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Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gelten Hölderlins Gedichte der Jahre 1801-1805 als sein »eigentliches Vermächtnis« - und der Dichter-Priester Pindar als ihr antikes Vorbild. Winfried Menninghaus' Studie entdeckt in diesen Gedichten einen Komplex von Rhythmen, Themen und mythischen Horizonten, der ihr bislang übersehenes (Anti-)Gravitationszentrum darstellt und zugleich zu einer Revision des dominanten Hölderlin-Bildes zwingt. Die antike Referenz ist dabei nicht Pindar, sondern die Dichterin Sappho. Sapphos Pathographie von erotischen Obsessionen, Trennungssituationen und Erfahrungen des…mehr

Produktbeschreibung
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gelten Hölderlins Gedichte der Jahre 1801-1805 als sein »eigentliches Vermächtnis« - und der Dichter-Priester Pindar als ihr antikes Vorbild. Winfried Menninghaus' Studie entdeckt in diesen Gedichten einen Komplex von Rhythmen, Themen und mythischen Horizonten, der ihr bislang übersehenes (Anti-)Gravitationszentrum darstellt und zugleich zu einer Revision des dominanten Hölderlin-Bildes zwingt. Die antike Referenz ist dabei nicht Pindar, sondern die Dichterin Sappho. Sapphos Pathographie von erotischen Obsessionen, Trennungssituationen und Erfahrungen des Alterns, so wird gezeigt, ist von herausragender Bedeutung für die Definition dessen, was seit Ende des 18. Jahrhunderts »lyrisch« heißt, und Hölderlin hat einen erheblichen Anteil an dieser Selbstdefinition von »Lyrik« aus einer Beschäftigung mit der Dichterin.
Leitfaden der gesamten Studie ist das berühmte Gedicht Hälfte des Lebens, nach dessen Veröffentlichung im Jahr 1804 Hölderlin kein weiteres mehr selbst zum Druck gebracht hat. Die Studie integriert in die Analyse von Hölderlins materialer Arbeit an der Sprache die mythologischen Horizonte des Gedichts, Hölderlins Philosophie der »Schönheit« sowie zentrale Aspekte seiner Theorie der Dichtung.
Autorenporträt
Winfried Menninghaus, geboren 1952, ist Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften an der FU Berlin.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2005

In Sapphos Versfußstapfen
Winfried Menninghaus enthüllt Hölderlins Weiblichkeit

Je größer der Ruhm eines Dichters, desto kleiner dürfen die Entdeckungen seiner Exegeten sein, um Furore machen zu können. Bisweilen genügt dazu schon die ordentliche Formanalyse eines einzigen Verses - wenn man denn weitreichende Schlüsse aus ihr zieht. Daß aus fünf Hölderlin-Silben Stoff für ein ganzes Buch über die Poetik dieses Dichters zu gewinnen ist, führt jetzt Winfried Menninghaus vor, der am Berliner Peter-Szondi-Institut Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft lehrt.

Er hat sich Hölderlins Gedicht "Hälfte des Lebens" vorgenommen, das den schwermütigen Zustand jenes Wendepunktes ins Bild setzt, der heute unter der Bezeichnung Midlife-crisis alternde Gemüter beschäftigt. Nach der Sommerstimmung der ersten Strophe, wo gelbe Birnen von den Bäumen hängen und holde Schwäne ihr Haupt in den See tunken, zeichnet sich in der zweiten bereits ein dunkler Winter ab: "Die Mauern stehen / sprachlos und kalt, im Winde / klirren die Fahnen." Die besondere Aura dieses Poems ergibt sich aus der Tatsache, daß es zusammen mit acht weiteren "Nachtgesängen" zu den letzten Texten zählt, die Hölderlin 1804 noch selbst zur Publikation gab, bevor er die restlichen vier Jahrzehnte seines Lebens, geistig umnachtet, in der Tübinger Turmwohnung verbrachte. Daraus versuchte mancher Interpret hobbypsychologische Erkenntnisse über Hölderlins autoprognostische Kräfte zu schlagen. Selbst das Metrum, das auffallend häufige Wechsel aufweist, wurde dabei zum Indiz einer einsetzenden pathologischen Störung.

