ihnen durchaus bewußt ist, daß ihr Bund durchaus kündbar ist. Im Lauf einer guten Ehe entwickeln sich die Partner nicht nur aufeinander zu, sie entwickeln sich auch weiter. Das Wir-Gefühl schließt oft die Kinder mit ein.
In den traditionellen Ehen, in denen die Frauen ihren Beruf aufgeben, verstehen sich die Partner häufig vorwiegend als Eltern und fürchten sich vor der Zeit, nachdem die Kinder erwachsen geworden sind. Einige erzählen aber auch von dem neuen Leben im vorgerückten Alter und den neuen Aufgaben, die sie freiwillig übernommen haben, oder den Interessen, denen sie nun gemeinsam nachgehen können. Die kameradschaftliche Ehe ist heute unter den jüngeren Paaren am häufigsten. Daß sie gelingt, ist oft ein besonderes Verdienst der Frau, die sich nach wie vor für die Zufriedenheit ihrer Familie verantwortlich fühlt und weitaus den größten Teil der Arbeit zu Haus übernimmt, auch wenn ihr Beruf nicht weniger anstrengend ist als der ihres Mannes. Die Balance zwischen Nähe und Distanz, Unabhängigkeit und Rücksicht müssen Eheleute immer wieder anstreben. Judith S. Wallerstein spricht aus der Erfahrung einer faßt fünfzig Jahre alten Partnerschaft, die nur durch die Bereitschaft zu Kompromissen gehalten hat. Noch länger dauerte die Ehe des Psychoanalytikers Erik Erikson. "Der Humor hält doch alles zusammen", antwortete seine Frau Joan nach sechzigjährigem Eheleben.
Judith S. Wallerstein hat mit ihrer Freundin, der Journalistin Sandra Blakeslee, keinen Eheratgeber geschrieben, sie hat Paare befragt, die Beispiele für ein gelungenes Leben zu zweit sein können, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Judith S. Wallerstein/Sandra Blakeslee: "Gute Ehen". Wie und warum die Liebe dauert. Aus dem Amerikanischen von Sonja Hauser. Verlag Beltz-Quadriga, Weinheim 1996. 333 Seiten, geb., 39,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Über gute Ehen und wie sie dazu wurden / Von Maria Frisé
Wer sich wie die amerikanische Psychologin Judith S. Wallerstein seit fünfundzwanzig Jahren mit Scheidungen und ihren schmerzlichen Folgen beschäftigt hat, möchte auch einmal gute Ehen untersuchen. Die Wissenschaft hat sich bisher mit glücklich Verheirateten kaum befaßt. Doch wenn es auf die Fragen, warum und wie Ehen gelingen und halten, schlüssige Antworten gäbe, würden sich vermutlich viele Scheidungen oder quälende Zerrüttungen vermeiden lassen.
Jeder glaubt, Beispiele beneidenswert harmonischer Partnerschaften zu kennen, häufig jedoch erweisen sie sich nur als perfekte Fassaden. Der Blick von außen ins Innere einer Ehe kann täuschen; auch eine geschulte Psychologin muß sich mit dem begnügen, was freiwillig preisgegeben wird. Daß Amerikaner bereitwilliger als andere über ihr Intimleben Auskunft geben, wissen wir seit dem Kinsey-Report. So überrascht denn auch nicht, mit welcher Offenheit die Partner, Frauen wie Männer, mitunter über ihre sexuellen Ansprüche sprechen.
Judith S. Wallerstein hat ihre besondere Forschungsmethode: Fünfzig Paare, die allesamt versicherten, glücklich zu sein, sortierte sie nach drei Typen, die Leidenschaftlichen, sprich sexuell sehr Aktiven, die Traditionellen und die Kameradschaftlichen, wobei sie auch Mischformen zuließ. Mindestens zehn Jahre waren ihre Interviewpartner verheiratet; ein Paar hatte vierzig Jahre zusammengelebt. Alle gehörten der Mittelschicht an. Die Befragung - jeder Partner einzeln - dauerte jeweils drei Stunden und wurde nach zwei Jahren wiederholt. Keine Ehe war inzwischen auseinandergegangen.
Daß auch glückliche Ehen nicht ohne Probleme sind, überrascht nicht. Da ist zunächst einmal die Vergangenheit, die die Beziehung belasten kann. Erstaunlich viele Paare berichteten von negativen Erlebnissen in der Kindheit, von Verlassenheitsängsten und Schuldgefühlen, wenn die Eltern sich trennten, von traumatischen Verletzungen wie Gewalt und sexuellem Mißbrauch. Die eigene Ehe bedeutete nicht selten eine Zuflucht. Mit Hilfe des Partners gelang es, nicht nur die Vergangenheit zu bewältigen, sondern auch den späteren Kindern ein liebevolles Elternhaus zu schaffen.
Nahezu alle Befragten vertrauen auf offene Gespräche, für manche sind diese Aussprachen, bei denen Kritik und Vorwürfe nicht verschwiegen werden, ein regelmäßiges Ritual. Von uneingeschränktem Vertrauen und einem Gefühl der Sicherheit sprechen fast alle Eheleute, obwohl ihnen durchaus bewußt ist, daß ihr Bund durchaus kündbar ist. Im Lauf einer guten Ehe entwickeln sich die Partner nicht nur aufeinander zu, sie entwickeln sich auch weiter. Das Wir-Gefühl schließt oft die Kinder mit ein.
In den traditionellen Ehen, in denen die Frauen ihren Beruf aufgeben, verstehen sich die Partner häufig vorwiegend als Eltern und fürchten sich vor der Zeit, nachdem die Kinder erwachsen geworden sind. Einige erzählen aber auch von dem neuen Leben im vorgerückten Alter und den neuen Aufgaben, die sie freiwillig übernommen haben, oder den Interessen, denen sie nun gemeinsam nachgehen können. Die kameradschaftliche Ehe ist heute unter den jüngeren Paaren am häufigsten. Daß sie gelingt, ist oft ein besonderes Verdienst der Frau, die sich nach wie vor für die Zufriedenheit ihrer Familie verantwortlich fühlt und weitaus den größten Teil der Arbeit zu Haus übernimmt, auch wenn ihr Beruf nicht weniger anstrengend ist als der ihres Mannes. Die Balance zwischen Nähe und Distanz, Unabhängigkeit und Rücksicht müssen Eheleute immer wieder anstreben. Judith S. Wallerstein spricht aus der Erfahrung einer faßt fünfzig Jahre alten Partnerschaft, die nur durch die Bereitschaft zu Kompromissen gehalten hat. Noch länger dauerte die Ehe des Psychoanalytikers Erik Erikson. "Der Humor hält doch alles zusammen", antwortete seine Frau Joan nach sechzigjährigem Eheleben.
Judith S. Wallerstein hat mit ihrer Freundin, der Journalistin Sandra Blakeslee, keinen Eheratgeber geschrieben, sie hat Paare befragt, die Beispiele für ein gelungenes Leben zu zweit sein können, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Judith S. Wallerstein/Sandra Blakeslee: "Gute Ehen". Wie und warum die Liebe dauert. Aus dem Amerikanischen von Sonja Hauser. Verlag Beltz-Quadriga, Weinheim 1996. 333 Seiten, geb., 39,80 DM.
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"Die renommierte Beziehungs-forscherin Judith Wallerstein macht Mut zur Ehe mit einem Psychobuch wie aus Rosamunde Pilchers Feder." (Focus)