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Pontius Pilatus ist eine Schlüsselfigur der Weltgeschichte. Am Kreuzweg von Römertum, Judentum und Christentum hat er ohne Wissen und Willen durch eine Routine-Entscheidung eine Bewegung ausgelöst, die - unbemerkt von den Zeitgenossen - das Bild der Menschheit veränderte. Pilatus gehört damit nicht weniger der theologischen als der historischen Wissenschaft an. Um die Voraussetzung und die unmittelbare Wirkung seines Urteils zu verstehen, ist die Erinnerung der Juden an das Davidsreich und ihre Messiaserwartung zu bedenken. Ferner spielen das Ausgreifen der Römer nach Osten und das System…mehr

Produktbeschreibung
Pontius Pilatus ist eine Schlüsselfigur der Weltgeschichte. Am Kreuzweg von Römertum, Judentum und Christentum hat er ohne Wissen und Willen durch eine Routine-Entscheidung eine Bewegung ausgelöst, die - unbemerkt von den Zeitgenossen - das Bild der Menschheit veränderte. Pilatus gehört damit nicht weniger der theologischen als der historischen Wissenschaft an. Um die Voraussetzung und die unmittelbare Wirkung seines Urteils zu verstehen, ist die Erinnerung der Juden an das Davidsreich und ihre Messiaserwartung zu bedenken. Ferner spielen das Ausgreifen der Römer nach Osten und das System ihrer Provinzialherrschaft, die Eigenart der biblischen und nichtbiblischen Quellen sowie die Ereignisfolge von Golgatha bis zur Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. eine wichtige Rolle. Die Frage, was geschehen wäre, wenn Pilatus Jesus verschont hätte, fordert von der historischen Phantasie denkbare Alternativen zum Verlauf der Geschichte. Ein Ausblick auf die Rolle des Pilatus im christlichen Glaubensb ekenntnis, in der Legende, der Literatur und in der Kunst rundet das Bild eines Mannes ab, von dem Nietzsche bemerkte, er sei die einzige Gestalt im Neuen Testament, die Respekt verdiene.
Autorenporträt
Demandt, Alexander
Dr. Alexander Demandt lehrte bis zu seiner Emeritierung als Professor für Alte Geschichte an der Freien Universität Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.04.2000

Der Weg in die Geschichte ist hart, und zu bereuen findet man nichts
Von Pilatus hat man sich dank der Bibel falsche Vorstellungen gemacht: Alexander Demandt wäscht ihn rein

Dass der sechzehnjährige Alexander Demandt am 8. August 1953 als Pfadfinder den Pilatus bei Bern "von der Nordseite über den Bandweg" erstieg, "voll Verachtung" für die seit 1888 den Berg ent-mythologisierende Zahnradbahn, ist signifikant. Auch um dem Politiker mit Namen Pilatus auf die Spur zu kommen, geht der Autor nicht den schnellen und bequemen Weg, sondern schreitet selbst Fuß um Fuß die Strecke ab. Und so wie er damals auf dem Gipfel des pileatus, des "bemützten" Berges, kein "tüfflisches gespenst und geisterwerk" (A. Lütolf: "Sagen, Bräuche und Legenden aus den fünf Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug, 1862) antraf, so ist ihm auch der römische Prokurator schlussendlich als römischer Beamter ohne besondere Teufeleien entgegengetreten. Und diese Behandlungsweise tut gut, denn sie holt jenen vom Kaiser in die rebellische Randprovinz Judäa geschickten Beamten Schritt um Schritt aus den Mythen, Verunglimpfungen und Heiligsprechungen von zwei Jahrtausenden in die Nüchternheit der Historie zurück.

Nur ist der Anmarschweg etwas lang. Mit Abraham im Mesopotamien des zweiten vorchristlichen Jahrtausends zu beginnen, um den von 26 bis 36 nach Christus in Palästina wirkenden Prokurator in seinem "größeren historischen Zusammenhang" zu beschreiben, wirkt wie eine Schilderung des Pilatus-Berges, die in der Po-Ebene begänne, nach einer Geschichte Italiens ins Tessin einschwenkte, dann den doppelt hohen Gotthard überwände und nach ausgiebiger Schilderung der konfessionellen und politischen Mythen und Legenden der Urschweiz eine Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee und ein Stück des Rütliweges absolvierte, bevor endlich das inzwischen immer unbedeutender gewordene Wahrzeichen Luzerns in den Blick käme.