Menninghaus sieht das anders. Er geht von einem Beweis intakter Kunstfertigkeit aus, die sich gerade auf der Ebene der Metrik in der gekonnten Mischung all jener lyrischen Muster manifestiere, die Hölderlin zeit seiner Dichtung aus der Antike übernommen hatte. Und eben hier vermutet der Philologe einen blinden Fleck der Forschung. Generell gelten die Nachtgesänge wie die späten Hymnen als Erzeugnisse einer Phase, in der sich Hölderlin ganz dem antiken Vorbild Pindar hingegeben habe. Dessen Technik der "harten Fügung" brachte es mit sich, daß die pindarisch inspirierte Poesie mit dem Etikett des Männlichen konnotiert wurde. Damit ist jetzt Schluß. Denn Menninghaus will beweisen, daß es für Hölderlin gleichzeitig einen ebenbürtigen weiblichen Gegenpart gegeben habe, ein "(Anti-)Gravitationszentrum" namens Sappho.

Die wirkungsmächtige Lyrikerin lebte im siebten Jahrhundert vor Christus auf Lesbos und hinterließ mit ihrer stark emotionalen Dichtung rhythmische Schemata, die etwa in der sogenannten "sapphischen Strophe" die Kunst der Ode bis in die Moderne hinein bestimmten. Verehrt wurde Sappho nicht nur aufgrund ihrer poetischen und intellektuellen, sondern auch aufgrund ihrer erotischen Qualitäten; ihr unglückliches Ende als Selbstmörderin barg darüber hinaus Identifikationspotential für Melancholiker.

Explizite Reminiszenzen lassen sich bei Hölderlin denn auch leicht finden: In seiner "Hymne an die Menschheit" rühmt er die "lesbischen Gebilde", sein "Tränen"-Gedicht sollte ursprünglich "Sapphos Schwanengesang" heißen und dergleichen mehr - daß sich damit aber die programmatischen Bezugnahmen schon erschöpfen sollten, bezweifelt Menninghaus. Sapphos Präsenz, so lautet seine These, hat weiter gehende Ausmaße und verbirgt sich vor allem auch hinter formalen Entscheidungen. Die letzte Zeile der "Hälfte des Lebens", eine Kombination aus den Versfüßen Daktylus und Trochäus, identifiziert er als einen "Adoneus", den klassischen Schlußvers einer sapphischen Strophe, dessen Name sich aus der darin ursprünglich ausgedrückten Klage über den Tod des göttlich-schönen Adonis herleitet.

Das gibt zunächst Anlaß, über Hölderlins "Reformulierung der antiken Schönheitsmythe", über seine Theorie des Schönen generell und narzißtische Elemente im speziellen zu reflektieren. Doch worauf der Autor eigentlich zielt, ist die Lancierung eines "Projekts", das er "allegorische Metrik" nennt: Wer einen Adoneus verwendet, der huldigt letztlich Sappho auf sprachlose Art. Der Rhythmus wird zur heimlichen Mitteilung, die zwar historische Wissensbestände voraussetzt, aber um so unmittelbarer auf den Leser wirkt, wie schon Klopstock zu bedenken gab.

