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In den Bildern der Malerin Rango Bohne hat Jürgen Becker schon oft seine Motive für Gedichte und Prosastücke gefunden. Drei Bücher sind so entstanden: Fenster und Stimmen (1982), Frauen mit dem Rücken zum Betrachter (1989), Korrespondenzen mit Landschaft (1996). In diesem, dem vierten gemeinsamen Buch, sind es wiederum die Bilder, die den Texten vorangegangen sind. Über mehrere Jahre hinweg arbeitete Rango Bohne an einer Folge von Bildern, Collagen zumeist, in denen sich architektonische und landschaftliche Elemente zu eigenartigen Zusammenhängen von Gebäuden und Umgebungen verbinden. Aus…mehr

Produktbeschreibung
In den Bildern der Malerin Rango Bohne hat Jürgen Becker schon oft seine Motive für Gedichte und Prosastücke gefunden. Drei Bücher sind so entstanden: Fenster und Stimmen (1982), Frauen mit dem Rücken zum Betrachter (1989), Korrespondenzen mit Landschaft (1996). In diesem, dem vierten gemeinsamen Buch, sind es wiederum die Bilder, die den Texten vorangegangen sind. Über mehrere Jahre hinweg arbeitete Rango Bohne an einer Folge von Bildern, Collagen zumeist, in denen sich architektonische und landschaftliche Elemente zu eigenartigen Zusammenhängen von Gebäuden und Umgebungen verbinden. Aus realen Materialien sind dabei imaginäre Gebilde entstanden, visuelle Erfindungen von Häusern, Siedlungen, Städten, deren poetisch-erzählerischer Reiz die Imagination des Autors hervorgerufen hat. Jürgen Beckers Texte suchen in den Bildern nach Impulsen, die sich in Wörter und Sätze übersetzen lassen, in Formen von Prosa. Bilder und Texte haben gemeinsam das Motiv der Häuser, und während Rang o Bohne visuelle Erfahrungen mitteilt, spricht Jürgen Becker vom real Erlebten, von Einbildungen, Träumen und Erinnerungen. Fünfunddreißig Bilder und ebenso viele Texte, die so entstandene Anzahl von siebzig Arbeiten korrespondiert mit den siebzig Lebensjahren, die Malerin und Autor im Jahr 2002 erreichen. Mit "Häuser und Häuser" ist beiden ein Werk gemeinsamer künstlerischer Arbeit geglückt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.06.2002

Wellenschlag der Ostsee
Lyrisches Zwiegespräch: Jürgen Becker und Rango Bohne

Das Zwiegespräch zwischen der Malerin Rango Bohne und dem Autor Jürgen Becker dauert nun schon zwei Jahrzehnte. Sie sind miteinander verheiratet, und so entstammen ihre gemeinsamen Bücher im doppelten Sinne einer Ehe von bildender Kunst und Literatur. Zu den bisherigen gemeinsamen Büchern "Fenster und Stimmen" (1982), "Frauen mit dem Rücken zum Betrachter" (1989) und "Korrespondenzen mit Landschaften" (1996) ist nun der Band "Häuser und Häuser" (mit 35 Bildern und 35 Prosatexten) hinzugekommen.

Die Malerin Rango Bohne sorgt für das Fundament, sie gibt dem Lyriker und Prosaautor Impulse für den Text, sie weckt seine Einbildungskraft und Assoziationslust. Doch Beckers Texte sind keine Beschreibungen der Bilder, keine Legende zum Bild. Weder ist die Malerei eine Hilfskunst der Literatur noch diese eine Hilfskunst der Malerei. Beide treten in Korrespondenz miteinander, bleiben aber selbständig. Doch lebt ja auch die nichtabstrakte, die anschauliche Sprache von Bildern. Wesentliches Merkmal dichterischer Sprache ist gerade ihre Bildkräftigkeit. Was der Maler im Gemälde oder in der Zeichnung fürs Auge realisiert, entwirft dichterische Sprache fürs "innere Auge" des Lesers. Und zumal die poetische Sprache zeichnet sich von jeher durch Reichtum an Sprachbildern aus.