Aber die Reise ist allemal nicht nur intellektuell vergnüglich, sondern auch brillant beschrieben, und die Routen sind zuverlässig abgesteckt, so dass man nie ins Leere läuft oder auf historisch sumpfiges Gelände gerät. Die Geschichte der vorstaatlichen Zeit Israels, dann der Könige Jerusalems und des Nordreiches Israel, die babylonische Exilzeit, die Rückkehr unter den Persern und das neue jüdische Königtum der Makkabäer/Hasmonäer und schließlich die sich diskret aufdrängende Macht der Römer, die im Verbund mit Herodes dem Großen und dessen Söhnen zu den alleinigen Herren dieser Randregion werden und mit Statthaltern oder Generälen ihre Herrschaft durchsetzen, ist mit großer Genauigkeit beschrieben. Auch die vielfältige religiöse Situation, von den Hochformen in Jerusalem und dem Tempel über die konfessionellen Gruppen der Pharisäer, Sadduzäer, der Essener (samt Qumran) und die prophetischen Aufbruchsbewegungen (wie die des Johannes des Täufers, Jesus von Nazareth, des Theudas und anderer) bis zu den Samaritanern und den griechischen und römischen Kulten werden korrekt beschrieben und oft im Detail aus der Perspektive des Historikers der Antike neu beleuchtet. Auf den ersten sechzig Seiten wird die Titelperson des Buches, wenn ich recht gezählt habe, nur sieben Mal und nebenbei erwähnt. Allerdings merkt man bereits, dass der zukünftige Held des Buches in Anbetracht der komplexen Probleme mit den Juden ziemlich überfordert sein wird, wenn er einmal in Aktion zu treten hat.

Proportional zur Textmenge kommt Pilatus bis jetzt ungefähr gleich häufig vor wie im Credo. Er hatte ja bis dahin auch noch nichts im Buch zu suchen. Dies weist auf ein Grundproblem aller Pilatus-Studien hin: Die Quellenlage ist eigentlich zu mager für ein ganzes Buch. Die "außerbiblischen Quellen" beschränken sich auf die Notizen des jüdischen Religionsphilosophen Philo von Alexandrien, des jüdischen Historikers Flavius Josephus (griechisches Original und altrussische Paralleltexte), ein ganz knappes Referat in den Annalen des Tacitus (um 64 nach Christus), einige wenige Münztypen mit ihrer leicht anstößigen Ikonographie und die fragmentarische Pilatus-Inschrift von Cäsarea am Meer. Das Neue Testament gibt uns noch die meisten Informationen in der Schilderung der Verhöre und der Hinrichtung Jesu. Und alle diese Informationsquellen sind schon vielfach genau untersucht, in den tendenziösen Elementen diskutiert und in ihr zeitgenössisches Gewebe eingefügt worden, wie die Arbeiten von Helen Bond (1998), Josef Blinzler (1969) und Erich Fascher (1950), die Demandt kennt und zitiert, beweisen. Wer darüber hinaus einen Pilatus-Roman schreibt oder einen Briefwechsel entwickelt, ist schon im Bereich jener apokryphen oder esoterischen Literatur, die sich seit den legendarischen und protokollarischen Texten der Antike um den historischen Pilatus entwickelt hat. Dies macht Demandt jedoch nicht.

Aber er schreibt ein eigenes Kapitel über das Thema: "Ist die Bibel ein Geschichtsbuch?" nennt er es und legt darin eine Bibelkunde vor, wie sie auch in den historisch-kritischen Schulen biblischer Exegese der letzten Jahrzehnte entwickelt wurde. Dies ist nichts Neues, denn auch der heutige wissenschaftliche Bibelforscher ist sich bewusst, dass Klio "eine heidnische Göttin" ist und eine möglichst saubere Trennung von Historie und heilsgeschichtlicher Deutung verlangt wird. Danach beschreibt Demandt die Messiaserwartungen der frühjüdischen Zeit, von den Visionen des Danielbuches bis zum zweiten jüdischen Krieg unter Bar-Kochba gegen die Römer, und situiert darin die mehr oder weniger aufständischen Bewegungen, die im Namen der alleinigen Herrschaft Gottes den Römern allesamt verdächtig waren und zum Opfer fielen.

