Waren die Habsburger reich oder besaßen sie "nur" Staatsvermögen? Lebten sie im Luxus oder eher bescheiden? Woher kam das Geld, wovon lebten sie eigentlich und wie gingen sie mit ihren Apanagen um? Was passierte mit den Aussteigern? Gab es unterschiedlich vermögende Habsburger und wurden sie 1918 enteignet und verloren auch ihr Privatvermögen? Was passierte mit dem Vermögen nach dem Ende der Monarchie und wohin sind die Kronjuwelen verschwunden? In ihrem neuesten Buch begibt sich Katrin Unterreiner auf die Spurensuche nach dem Vermögen der Habsburger und geht unter anderem diesen bis heute immer wieder diskutierten Fragen auf den Grund. Das Buch bietet nicht nur spannende Einblicke in die Vermögensverhältnisse der kaiserlichen Familie, sondern zeigt auch, wofür die Habsburger ihr Geld ausgaben und wie ihr Lebensalltag aussah. Neben privaten Einblicken und spannenden neuen Erkenntnissen kann auch endlich der Krimi um die verschwundenen Kronjuwelen gelöst werden.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Andreas Mihm wühlt sich durch allerhand Zahlen, Daten und Dokumente in Katrin Unterreiners Habsburger-Buch. Am Ende weiß er allerdings, woher der Reichtum des Kaiserhauses stammt (unter anderem von den Fuggern), hat Skandale mit verfolgt und die Finanzbeziehungen des Hauses kennengelernt. Instruktiv erscheint ihm, dass seit Maria Theresia zwischen Staats- und Privatbesitz unterschieden wurde. Etwas weniger Detailfreude, dafür eine Ahnentafel, und Unterreiner und ihr reiches Wissen um die Habsburger hätte sich dem wirtschaftshistorisch interessierten Rezensenten noch besser erschlossen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2021Das Geld der Monarchen
Über das Vermögen der österreichischen Habsburger
Kinder wissen um den märchenhaften Reichtum der Könige. Netflix-Zuschauer bekommen in "The Crown" eine Ahnung vom Reichtum des britischen Königshauses. Den 2016 verstorbenen thailändischen König Bhumibol taxierte das Wirtschaftsblatt "Forbes" schon 2012 auf 30 Milliarden Dollar.
Woher aber haben Könige das ganze Geld? Und wo bleibt es, wenn sie gehen müssen? Selten lässt ein Monarch so tiefe Einblicke in seine - in dem Fall wohl krummen - Geschäfte zu wie Spaniens früherer König Juan Carlos, der geschenkte und sonstige Geldbeträge in kolportiert dreistelliger Millionenhöhe an der Steuer vorbei geschleust haben soll, weshalb er nun im Ausland lebt.
In Deutschland streiten 100 Jahre nach der Abdankung des letzten Kaisers dessen Nachfahren aus dem Haus Hohenzollern um Entschädigung und Rückgabe. Auch in Österreich hat das Auseinanderdividieren staatlicher und privater Teile des kaiserlichen Vermögens nach dem Ende der Monarchie 1918 bis in dieses Jahrhundert gedauert. Erst im vorigen Jahr hatte eine reichhaltige Schau im Hofmobiliendepot Möbel Museum Wien dem "Schicksal des habsburgischen Erbes nach 1918" nachgespürt.
Die Wiener Kunsthistorikerin und Habsburgerforscherin Katrin Unterreiner setzt mit ihrem Buch "Habsburgs verschollene Schätze" früher an und zeigt, wie das "geheime Vermögen des Kaiserhauses" zustande kam. Ohne die Fugger, die 1473 die Brautwerbung Maximilians bezahlten, hätte die Dynastie wohl kaum weitere 445 Jahre überlebt. Der 30-jährige Krieg brachte die Krone an ihre finanziellen Grenzen. Doch hielt man sich schadlos an enteigneten protestantischen Adligen Böhmens, Wallensteins Erben, ungarischen Aufständischen. Dabei ging es um Hunderte Millionen Euro. Wo höfische Buchhalter früher "Gulden" notierten, hilft der historische Währungsrechner der Österreichischen Nationalbank zur Umrechnung in heutige Verhältnisse.