Bohnes Bilder sind zumeist Collagen. Diese reizt die Assoziationslust in besonderer Weise. Sie ist etwas Zusammengesetztes, arbeitet mit Fertigteilen, mit Bruchstücken, die in ein neues, widersprüchliches Ganzes eingehen. Ihr Kennzeichen ist die Polyperspektivität, die bloßes genußvolles Schauen verwehrt. An Bauwerke, die riesigen Grabmälern ähneln, knüpft sich ein Albtraum von der Zerstörung der Stadt durch Luftangriffe, die der Autor als Kind erlebte. Aber seine Reflexion läßt nicht nur die Ängste, sondern auch die Lust des Jungen an Abenteuer und Gefahr gegenwärtig werden. Das Unbegriffene der Schreckenssituation wird ihm deutlich an der Reaktion eines gleichaltrigen Freundes, der bei der Nachricht von zwölf Toten im Nachbarkeller nur dachte: "Jetzt fällt heute nachmittag die Klavierstunde aus." Mit dem Anblick von Hochhäusern, in denen nur einzelne Fenster erleuchtet sind, assoziiert Becker die Meldung, daß wieder einmal ein Toter vierzehn Tage unentdeckt in seinem Apartment gelegen hat. Auf den Korridoren ist ausgestorben, was man Nachbarschaft nennt.

Ein Kunsterlebnis kann sich dem Gedächtnis als eine Wirklichkeitserfahrung einprägen. Das schönste Textstück aber hat seinen Assoziationsanlaß im Bild vom Ufer mit Häusern. Der Autor imaginiert eines der Häuser als dasjenige an der englischen Küste, in dem ein Freund - Uwe Johnson - starb. Das Gedenken verschränkt sich mit den Erinnerungen an eine Fahrt die mecklenburgische Küste entlang. "Der Wellenschlag der Ostsee macht ein Geräusch, das die Stimme des Toten zitiert."

Dem Verdacht billiger Aktualisierung müssen die Ansicht stürzender Wolkenkratzer und der begleitende Text entrückt werden. Das Bild ist 1998 entstanden, der Text wenig später. Dem Autor fällt bei einem Flug über Manhattan sein kindliches Spiel mit Dominosteinen wieder ein. Er baute aus ihnen eine imaginäre Stadt und zerstörte dann mit gleichem Vergnügen seine Architektur. Wir können heute das Bild nicht sehen und den Text nicht lesen, ohne an den 11. September zu denken. Aber die Bild-Text-Komposition illuminiert etwas Allgemeineres: eine dem Menschen offenbar angeborene Zerstörungslust.

Wie die Malerin mit ihren Collagen die Einbildungskraft des Autors aufruft, so animieren umgekehrt natürlich auch die Texte Jürgen Beckers die Bildphantasie Rango Bohnes. In ihrer Zusammenarbeit gewähren sich beide ein großes Maß an Freiheit. So gerät der Band "Häuser und Häuser" zu einem weiteren Beispiel für das sinnerweiternde Wechselspiel der Künste.

Jürgen Becker/Rango Bohne: "Häuser und Häuser". Fünfunddreißig Prosatexte, fünfunddreißig Bilder. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 78 S., geb., 34,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als "Beispiel für das sinnerweiternde Wechselspiel der Künste" bezeichnet Rezensent Walter Hinck das Buch des Künstlerpaares. Malerin Rango Bohne sorgt für das Fundament, in dem sie dem Lyriker und Prosaautor Jürgen Becker mit ihren Bilder und Collagen Impulse gibt, seine Einbildungskraft und Assoziationslust weckt. Becker wiederum entwirft mit seiner Sprache Bilder fürs innere Auge des Lesers. So stellt sich für den Rezensenten die Arbeitsteilung der beiden dar. An Bilder von Bauwerken beispielsweise, die riesigen Grabmälern ähnelten, knüpft Becker, so Hinck, den Alptraum einer als Kind erlebten Zerstörung der Stadt durch Luftangriffe. Eine Ansicht einstürzender Hochhäuser samt Text, der beim Anblick von Manhattan die Lust an zusammen stürzenden Dominosteinen in der Kindheit imaginiert, nimmt der Rezensent vor dem Vorwurf "billiger" Aktualisierung des 11. Septembers in Schutz. Sein Lieblingsstück handelte vom Haus an der englischen Küste, in dem der Freund des Paares Uwe Johnson starb.

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