Hierauf folgt eine Kurzfassung des Lebens und der Lehre Jesu, wobei mit den wunderbaren Aspekten vor der Geburt, während des Lebens und nach dem Tod im Namen einer sich notwendig an die "lückenlosen Gesetzmäßigkeiten der Natur" gebundenen historischen Wissenschaft radikal kritisch verfahren wird. Wenn aber dabei "Der historische Jesus" von Gerd Theissen und Annette Merz ins Gebet genommen wird, müsste zuerst der Wunderbegriff, wie er heute in der neutestament-lichen Wissenschaft gebraucht wird, zur Kenntnis genommen werden. Doch all dies hat auch wieder nichts mit Pilatus zu tun.

Der Pilatus, der sich schließlich in den Kapiteln 6 ("Pilatus als Statthalter") und 10 ("Die Passion") aus den vielfachen Zwiebelringen der antiken Literatur, der biblischen Exegese und der von Klio inspirierten Geschichtswissenschaft Demandts herausschält, ist nicht besonders profiliert: Er war zwar "keine Null", aber "ein durch nichts, aber auch gar nichts ausgezeichneter Verwaltungsmann", dessen historische Taten in den Rahmen eines Statthalters der römischen Macht passen, der zwar konsequent die Politik des Imperiums vertritt, diese aber mit Respekt vor den jüdischen Empfindlichkeiten nur vorsichtig durchsetzt: Wenn er Ehrenschilde nur mit der Nennung des Kaisers und seiner selbst im Herodespalast von Jerusalem anbringt oder die Standarten der römischen Soldaten verhüllt in die Stadt bringt, so sind dies nicht provokative Handlungen (auch wenn sie bei Philo von Alexandrien als solche gewaltig aufgebauscht werden), sondern bescheidene Formen der Selbstdarstellung, die nicht einmal direkt im Konflikt mit dem Bilderverbot der Juden gesehen werden können.

Oder wenn Pilatus Geld aus dem riesigen Tempelschatz entnimmt (wohl nicht ohne Zustimmung der verantwortlichen Hüter, die sich aus der auf Zusammenarbeit mit den Römern gedrillten Oberschicht rekrutierten), um einen Aquädukt vom Süden her in die wasserarme Stadt zu bauen, so kommt er damit der Pflicht eines guten Statthalters nach, gemeinnützige Anlagen zu schaffen, einen besseren Lebensstandard zu ermöglichen und hygienisch gute Verhältnisse zu schaffen. Gab Pilatus bei den ersten beiden Konfliktfällen nach, so blieb er beim dritten hart und schaffte dennoch nicht mit dem Schwert, sondern nur mit Knüppeln Ordnung. Der Aquädukt ist in Teilstücken noch bis heute auf dem Ostabhang des Zionshügels zu finden.

In ähnlicher Weise ist auch das Verhalten des Pilatus im Prozess Jesu beschrieben: Ein römischer Beamter, der sich nicht in die religiösen Querelen seiner jüdischen Untertanen einmischt, seinen Verhandlungsspielraum geschickt ausnützt, dem Angeklagten recht unvoreingenommen eine Chance lässt, dann aber im Namen der Staatsräson (nicht "der Wahrheit") und mit einem guten politischen Grund (der Königsprätention) die schwierige Situation mit einem Todesurteil beendet - den Juden und dem Kaiser Recht gebend.

Im Anbetracht der vielen Todesurteile, die im Laufe einer prokuratorischen Amtsausführung vollstreckt wurden, war dies - jenseits der Schuldfrage - eine Banalität. Die berühmte Szene von der Händewaschung als Unschuldsbeteuerung des Prokurators, die den Umschlag des Buches von Demandt ziert und den Titel abgibt, ist deshalb, wie Demandt ausführt, nur eine aus alttestamentlichen Texten wie Deuteronomium 21,6 und Psalm 26,6 hergeleitete "literarische Zutat", die der Römer Pilatus historisch nie als "demonstrative Beteuerung der eigenen Schuldlosigkeit" eingesetzt haben konnte, da sie ein typisch jüdisches Zeremoniell darstellt, um begangene Schuld loszuwerden.

"Hände in Unschuld" ist zwar ein suggestiver Titel, aber man merkt ihm nicht nur die nachträgliche Entstehung an ("bei einem familiären Pizza-Essen in Zehlendorf am 5. Februar 1999"), sondern er führt auch auf eine falsche Fährte: Wie wenn es Pontius Pilatus je um diese Frage gegangen wäre. Demandts mit großer Sachkenntnis geschriebenes Buch beantwortet zwar auch die Frage nach den Verantwortlichkeiten für den Prozess und den Tod Jesu, es hat seinen eigentlichen Wert aber vielmehr darin, dass es einem weiten Kreis interessierter Leser einen spannenden und zuverlässigen Einblick in die Geschichte des antiken Judentums und der Entstehung des Christentums ermöglicht, in der zwar Pilatus neben viel wichtigeren Gestalten nur eine punktuelle Rolle spielte, die aber ohne den Prokurator ganz anders verlaufen wäre.