In späteren Jahrhunderten, als die unverzichtbaren Bankiers Oppenheimer und Rothschild hießen, hatte sich allerdings ein wichtiger Unterschied herausgebildet: der zwischen Privat- und Staatsbesitz. Wesentlichen Anteil daran hatte Franz Stephan von Lothringen, der Mann der Königin Maria Theresia. Er selbst war an Staatsgeschäften wenig interessiert, verstand sich jedoch aufs Geschäftliche in Landwirtschaft, Industrie und an der Börse. Nach 30 Jahren hinterließ er bei seinem Tod im Jahre 1765 ein Vermögen von 18,8 Millionen Gulden. 1820, frühere Jahre akzeptiert der Währungsrechner nicht, wären das fast 400 Millionen Euro gewesen. Das Erbe wurde gedrittelt: Gut zwei Drittel nahm Maria Theresia zur Sanierung der Staatsfinanzen, der Rest bildete den Grundstock für den habsburgischen Familienversorgungsfonds.
Eine Basis für die Trennung von Staats- und Privatbesitz war gelegt. Sie hielt bis zum Ende der Monarchie, als es an die tatsächliche Aufteilung ging: Vermögen wie Schloss Schönbrunn oder die Hofburg, über das sie als Herrscher verfügen konnten, fiel 1919 an die Republik; den Familienfonds mit Ländereien, Häusern, (oft wertlos gewordenen) Wertpapieren in Höhe von 50 bis 100 Millionen Euro kassierte die Republik am Ende wegen der Unbotmäßigkeiten (Kaiser) Karls 1919. Doch ihr Privatvermögen blieb den Habsburger-Erben.
Hundertprozentig trennscharf war die Trennung vorher nie. Staatliches Engagement und privates Wirtschaftsinteresse gingen ineinander über. Erzherzog Ferdinand betrieb nicht nur die größten Molkereien im Land, er war auch Oberbefehlshaber im Ersten Weltkrieg und belieferte seine Armee mit seiner "Teschener Erzherzoglichen Butter" (TEE-Butter). Er verdiente gut an der Versorgungskrise, bis Kaiser Franz Joseph dem Skandal ein Ende machte.
Skandale rund ums Kaiserhaus gab es genug: Oft musste der Kaiser aushelfen, wenn die staatliche Apanage nicht ausreichte, den aufwendigen und nicht immer geltenden Moralvorstellungen entsprechenden Lebensstil von Neffen und Nichten zu finanzieren. Waren sie doch von Stande wegen zum Nichtstun verurteilt. Das hatte schwerwiegende Folgen für manche, die nach dem Untergang der Monarchie in den 20er Jahren oft genug "im realen Leben kläglich scheiterten".
Das gilt in gewisser Weise bis hin zum letzten Kaiser Karl, der 1919 mit einem Teil des staatlichen Juwelenschatzes in die Schweiz türmte, die Pretiosen verhökerte, um seine Lebenshaltung zu finanzieren und zwei erfolglose Aufstände in Ungarn anzuzetteln. Andere Familienmitglieder arrangierten sich, zogen sich auf ihre Güter zurück. Manche der legendären Habsburger Juwelen erzielen bei Auktionen Millionenerlöse. Erzherzogin Elisabeth Marie, "Sissi"-Enkelin und schon 1888 als Sechsjährige mit 28 Millionen Euro ausgestattet, wurde zur Sozialistin und vererbte bei ihrem Tod 1963 den Großteil ihres Privatbesitzes dem Staat.
