Bukarest 1980: Der Journalist Stefan Irimescu wird verhaftet, weil er kritische Leserbriefe nicht weiterleitete, um deren Verfasser zu schützen. Er landet im Gefängnis und wird im Namen des Kommunismus gefoltert und eingeschüchtert. Als er freikommt, trifft er Raluca - Ehefrau von Ilie Stancu, einem vielversprechenden Parteisekretär des Bezirks. Sobald die Affäre Stancu zu Ohren kommt, lässt er sich scheiden und nimmt das Angebot seines Freundes von der Securitate an, sich an Stefan zu rächen. Andrei Mihailescu, der zu Beginn der 80er selbst mit seiner Familie aus Rumänien in die Schweiz floh, ist ein atemlos spannender Roman gelungen über das Leben, die Liebe und die kleinen Fluchten in einer gnadenlosen Diktatur.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Friedmar Apel kann das Spannende und Unterhaltsame an Andrei Mihailescu Debütroman nicht wirklich würdigen. Allzu bitter stößt ihm die Tatsache auf, dass der Autor hier die grausamen Auswirkungen der rumänischen Diktatur behandelt. Derartiges aber eignet sich laut Rezensent nicht als Thema eines U-Romans. Die gelungene Recherchearbeit und Komposition des Textes über einen Journalisten in den Fängen des Geheimdienstes verdeckt für Apel nicht die Problematik, die sich daraus ergibt, dass Kitsch und allzumenschliche Banalitäten auf ein sehr ernstes Thema treffen. Seiner von Apel erkannten aufklärerischen Absicht wird der Autor jedoch nicht gerecht. Es mangelt dem Text leider an Irritation, findet der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.2016Sexualkitsch und Diktatur
Andrei Mihailescus Debüt "Guter Mann im Mittelfeld"
Das literarische Debüt des 1965 in Bukarest geborenen Zürcher Informatikers Andrei Mihailescu, der 1981 mit seiner Familie in die Schweiz flüchtete, könnte Respekt abnötigen. Es handelt sich um einen gut komponierten und recherchierten und trotz einiger stilistischer Ausrutscher auch gut und spannend erzählten Unterhaltungsroman. Doch schon die Fußballmetapher im Titel verweist auf das Zwiespältige des Werks. Die rumänische Diktatur, in der die Handlung spielt, war nicht sportlich und schon gar nicht fair, das Wirken des Geheimdienstes war vielmehr an Widerwärtigkeit nicht zu überbieten.
Der Roman erzählt die Geschichte des Journalisten Stefan, der schon aufgrund geringfügiger Subversion vom Geheimdienst grausam malträtiert wird. Kaum entlassen, verliebt er sich in Raluca, die Frau eines Parteikaders. "Sie rannte die Treppe hinauf und fiel in seine Arme, sobald er die Tür aufmachte. Er hielt sie fest, bis sie wieder zu Atem kam, dann wischte er ihr sanft den kalten Aprilregen aus dem Gesicht." Das sind Banalitäten, die überall spielen könnten, und auch der Sexualkitsch passt in jeden Lore-Roman. Gerade der rumänische Geheimdienst aber setzte alles daran, die Privatsphäre zu vergiften und die Beziehungen zu unterminieren. Erwartungsgemäß hält die Beziehung von Raluca und Stefan nicht lange.
Es ehrt den Erzähler, dass er sich in die Probleme einer Frau einfühlt, die wegen ihrer Kinder zur Anpassung neigt. Dass sie den Parteikader und den Unangepassten über den gleichen Kamm männlicher Wichtigtuerei und mangelnder Sensibilität schert, grenzt aber an Diffamierung der Frauen, die im Widerstand gegen die Diktatur ihre Existenz riskiert haben. Auch dass der Funktionär als ein charakterloser Dummkopf gezeichnet wird, entspricht allzu sehr einem Klischee. Der geschundene halbherzige Abweichler hingegen darf sich der heilenden Wirkung einer Anpassung in eine kleinstädtische Gemeinschaft hingeben, als würde nicht die Diktatur jegliche Idee von Gemeinschaft zersetzen. Am Ende laufen die Konflikte auf das Allerweltsproblem des abwesenden Vaters hinaus.
Der Verfasser hat sicher nicht die Absicht verfolgt, die rumänische Diktatur zu verharmlosen, er wollte mit dem Roman offenbar auch aufklärerisch wirken, doch kehrt sich die Form immer wieder gegen seine Absicht. Selbst da, wo die brutalen Maßnahmen des Geheimdienstes geschildert werden, schiebt sich das Allgemeinmenschliche als Weichzeichner vor die Szenerie.
