Zutiefst britischer Humor seziert Frankreichs erfolgreichsten Exportschlager: Zehn Jahre lang hat Les Woodland in der hundertjährigen Geschichte der Tour de France gegraben. Jetzt erzählt er mit feinem Gespür für die viel sagenden Details die Haar sträubendsten Geschichten, die sich hinter all jenen Legenden verbergen, die das berühmteste Radrennen der Welt längst in den Stand eines Mythos erhoben haben.
Es ist eine kritische Hommage, mit der Woodland seine staunenden Leser auf eine Zeitreise entführt, die immer wieder die Grenze zum Un- und Übermenschlichen streift. In "Halbgötter in Gelb" entfaltet sich eine wundersame Welt voll obskurer Akteure, Requisiten und Dramen: sadistische Tourdirektoren, mit Reitpeitschen bewaffnete Radsportler, Champagner in Trinkflaschen, Teufelsritte im Hochgebirge, zum Bersten gefüllte Arzneimittelköfferchen, heroische Pechsträhnen und französische Friedhöfe. Nichts und niemand kommt in diesem Lesebuch zu kurz.
Es ist eine kritische Hommage, mit der Woodland seine staunenden Leser auf eine Zeitreise entführt, die immer wieder die Grenze zum Un- und Übermenschlichen streift. In "Halbgötter in Gelb" entfaltet sich eine wundersame Welt voll obskurer Akteure, Requisiten und Dramen: sadistische Tourdirektoren, mit Reitpeitschen bewaffnete Radsportler, Champagner in Trinkflaschen, Teufelsritte im Hochgebirge, zum Bersten gefüllte Arzneimittelköfferchen, heroische Pechsträhnen und französische Friedhöfe. Nichts und niemand kommt in diesem Lesebuch zu kurz.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.07.2003Nicht alle Helden tragen Gelb - Geschichten aus der Velo-Welt
Eine sitzende Tätigkeit, bei der man sich schon mal hinlegt? Radfahren. Und lesen. "Merkwürdig, wie wenige Belletristen sich mit der Tour de France beschäftigen", schreibt der Literaturprofessor Wilfried F. Schoeller. Er hilft dem Mangel ab, indem er selbst in die Tasten greift. Schoellers Buch ist nicht das Nachschlagewerk geworden, das sein Verlag unter dem Titel "Kleines Lexikon der Tour-Mythen" vermarktet. Der Autor erzählt, und er tut es gründlich und originell. Lediglich die Gliederung wirkt streng wie ein Lehrbuch: die Etappen, das Feld, das Gelbe Trikot et cetera. Sogar dem größten Rennfahrer der DDR widmet Schoeller ein Kapitel, denn: "Täve Schur ist der stummste aller Tour-Helden: der Sieger, der nicht fahren durfte." Darauf muß man erst mal kommen. Schoeller betrachtet die Tour mit Respekt und ohne sich und seine Begeisterung allzu ernst zu nehmen; natürlich beginnt er mit Kindheitserinnerungen. Distanz und Kenntnis lassen ihn Epos mit Epo zusammenbringen, und Doping behandelt er unter der Überschrift: "Die Sächelchen".
Der Verlag Die Werkstatt tritt mit "Nicht alle Helden tragen Gelb" zur Tour an. Glücklicherweise erzählen Ralf Schröder und Hubert Dahlkamp geradliniger von Siegern, Verlierern und anderen Hauptdarstellern, als es der verwinkelte Titel suggeriert. Sie folgen dem Rennen Jahr für Jahr, finden schöne Anekdoten und Schwarzweißbilder und behalten doch, wie sich das gehört, die Gesamtwertung im Auge. Das Buch stützt die Vermutung des Literaturwissenschaftlers: "Vielleicht hat die Tour so wenig ernst zu nehmende Romane geboren, weil sie alles vorführt, was sie ist. (. . .) Die Reportage ist der ihr angemessenste literarische Ausdruck: registrieren, was ist, auf dieser Strecke von Augenblicken." Detailfreudige Tourgeschichte(n) ergänzen lesenswerte Kapitel über berühmte Anstiege und über die Abgründe des Dopings, ein Fahrerlexikon sowie ein enormer statistischer Anhang.
Vom französischen Standardwerk, der dreibändigen Ausgabe "100 Jahre Tour de France", mit der Wiedergabe zeitgenössischer Artikel von "L'Auto" und "L'Equipe" sind in der deutschen Bearbeitung fast nur die phantastischen Bilder geblieben. Der Esprit des Originals ist uninspirierten Zusammenfassungen gewichen. Die drei französischen Bände kosten nur zwanzig Euro mehr als der deutsche.
Mit einem Stapel Bücher tritt der junge, allein dem Radsport gewidmete Verlag covadonga unter dem Motto "the whole world's a racecourse" an. Ihm gebührt das Verdienst, das mehr als zehn Jahre alte Enthüllungsbuch des Radprofis Paul Kimmage, "Rough Ride", auf deutsch zugänglich zu machen - Erfahrungen aus einer Zeit vor Epo, die hier heißen: "Rauhbeine rasiert". Der Radsportjournalist Helmer Boelsen, Mitarbeiter dieser Zeitung, veröffentlicht bei covadonga "Unter Engeln und Kannibalen" und der Humorist Tim Moore seine Erlebnisse beim Abfahren der Tour 2000. "Halbgötter in Gelb" des Briten Les Woodland ist ein originelles Lesebuch zur Tour: Mehr Fan als Chronist, bereitet sich der Autor auf manche Interviews mit der Anfahrt auf dem Fahrrad vor.