Unterreiner kennt sich aus mit den Habsburgern. Anderthalb Dutzend Bücher hat sie über die Dynastie und ihre Zeit verfasst, an vielen Filmen mitgewirkt. Jetzt hat sie ihren reich gespickten Zettelkasten neu sortiert und für wirtschaftshistorisch Interessierte lesenswert zusammengefasst. Mit dem Buch wendet sie sich an ein breites Publikum: Hier und da geraten die Aufzählungen ein wenig detailliert, hätte sich die Zusammenfassung ausufernder Zitate amtlicher Schriftstücke angeboten. Warum manche Gulden-Beträge in Euro umgerechnet werden, andere nicht, erschließt sich nicht. Auch hätte dem in der kaiserlichen Familie nicht im Detail Bewanderten eine Ahnentafel zur Einordnung geholfen. Am Ende ist ihr ein lesenswertes Buch gelungen, das interessante Einblicke in die Finanzbeziehungen einer kaiserlich-königlichen Familie gibt.
ANDREAS MIHM
Katrin Unterreiner, Habsburgs verschollene Schätze, Das geheime Vermögen des Kaiserhauses, Ueberreuter, Wien 2020, 199 Seiten, 23 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Über das Vermögen der österreichischen Habsburger
Kinder wissen um den märchenhaften Reichtum der Könige. Netflix-Zuschauer bekommen in "The Crown" eine Ahnung vom Reichtum des britischen Königshauses. Den 2016 verstorbenen thailändischen König Bhumibol taxierte das Wirtschaftsblatt "Forbes" schon 2012 auf 30 Milliarden Dollar.
Woher aber haben Könige das ganze Geld? Und wo bleibt es, wenn sie gehen müssen? Selten lässt ein Monarch so tiefe Einblicke in seine - in dem Fall wohl krummen - Geschäfte zu wie Spaniens früherer König Juan Carlos, der geschenkte und sonstige Geldbeträge in kolportiert dreistelliger Millionenhöhe an der Steuer vorbei geschleust haben soll, weshalb er nun im Ausland lebt.
In Deutschland streiten 100 Jahre nach der Abdankung des letzten Kaisers dessen Nachfahren aus dem Haus Hohenzollern um Entschädigung und Rückgabe. Auch in Österreich hat das Auseinanderdividieren staatlicher und privater Teile des kaiserlichen Vermögens nach dem Ende der Monarchie 1918 bis in dieses Jahrhundert gedauert. Erst im vorigen Jahr hatte eine reichhaltige Schau im Hofmobiliendepot Möbel Museum Wien dem "Schicksal des habsburgischen Erbes nach 1918" nachgespürt.
Die Wiener Kunsthistorikerin und Habsburgerforscherin Katrin Unterreiner setzt mit ihrem Buch "Habsburgs verschollene Schätze" früher an und zeigt, wie das "geheime Vermögen des Kaiserhauses" zustande kam. Ohne die Fugger, die 1473 die Brautwerbung Maximilians bezahlten, hätte die Dynastie wohl kaum weitere 445 Jahre überlebt. Der 30-jährige Krieg brachte die Krone an ihre finanziellen Grenzen. Doch hielt man sich schadlos an enteigneten protestantischen Adligen Böhmens, Wallensteins Erben, ungarischen Aufständischen. Dabei ging es um Hunderte Millionen Euro. Wo höfische Buchhalter früher "Gulden" notierten, hilft der historische Währungsrechner der Österreichischen Nationalbank zur Umrechnung in heutige Verhältnisse.
In späteren Jahrhunderten, als die unverzichtbaren Bankiers Oppenheimer und Rothschild hießen, hatte sich allerdings ein wichtiger Unterschied herausgebildet: der zwischen Privat- und Staatsbesitz. Wesentlichen Anteil daran hatte Franz Stephan von Lothringen, der Mann der Königin Maria Theresia. Er selbst war an Staatsgeschäften wenig interessiert, verstand sich jedoch aufs Geschäftliche in Landwirtschaft, Industrie und an der Börse. Nach 30 Jahren hinterließ er bei seinem Tod im Jahre 1765 ein Vermögen von 18,8 Millionen Gulden. 1820, frühere Jahre akzeptiert der Währungsrechner nicht, wären das fast 400 Millionen Euro gewesen. Das Erbe wurde gedrittelt: Gut zwei Drittel nahm Maria Theresia zur Sanierung der Staatsfinanzen, der Rest bildete den Grundstock für den habsburgischen Familienversorgungsfonds.