Was sich nun aus derlei interpretatorischer Raffinesse ergeben soll, ist nichts weniger als eine Geschlechtsumwandlung des Hölderlin-Bildes. Wenn am Ende des Gedichts zumindest vom Versmaß her ein Klageritus erscheint, den Frauen zu vollziehen pflegten, dann gewinnt das lyrische Ich eine weibliche Komponente. Das wiederum fügt sich ideal in produktions- wie rezeptionsästhetische Begleitumstände: Zum einen hat Hölderlin sein längstes Gedicht aus der Frauenperspektive geschrieben (und zwar die Briefe in Versform unter dem Titel "Emilie vor ihrem Brauttag"), zum anderen hatten schon die Zeitgenossen gerne seine "gefällige Weiblichkeit" hervorgehoben. Man könnte des weiteren auch Emanuel Geibel bemühen, der noch 1863 Hölderlin bezeichnenderweise eben mit einer sapphischen Ode würdigte. Indem Menninghaus für solche Versteckspiele sensibilisiert, will er zeigen, wie "prekär" die "weibliche Autorität in Kunst und Denken" stets gewesen ist, auch wenn Friedrich Schlegel die Zuordnung der Lyrik zur Sphäre des Weiblichen einst durchaus selbstbewußt vorgenommen hat. In Soldatentornister habe Hölderlin jedenfalls nur gelangen können dank der Pindar-Fixierung des ersten wissenschaftlichen Editors und dank des assimilierenden Männlichkeitskults im George-Kreis.

Es zeugt indes von einer imposanten Abgebrühtheit, daß bei dieser Verhandlungssache, wo es um geschlechtsspezifische Zuschreibungen kultureller Muster geht, kein einziges Mal das englische Wörtchen "gender" fällt, das seit vielen Jahren ganze Branchen der Geisteswissenschaften nährt. Vollends drittmitteluntauglich wirkt die Untersuchung zudem, wenn ihr Verfasser von der Methode des "close reading", eines betont textnahen Lesens, schwärmt, das vor einigen Jahren im "Text Club" der Yale University überhaupt den Anstoß für seine Gedichtinterpretation und damit für seine "Fragen geduldigerer Art" gegeben hat. Und schließlich gibt die Studie noch ein drittes Rätsel auf: Jeder Kulturpessimist würde doch mutmaßen, daß eine solch spezielle Abhandlung allenfalls unter einem reißerischeren Titel wie "War Hölderlin lesbisch? Schwäbische Metrosexualität um 1800" marktfähig wäre. Statt dessen liegen die etwas mehr als hundert Seiten, die weder den Radius noch den Duktus eines wissenschaftlichen Aufsatzes verlassen, als nüchterner "Versuch" in einer schmucken Ausgabe vor, die sich in gutsortierten Weihnachtsauslagen durchaus bewähren könnte. Das wirklich Erstaunliche dieses Buchs ist letztlich vor allem in seiner Eigenschaft als Buch zu suchen.

ROMAN LUCKSCHEITER.

Winfried Menninghaus: "Hälfte des Lebens". Versuch über Hölderlins Poetik. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 144 S., geb., 16,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.11.2005