Was wäre an die Stelle des Christentums getreten, wenn Pilatus durch einen Freispruch Jesu den Tod und damit die das Christentum begründende Auferstehung verhindert hätte? Die Welt, so vermutet Demandt, hätte vielleicht großenteils einem universalen Sonnenkult angehangen, sie wäre womöglich mithraisiert worden, vielleicht auch zum Judentum konvertiert. Dies sind tatsächlich "müßige Spekulationen" einer kontrafaktischen Geschichtsschreibung, machen aber im Gedankenspiel von einer neuen Seite her deutlich, dass Pilatus eine nur aus Zufall wichtige Person der Weltgeschichte gewesen ist. Er steht deshalb "nicht umsonst im Credo". Dass er dadurch aber zum täglich millionenmal zitierten "Paradoxon für die Christen, die Juden, die Römer und die Historiker" wurde, hat er dem Verurteilten zu verdanken, durch den er ins Credo gekommen ist und für den er dort bis heute den Dienst der historischen Verankerung leistet.

MAX KÜCHLER

Alexander Demandt: "Hände in Unschuld". Pontius Pilatus in der Geschichte. Böhlau Verlag, Köln, Weimar 1999. 290 S., geb., 48,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer sehr umfangreichen Rezension widmet sich Max Küchler diesem Buch, das er für sehr empfehlenswert hält. Er bescheinigt dem Autor nicht nur erheblichen Sachverstand, sondern hebt vor allem hervor, dass hier mit so manchen Mythen und Legenden aufgeräumt werde. Dabei geht Demandt auch recht ausführlich auf die historischen Zusammenhänge ein und bietet einen "spannenden und zuverlässigen" Einblick in die Geschichte des antiken Judentums und der Entstehung des Christentums, lobt Küchler. Die Rolle des Pilatus wird dadurch - vielleicht eher indirekt - deutlich, indem der Autor aufzeigt, welche Kompromisse Pilatus als Statthalter Roms eingegangen ist, der einerseits "konsequent" das Imperium unterstützt, andererseits aber auch "jüdischen Empfindlichkeiten" Rechnung trägt. Interessant erscheint dem Rezensenten unter anderem besonders die Ausführung Demandts über die Handwaschung, die seiner Ansicht nach ein "typisch jüdisches" Zeremoniell sei, mit dem man sich eher von Schuld reinigen als Schuldlosigkeit demonstrieren wolle. Insgesamt zeige sich in diesem Buch, dass Pilatus nicht viel mehr oder weniger als ein Verwaltungsmann war, der sein Amt gewissenhaft auszufüllen versuchte, aber auch nicht durch Brillanz auffiel. Dass er dennoch eine bedeutende Figur in der Weltgeschichte wurde, sei eher dem Zufall zu verdanken.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.04.2012

Pilatus und die
Kreuzigung
Die Kreuzigung von Jesus von Nazareth im Jahr 30 nach Christi Geburt war eine ziemlich gewöhnliche Polizeimaßnahme der römischen Besatzungsmacht in Judäa. Der Präfekt Pontius Pilatus war einer von vielen Provinzialstatthaltern, die ähnlich gehandelt hätten. Und doch wäre ohne seine Entscheidung, den messianischen Aufrührer Jesus auf Antrag des jüdischen Hohepriesters hinrichten zu lassen, die Weltgeschichte anders verlaufen.
Der Althistoriker Alexander Demandt hat vor einigen Jahren eine gründliche Monographie über Pontius Pilatus vorgelegt und fasst die Ergebnisse jetzt sehr zugänglich zusammen. Es ist historisch unwahrscheinlich, so erfahren wir, dass Pilatus versucht hat, die Kreuzigung abzuwenden, so wie es die Evangelien zu seiner Entlastung berichten – kein „Ecce homo“, kein „Was ist Wahrheit?“, kein „Ich finde keine Schuld an ihm“. Johan Schloemann
Alexander Demandt:
Pontius Pilatus. Verlag C. H. Beck (Reihe Wissen), München 2012. 128 Seiten, 8,90 Euro.
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