Eine Basis für die Trennung von Staats- und Privatbesitz war gelegt. Sie hielt bis zum Ende der Monarchie, als es an die tatsächliche Aufteilung ging: Vermögen wie Schloss Schönbrunn oder die Hofburg, über das sie als Herrscher verfügen konnten, fiel 1919 an die Republik; den Familienfonds mit Ländereien, Häusern, (oft wertlos gewordenen) Wertpapieren in Höhe von 50 bis 100 Millionen Euro kassierte die Republik am Ende wegen der Unbotmäßigkeiten (Kaiser) Karls 1919. Doch ihr Privatvermögen blieb den Habsburger-Erben.
Hundertprozentig trennscharf war die Trennung vorher nie. Staatliches Engagement und privates Wirtschaftsinteresse gingen ineinander über. Erzherzog Ferdinand betrieb nicht nur die größten Molkereien im Land, er war auch Oberbefehlshaber im Ersten Weltkrieg und belieferte seine Armee mit seiner "Teschener Erzherzoglichen Butter" (TEE-Butter). Er verdiente gut an der Versorgungskrise, bis Kaiser Franz Joseph dem Skandal ein Ende machte.
Skandale rund ums Kaiserhaus gab es genug: Oft musste der Kaiser aushelfen, wenn die staatliche Apanage nicht ausreichte, den aufwendigen und nicht immer geltenden Moralvorstellungen entsprechenden Lebensstil von Neffen und Nichten zu finanzieren. Waren sie doch von Stande wegen zum Nichtstun verurteilt. Das hatte schwerwiegende Folgen für manche, die nach dem Untergang der Monarchie in den 20er Jahren oft genug "im realen Leben kläglich scheiterten".
Das gilt in gewisser Weise bis hin zum letzten Kaiser Karl, der 1919 mit einem Teil des staatlichen Juwelenschatzes in die Schweiz türmte, die Pretiosen verhökerte, um seine Lebenshaltung zu finanzieren und zwei erfolglose Aufstände in Ungarn anzuzetteln. Andere Familienmitglieder arrangierten sich, zogen sich auf ihre Güter zurück. Manche der legendären Habsburger Juwelen erzielen bei Auktionen Millionenerlöse. Erzherzogin Elisabeth Marie, "Sissi"-Enkelin und schon 1888 als Sechsjährige mit 28 Millionen Euro ausgestattet, wurde zur Sozialistin und vererbte bei ihrem Tod 1963 den Großteil ihres Privatbesitzes dem Staat.
Unterreiner kennt sich aus mit den Habsburgern. Anderthalb Dutzend Bücher hat sie über die Dynastie und ihre Zeit verfasst, an vielen Filmen mitgewirkt. Jetzt hat sie ihren reich gespickten Zettelkasten neu sortiert und für wirtschaftshistorisch Interessierte lesenswert zusammengefasst. Mit dem Buch wendet sie sich an ein breites Publikum: Hier und da geraten die Aufzählungen ein wenig detailliert, hätte sich die Zusammenfassung ausufernder Zitate amtlicher Schriftstücke angeboten. Warum manche Gulden-Beträge in Euro umgerechnet werden, andere nicht, erschließt sich nicht. Auch hätte dem in der kaiserlichen Familie nicht im Detail Bewanderten eine Ahnentafel zur Einordnung geholfen. Am Ende ist ihr ein lesenswertes Buch gelungen, das interessante Einblicke in die Finanzbeziehungen einer kaiserlich-königlichen Familie gibt.
ANDREAS MIHM
Katrin Unterreiner, Habsburgs verschollene Schätze, Das geheime Vermögen des Kaiserhauses, Ueberreuter, Wien 2020, 199 Seiten, 23 Euro.
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