Sappho und die Birnen
Was Hölderlins Mutter nicht zu fragen wagte: Wilfried Menninghaus fahndet nach dem Sinn der antiken Versform im Gedicht „Hälfte des Lebens”
Von Hans-Herbert Räkel
Großartig, wie es dem Autor gelingt, über ein einziges kurzes Gedicht auf nicht viel mehr als hundert Seiten mitten ins Wesen der Poesie vorzudringen! Wer schon einmal in seinem Leben von der Dichtung berührt worden ist und sich aus Liebe zu ihr oder auch nur aus Pflicht in ihren Gefilden ein wenig auskennt, wird belehrt und bereichert, ja begeistert und dankbar das Büchlein aus der Hand legen. Überdies ist es ein gewichtiger Beitrag zur Literaturwissenschaft und zur Literaturgeschichte, wenn man sich daran erinnert, dass der Name Hölderlin immer noch das unsägliche Klischee vom Dichter im Tornister der Soldaten des Ersten Weltkriegs wachruft.
Hölderlin bekommt hier sozusagen ein zweites Gesicht. Er eifert nicht mehr nur dem Dichter-Priester Pindar nach, sondern hat wichtige Züge seines Dichtens (und Denkens) in der intimeren äolischen Dichtung gefunden, welche Alkaios und vor allem Sappho im sechsten vorchristlichen Jahrhundert in Mytilene auf der Insel Lesbos schufen. Der Ausflug in die Antike ist hier freilich vor allem ein Anlass, das Grundproblem des dichterischen Sprechens neu aufzurollen: die Frage nach dem Sinn der Form.
Winfried Menninghaus findet es selber mutig, „ein Buch zu Geschichte und Signifikanz eines einzigen metrischen Kolons” zu schreiben, eben über den „Adoneus”, jenes sprachlich-rhythmische Muster, dessen „Erfindung” die poetische Sage der Dichterin Sappho zuschreibt, die mit diesem Rhythmus, „ô ton Adônin!” - Wéhe Adónis!, den rituellen Klageruf um den schönen Geliebten der Aphrodite ausdrückte. Denn dieses metrische Muster oder besser rhythmische Motiv strukturiert schon den Titel des Gedichts: „Hälfte des Lebens”, und es strukturiert auch dessen Schlussvers: „. . . im Winde / Klirren die Fahnen.”
Wohl nur noch ein weiteres kurzes Gedicht Hölderlins ist so bekannt, so anthologiefreundlich, und es bringt ebenfalls die autobiographische Saite zum Klingen: „An die Parzen”, die Schicksalsgöttinnen, die der Dichter bittet, ihm noch einen Sommer und einen Herbst „zu reifem Gesange” zu gönnen. Hölderlins Mutter soll daraufhin beunruhigt gefragt haben, ob der Sohn krank sei. Menninghaus greift seine Untersuchung von „Hälfte des Lebens” so erfrischend naiv an wie Hölderlins Mutter, nimmt den Text beim Wort und stellt als Erstes die Frage: „Ein Gedicht von der midlife crisis?” Das ist es freilich nur sehr bedingt. Eher noch scheint es eine Erfahrung auszudrücken, die Hölderlins ganzes Erwachsenenleben überschattet. Und warum es ein so vollkommenes Gedicht geworden ist, wird durch diese Frage natürlich gar nicht berührt.
Aber nun nimmt der Autor das Gedicht ebenso ernst beim Vers, wie er es vordem beim Wort genommen hatte, und weist sehr behutsam nach, dass eben jenes rhythmische Motiv des Adoneus eine Tradition und ein „Ethos”, das heißt eine Bedeutung, aufruft, für welche Sappho die Referenz ist, und mit ihr „das Eingedenken vergangenen Glanzes und einstiger Schönheit im Moment von Trennung und Abschiedsschmerz”. Eine solche Verbindung einer poetischen Form mit einem Bedeutungsinhalt lässt sich nicht strikt beweisen, aber Menninghaus tut, was möglich ist, um seine Interpretation nachvollziehbar zu machen. Es geht nicht etwa darum, den Adoneus als einen traurigen Rhythmus zu erweisen, sondern nachzuzeichnen, dass er für die Zeitgenossen der Sappho und die Nachgeborenen, dann vor allem für die Dichter und Denker an der Wende zum neunzehnten Jahrhundert, ein besonderes Bedeutungspotential besitzt. Dieser Versuch „in historischer Semantik der Formen” ist erhellend und plausibel.