Radfahrer leben ohnehin in der besseren Welt, gar nicht zu vergleichen mit der der Radrennfahrer. Die aus eigenem Antrieb unter die Räder genommenen Wege haben nicht Etappenziele, sondern sind der Antrieb zu einem sanft bewegten Leben. Je schwerer das Fahrrad, je abgestoßener, desto besser, schreibt etwa Giovanni Guareschi in seinem "Don Camillo": "Dann erst wird das Fahrrad ein wesentlicher Bestandteil der Landschaft und erweckt nicht den leisesten Gedanken, es könnte nur zur Schaustellung dienen, wie die Rennmodelle von Fahrrädern, die im Vergleich zu den richtigen Rädern ungefähr das sind, was die billigen kleinen Tänzerinnen im Vergleich zu den braven und handfesten Hausfrauen sind." Michael Rudolf gebührt das Verdienst, die Passage gefunden zu haben für seine Anthologie "Das Fahrradbuch" bei Reclam. Sie enthält erstaunlicherweise nur eine Überschneidung mit "Die besten Fahrradgeschichten", die Bettina Feldweg bei Malik herausgegeben hat.
mr.
Besprochene Bücher: Ralf Schröder/Hubert Dahlkamp: Nicht alle Helden tragen Gelb - Die Geschichte der Tour de France, Verlag Die Werkstatt, 384 Seiten, gebunden, 24,90 Euro; 100 Jahre Tour de France - aus den Archiven von L'Equipe, Delius Klasing Verlag, 336 Seiten im Großformat, 29,90 Euro; Wilfried F. Schoeller: Kleines Lexikon der Tour-Mythen - Triumphe, Kuriositäten und Rekorde, Eichborn Verlag, 192 Seiten, 13,95 Euro; Les Woodland: Halbgötter in Gelb - das Lesebuch zur Tour de France, covadonga-Verlag, 282 Seiten, Taschenbuch, 16,90 Euro; Helmer Boelsen: Unter Engeln und Kannibalen - Die schönsten Geschichten aus 55 Jahren Radsportjournalismus, Taschenbuch, covadonga-Verlag, 320 Seiten, 19,80 Euro; Paul Kimmage: Raubeine rasiert - Bekenntnisse eines Domestiken, 318 Seiten, 14,50 Euro; Tim Moore: Alpenpässe und Anchovis - eine exzentrische Tour de France, covadonga-Verlag, 312 Seiten, 19,80 Euro; Michael Rudolf (Hg.): Das Fahrradbuch - bewegte Geschichten, 176 Seiten mit Illustrationen von Ernst Kahl, Reclam Verlag, 8,90 Euro; Bettina Feldweg (Hg.): Die besten Rad-Geschichten, Malik-Verlag, 315 Seiten, 16,90 Euro; Rolf Gölz: Mythos Klassiker - Eine Hommage an die großen Eintagesrennen, 287 Seiten, 21,40 Euro; Jean-Paul Ollivier: Giganten des Radsports, Delius Klasing Verlag, 176 Seiten, 22,90 Euro.
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Eine sitzende Tätigkeit, bei der man sich schon mal hinlegt? Radfahren. Und lesen. "Merkwürdig, wie wenige Belletristen sich mit der Tour de France beschäftigen", schreibt der Literaturprofessor Wilfried F. Schoeller. Er hilft dem Mangel ab, indem er selbst in die Tasten greift. Schoellers Buch ist nicht das Nachschlagewerk geworden, das sein Verlag unter dem Titel "Kleines Lexikon der Tour-Mythen" vermarktet. Der Autor erzählt, und er tut es gründlich und originell. Lediglich die Gliederung wirkt streng wie ein Lehrbuch: die Etappen, das Feld, das Gelbe Trikot et cetera. Sogar dem größten Rennfahrer der DDR widmet Schoeller ein Kapitel, denn: "Täve Schur ist der stummste aller Tour-Helden: der Sieger, der nicht fahren durfte." Darauf muß man erst mal kommen. Schoeller betrachtet die Tour mit Respekt und ohne sich und seine Begeisterung allzu ernst zu nehmen; natürlich beginnt er mit Kindheitserinnerungen. Distanz und Kenntnis lassen ihn Epos mit Epo zusammenbringen, und Doping behandelt er unter der Überschrift: "Die Sächelchen".