Zweifellos ist auch im beschädigten Leben und Lieben unter einer Gewaltherrschaft vieles banal. Diese Banalität in ihrem Stellenwert im Genre des Unterhaltungsromans so bewegend oder irritierend zu beschreiben, wie es den Auswirkungen der totalitären Ideologie angemessen ist, stellt eine schwierigere Aufgabe dar, als Andrei Mihailescu sie sich im Gebrauch seiner erzählerischen Mittel gestellt hat. Dass der Roman passagenweise spannend ist und sich flüssig lesen lässt, ist also ein zwiespältiges Kompliment.
FRIEDMAR APEL
Andrei Mihailescu:
"Guter Mann im Mittelfeld". Roman.
Verlag Nagel & Kimche, München 2015, 348 S., geb., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Andrei Mihailescus Debüt "Guter Mann im Mittelfeld"
Das literarische Debüt des 1965 in Bukarest geborenen Zürcher Informatikers Andrei Mihailescu, der 1981 mit seiner Familie in die Schweiz flüchtete, könnte Respekt abnötigen. Es handelt sich um einen gut komponierten und recherchierten und trotz einiger stilistischer Ausrutscher auch gut und spannend erzählten Unterhaltungsroman. Doch schon die Fußballmetapher im Titel verweist auf das Zwiespältige des Werks. Die rumänische Diktatur, in der die Handlung spielt, war nicht sportlich und schon gar nicht fair, das Wirken des Geheimdienstes war vielmehr an Widerwärtigkeit nicht zu überbieten.
Der Roman erzählt die Geschichte des Journalisten Stefan, der schon aufgrund geringfügiger Subversion vom Geheimdienst grausam malträtiert wird. Kaum entlassen, verliebt er sich in Raluca, die Frau eines Parteikaders. "Sie rannte die Treppe hinauf und fiel in seine Arme, sobald er die Tür aufmachte. Er hielt sie fest, bis sie wieder zu Atem kam, dann wischte er ihr sanft den kalten Aprilregen aus dem Gesicht." Das sind Banalitäten, die überall spielen könnten, und auch der Sexualkitsch passt in jeden Lore-Roman. Gerade der rumänische Geheimdienst aber setzte alles daran, die Privatsphäre zu vergiften und die Beziehungen zu unterminieren. Erwartungsgemäß hält die Beziehung von Raluca und Stefan nicht lange.
Es ehrt den Erzähler, dass er sich in die Probleme einer Frau einfühlt, die wegen ihrer Kinder zur Anpassung neigt. Dass sie den Parteikader und den Unangepassten über den gleichen Kamm männlicher Wichtigtuerei und mangelnder Sensibilität schert, grenzt aber an Diffamierung der Frauen, die im Widerstand gegen die Diktatur ihre Existenz riskiert haben. Auch dass der Funktionär als ein charakterloser Dummkopf gezeichnet wird, entspricht allzu sehr einem Klischee. Der geschundene halbherzige Abweichler hingegen darf sich der heilenden Wirkung einer Anpassung in eine kleinstädtische Gemeinschaft hingeben, als würde nicht die Diktatur jegliche Idee von Gemeinschaft zersetzen. Am Ende laufen die Konflikte auf das Allerweltsproblem des abwesenden Vaters hinaus.
Der Verfasser hat sicher nicht die Absicht verfolgt, die rumänische Diktatur zu verharmlosen, er wollte mit dem Roman offenbar auch aufklärerisch wirken, doch kehrt sich die Form immer wieder gegen seine Absicht. Selbst da, wo die brutalen Maßnahmen des Geheimdienstes geschildert werden, schiebt sich das Allgemeinmenschliche als Weichzeichner vor die Szenerie.
Zweifellos ist auch im beschädigten Leben und Lieben unter einer Gewaltherrschaft vieles banal. Diese Banalität in ihrem Stellenwert im Genre des Unterhaltungsromans so bewegend oder irritierend zu beschreiben, wie es den Auswirkungen der totalitären Ideologie angemessen ist, stellt eine schwierigere Aufgabe dar, als Andrei Mihailescu sie sich im Gebrauch seiner erzählerischen Mittel gestellt hat. Dass der Roman passagenweise spannend ist und sich flüssig lesen lässt, ist also ein zwiespältiges Kompliment.
FRIEDMAR APEL
Andrei Mihailescu:
"Guter Mann im Mittelfeld". Roman.
Verlag Nagel & Kimche, München 2015, 348 S., geb., 22,90 [Euro].
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