Mancher wird erstaunt sein zu hören, dass einheimische Großmütter in Afrika immer noch uns vertraute Märchen erzählen, und zwar nicht in Büchern gelesene, sondern wiederum von den eigenen Großmüttern gelernte. Wir begegnen Hänsel und Gretel, Einäuglein und der klugen Bauerstochter und weniger bekannten Märchenfiguren wie der treulosen Schwester und der hölzernen Frau. Der Autorin ist es gelungen, in Namibia noch fast 90 international bekannte Märchentypen aufzuspüren. In diesem Band bringt sie 45 von ihr aufgenommene und flüssig übersetzte Texte, eine faszinierende Mischung von altbekannten Stoffen und afrikanischer Umgestaltung; denn die Helden sind zu Einheimischen und der Märchenkönig zum Farmer geworden: Die Menschenfresserin und die Schulkinder / Der Schlangensohn / Die drei Wünsche / Das wunderbare Vogelherz / Der Wahrsager, der Zimmermann, der Dieb und der Schütze / Die hölzerne Frau / „Wir drei!“ / Siebenkopfs Tochter / Die Krähe als Arzt / Das gute und das schlechte Mädchen / Die Eierkinder und ihre Schwester / Die drei geraubten Prinzessinnen / Der Garten des Löwen / Die Lügenkleider des Schakals / Der Schakal als Geigenlehrer / Der Soldat und das Ungeheuer / Die kluge Tochter / Der Sack, der Spiegel und das Wasser / Die böse Schwester / Die Zwillingssöhne des Fischers / Das Mädchen ohne Arme / Der dankbare Tote / Der arme Junge und die Rätselprinzessin / Das Kalb Selan / Der arme Junge und sein Kalb / Der Waisenjunge, die Ziege und das Kalb / Die schwatzhafte Frau / Der Ovambo, der kein Afrikaans verstand / Der König und seine sechs Töchter / Lieb wie das Salz / Die vier Wanderer / Die Sonne bringt es an den Tag / Der Junge mit der Sonne und dem Mond / Die Zwillingssöhne mit Mond und Stern auf der Brust / Die Königstochter und das Apfelwerfen / Die Königstochter und das Pferdespringen / Der Bär, der Duiker und das Vögelchen / Die Zwillingsbrüder Jannie und Pieter / Die Königstochter und die sechsköpfige Schlange / Das Tischleindeckdich und die Spukteufel / Die fliegende Blume / Der Mann mit dem Hundefell / Der schweigende Vater und der kühne junge Mann / Die endlose Geschichte / Opesa haba ge uhâ i aob xa = Von dem Mann, der ein träges Pferd hatte (Nama/Deutsch). Im zweiten und dritten Teil geht die Autorin der Frage nach, wie diese Märchen nach Namibia gelangten. Sie stellt fest, dass mindestens drei Dutzend aus dem mündlichen afrikaansen Erzählschatz stammen, den die Siedler im 17. und 18. Jahrhundert aus Europa ans Kap mitbrachten und der oft schon im vorigen Jahrhundert mit den Schwarzen aus Südafrika nach Namibia weiterwanderte. So ist Namibia heute Rückzugsgebiet für afrikaans-europäische Märchen, die in anderen Ländern meist nur noch in Buchfassungen existieren. Durch genaue Vergleiche zeigt die Autorin, dass am Kap die Märchen einst sogar in mehreren Fassungen nebeneinander existiert haben müssen. Gleichzeitig weist sie nach, wie in Namibia auch asiatische Märchen aus Indien und Indonesien noch lebendig sind. In ihrem 2013 in Neuauflage vorgelegten „Catalogue of the Khoisan Folktales of Southern Africa“ behandelt Sigrid Schmidt in unserer Schriftenreihe „Quellen zur Khoisan-Forschung“ alle von Khoisan erzählten und mündlich überlieferten Geschichten. Der zwei Teilbände des Kataloges sind einzeln wie auch gemeinsam lieferbar, siehe nachfolgende Verweise: „Catalogue of the Khoisan Folktales of Southern Africa. Part I + II“ (ISBN 978-3-89645-870-4) „Catalogue of the Khoisan Folktales of Southern Africa. Part I“ (ISBN 978-3-89645-871-1) „Catalogue of the Khoisan Folktales of Southern Africa. Part II“ (ISBN 978-3-89645-872-8).