Der Verlag Die Werkstatt tritt mit "Nicht alle Helden tragen Gelb" zur Tour an. Glücklicherweise erzählen Ralf Schröder und Hubert Dahlkamp geradliniger von Siegern, Verlierern und anderen Hauptdarstellern, als es der verwinkelte Titel suggeriert. Sie folgen dem Rennen Jahr für Jahr, finden schöne Anekdoten und Schwarzweißbilder und behalten doch, wie sich das gehört, die Gesamtwertung im Auge. Das Buch stützt die Vermutung des Literaturwissenschaftlers: "Vielleicht hat die Tour so wenig ernst zu nehmende Romane geboren, weil sie alles vorführt, was sie ist. (. . .) Die Reportage ist der ihr angemessenste literarische Ausdruck: registrieren, was ist, auf dieser Strecke von Augenblicken." Detailfreudige Tourgeschichte(n) ergänzen lesenswerte Kapitel über berühmte Anstiege und über die Abgründe des Dopings, ein Fahrerlexikon sowie ein enormer statistischer Anhang.
Vom französischen Standardwerk, der dreibändigen Ausgabe "100 Jahre Tour de France", mit der Wiedergabe zeitgenössischer Artikel von "L'Auto" und "L'Equipe" sind in der deutschen Bearbeitung fast nur die phantastischen Bilder geblieben. Der Esprit des Originals ist uninspirierten Zusammenfassungen gewichen. Die drei französischen Bände kosten nur zwanzig Euro mehr als der deutsche.
Mit einem Stapel Bücher tritt der junge, allein dem Radsport gewidmete Verlag covadonga unter dem Motto "the whole world's a racecourse" an. Ihm gebührt das Verdienst, das mehr als zehn Jahre alte Enthüllungsbuch des Radprofis Paul Kimmage, "Rough Ride", auf deutsch zugänglich zu machen - Erfahrungen aus einer Zeit vor Epo, die hier heißen: "Rauhbeine rasiert". Der Radsportjournalist Helmer Boelsen, Mitarbeiter dieser Zeitung, veröffentlicht bei covadonga "Unter Engeln und Kannibalen" und der Humorist Tim Moore seine Erlebnisse beim Abfahren der Tour 2000. "Halbgötter in Gelb" des Briten Les Woodland ist ein originelles Lesebuch zur Tour: Mehr Fan als Chronist, bereitet sich der Autor auf manche Interviews mit der Anfahrt auf dem Fahrrad vor.
Radfahrer leben ohnehin in der besseren Welt, gar nicht zu vergleichen mit der der Radrennfahrer. Die aus eigenem Antrieb unter die Räder genommenen Wege haben nicht Etappenziele, sondern sind der Antrieb zu einem sanft bewegten Leben. Je schwerer das Fahrrad, je abgestoßener, desto besser, schreibt etwa Giovanni Guareschi in seinem "Don Camillo": "Dann erst wird das Fahrrad ein wesentlicher Bestandteil der Landschaft und erweckt nicht den leisesten Gedanken, es könnte nur zur Schaustellung dienen, wie die Rennmodelle von Fahrrädern, die im Vergleich zu den richtigen Rädern ungefähr das sind, was die billigen kleinen Tänzerinnen im Vergleich zu den braven und handfesten Hausfrauen sind." Michael Rudolf gebührt das Verdienst, die Passage gefunden zu haben für seine Anthologie "Das Fahrradbuch" bei Reclam. Sie enthält erstaunlicherweise nur eine Überschneidung mit "Die besten Fahrradgeschichten", die Bettina Feldweg bei Malik herausgegeben hat.
mr.
Besprochene Bücher: Ralf Schröder/Hubert Dahlkamp: Nicht alle Helden tragen Gelb - Die Geschichte der Tour de France, Verlag Die Werkstatt, 384 Seiten, gebunden, 24,90 Euro; 100 Jahre Tour de France - aus den Archiven von L'Equipe, Delius Klasing Verlag, 336 Seiten im Großformat, 29,90 Euro; Wilfried F. Schoeller: Kleines Lexikon der Tour-Mythen - Triumphe, Kuriositäten und Rekorde, Eichborn Verlag, 192 Seiten, 13,95 Euro; Les Woodland: Halbgötter in Gelb - das Lesebuch zur Tour de France, covadonga-Verlag, 282 Seiten, Taschenbuch, 16,90 Euro; Helmer Boelsen: Unter Engeln und Kannibalen - Die schönsten Geschichten aus 55 Jahren Radsportjournalismus, Taschenbuch, covadonga-Verlag, 320 Seiten, 19,80 Euro; Paul Kimmage: Raubeine rasiert - Bekenntnisse eines Domestiken, 318 Seiten, 14,50 Euro; Tim Moore: Alpenpässe und Anchovis - eine exzentrische Tour de France, covadonga-Verlag, 312 Seiten, 19,80 Euro; Michael Rudolf (Hg.): Das Fahrradbuch - bewegte Geschichten, 176 Seiten mit Illustrationen von Ernst Kahl, Reclam Verlag, 8,90 Euro; Bettina Feldweg (Hg.): Die besten Rad-Geschichten, Malik-Verlag, 315 Seiten, 16,90 Euro; Rolf Gölz: Mythos Klassiker - Eine Hommage an die großen Eintagesrennen, 287 Seiten, 21,40 Euro; Jean-Paul Ollivier: Giganten des Radsports, Delius Klasing Verlag, 176 Seiten, 22,90 Euro.
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