Die nun folgenden Kapitel schreiten auf dem durch den (sapphischen) Adoneus gewiesenen Weg fort: Da erweist sich zuerst einmal Diotima, im Briefroman Hölderlins die Geliebte des Hyperion, der für die Befreiung Griechenlands von türkischer Herrschaft kämpft, als eine geistige Schwester Sapphos, so schön, so selbstständig und unabhängig und mit ebensolcher intellektueller Autorität ausgestattet. „Hölderlins Sappho” hat einen „kühnen, männlichen Geist”, aber wegen ihres Unglücks und ihrer Liebestrauer kann der Dichter sich auch mit ihr identifizieren. „Vom Adoneus zu Adonis” erinnert an den „Mythos von der leuchtenden Präsenz und der traurigen Abwesenheit der Schönheit”, der in der „Liebe der sozial höhergestellten und älteren Bankiersfrau Susette Gontard zu dem schönen Hauslehrer und Dichter” bis in Hölderlins eigene Biographie hineinzuspielen scheint.
Der Name Adonis fällt nicht im Gedicht „Hälfte des Lebens”, aber alles ruft nach ihm, und auf subtilste Weise der ihm geweihte Vers Adoneus. So erscheint das Gedicht mit seinen Bildern zwar wie direkt von der Natur inspiriert, aber die Worte („Mit gelben Birnen hänget / Und voll mit wilden Rosen / Das Land in den See . . .”) sind „mit einem gewaltigen Hof von Ungesagtem, von zurückgelegter Entfernung, von Leid, Anstrengung und Glück ihres Erscheinens umgeben”. Das kann man nicht richtiger und wohl auch kaum schöner sagen.
Hölderlins „Theorie” des Schönen wird nun klarer herausgearbeitet. Es lohnt sich, daran zu erinnern, dass der deutsche Idealismus der Schönheit philosophische, moralische und soziale Funktionen zutraute und dass Hölderlin eine religiöse Kraft in ihr wirken sah: nie ist sie freilich wirklicher als im Augenblick ihres Verschwindens. „Auch das Schöne muss sterben”, hatte Schiller gedichtet - es muss sterben, um in der Klage, im verewigten Begehren zu überleben.
Zwei Kapitel verfolgen die Spuren der beiden Exponenten der äolischen Lyrik, Alkaios und eben Sappho, die schon früh als zwei gegensätzliche Pole, männlich und weiblich, auftrumpfend und elegisch, verstanden worden sind. Die versrhythmischen Anspielungen charakterisiert Menninghaus treffend mit einem wunderschönen Satz Klopstocks: „Überhaupt wandelt das Wortlose in einem guten Gedicht umher wie in Homers Schlachten die nur von wenigen gesehnen Götter” - die aber gleichwohl den Ausgang der Schlacht bestimmen.
Der Adoneus und alles, was damit aufgerufen wird, ist in erster Linie nicht ein ästhetisches Phänomen der Antike und des Griechischen, sondern die Inkarnation eines nostalgisch-revolutionären Interesses um 1800. Menninghaus informiert immer wieder auch ausführlich über den Stand unseres Wissens zur antiken Metrik, jedoch nur um zu klären, was Hölderlins Zeitgenossen und er selber darunter verstanden haben. Die gewaltsame Ersetzung des griechisch-lateinischen Systems langer und kurzer Silben durch deutsche Wortakzente hat etwas im wahrsten Sinne des Wortes „Barbarisches”. Es ist dem Genie der Dichter zu verdanken, dass auf so hartem Boden so viel Schönheit erblüht ist.
Winfried Menninghaus
Hälfte des Lebens
Versuch über Hölderlins Poetik. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 142 Seiten,16,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Erstaunlich findet Rezensent Roman Luckscheiter dieses "schmucke" Buch, in dem es seinen Informationen zufolge "um nichts weniger als eine Geschlechtsumwandlung des Hölderlin-Bildes" geht. Wie Autor Wilfried Menninghaus dem Rezensenten überzeugend nachweisen konnte, ist Friedrich Hölderlin nur "dank der Pindar-Fixierung" seines ersten wissenschaftlichen Lektors und des "assimilierten Männlichkeitskults des Georgekreises" als Inbegriff männlichen Denkens in die Soldatentornister gelangt. Tatsächlich jedoch sei die Dichterin Sappho das Gravitationszentrum in Hölderlins Schaffen gewesen, und zwar nicht nur intellektuell, sondern auch erotisch. Ihr Ende als Selbstmörderin habe für den bekennenden Melancholiker ebenfalls großes Identifikationspotential gehabt. Von geradezu "imposanter Abgebrühtheit" ist aus Sicht des Rezensenten, dass in der Studie nicht einmal das Wort "gender" fällt. Staunend beugt sich Luckscheiter auch über die "interpretatorische Raffinesse", mit deren Hilfe der Autor hinter Hölderlins Lyrik eine "allegorische Metrik" ausmachen kann, und auf diesem Weg den Rhythmus des Gedichts zur heimlichen Mitteilung werden sieht. Insgesamt zeige Mennighaus mit seiner Studie, "wie prekär" die "weibliche Autorität in Kunst und Denken" stets gewesen sei.

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