A haunting story of love and war from "one of the world's great contemporary writers" (Barack Obama), the best-selling author of Americanah and We Should All Be Feminists. With effortless grace, celebrated author Chimamanda Ngozi Adichie illuminates a seminal moment in modern African history: Biafra's impassioned struggle to establish an independent republic in southeastern Nigeria during the late 1960s. We experience this tumultuous decade alongside five unforgettable characters: Ugwu, a thirteen-year-old houseboy who works for Odenigbo, a university professor full of revolutionary zeal; Olanna, the professor's beautiful young mistress who has abandoned her life in Lagos for a dusty town and her lover's charm; and Richard, a shy young Englishman infatuated with Olanna's willful twin sister Kainene. Half of a Yellow Sun is a tremendously evocative novel of the promise, hope, and disappointment of the Biafran war.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.09.2007Feministin mit Lipgloss
Chimamanda Ngozi Adichies Roman „Die Hälfte der Sonne”
Befragt, warum ihr neuer Roman in ihrer Heimat Nigeria zu Zeiten des Bürgerkriegs spielt, gibt die junge Autorin Chimamanda Ngozi Adichie mehrere Gründe an. Weil sie ihre beiden Großväter im Biafra-Krieg verloren hat. Weil ihr Vater und ihre Mutter Tränen in den Augen haben, wenn sie vom Tod ihrer Eltern erzählen. Weil viele Probleme, die zu den Kämpfen geführt haben, noch heute ungelöst sind. An erster Stelle aber gibt die 30-Jährige eine andere Erklärung. Sie sagt: „Ich schrieb den Roman, weil ich über Liebe und Krieg schreiben wollte.”
Dies sollte man berücksichtigen, wenn man „Die Hälfte der Sonne” zur Hand nimmt, Adichies zweiten Roman nach dem Debüt „Blauer Hibiskus” aus dem Jahre 2004. Dieses Buch, das das Leiden einer nigerianischen Upperclass-Familie unter einem tyrannischen Familienoberhaupt schildert, brachte der heute abwechselnd in Amerika und in Nigeria lebenden Autorin viel Lob und jede Menge Preise ein, darunter den Commonwealth Writers’ Prize und einen Platz auf der Longlist für den Booker Prize.
„Die Hälfte der Sonne” – der Titel spielt auf die Flagge Biafras an – will kein politischer Roman sein. Nur am Rande interessiert sich Adichie für die religiösen, ethnischen, wirtschaftlichen und postkolonialen Ursachen, die nach der Ausrufung der souveränen Republik Biafra am 30. Mai 1967 zu einem knapp dreijährigen Krieg mit Nigeria geführt hatten, in dem rund zwei Millionen Menschen getötet wurden.
Andere Autoren vor ihr hätten die Tatsachen dargestellt, schreibt die Autorin in ihrem Nachwort und zählt über 30 Bücher auf, in denen man sich über die westafrikanische Tragödie informieren kann. Ihr aber sei es um die „Wahrheiten meiner eigenen Phantasie” gegangen. Und das heißt: um die Schilderung von gut einem Dutzend Personen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, die aber, bis auf wenige Ausnahmen, alle Angehörige des Igbo-Volkes sind. Die Handlung spielt größtenteils in Nsukka, dem intellektuellen Zentrum der neugegründeten Republik Biafra. In ihrem Mittelpunkt stehen der Linksintellektuelle Odenigbo, seine Frau Olanna, deren Houseboy Ugwu, sowie Kainene, die Zwillingsschwester Olannas, und deren Liebhaber, der englische Schriftsteller Richard.
So viele Formen zu speisen
Adichie interessiert, wie diese Personen leben und arbeiten, miteinander reden und diskutieren, was sie denken, fühlen und hoffen, und wie sich dieses ganz alltägliche, aber auch privilegierte Leben durch den Krieg radikal verändert. Wie die Autorin etwa das Thema des Essens in all seinen Nuancen und Abstufungen behandelt – als aufwendig zubereitete Familienmahlzeit, als religiöses Ritual, als opulentes Gastmahl und schließlich als notdürftigste Nahrungsaufnahme – zeigt eine sensible Erzählerin, die weit mehr ist als das hoffnungsvolle Talent, für das man sie nach ihrem Debüt gehalten hat.
„Die Hälfte der Sonne” kommt ein wenig als afrikanische Version von „Vom Winde verweht” daher, besitzt unübersehbar Schmökerqualitäten. Melodramatisches durchzieht jedes Kapitel, es wird geliebt und betrogen, getrunken und belogen; man ist neidisch aufeinander und eifersüchtig, hasst und versöhnt sich. Die Frauen sind, wenn auch fehlbar, starke Persönlichkeiten, den oft egoistisch handelnden Männern überlegen. Adichie bezeichnet sich selbst als Feministin, die Lipgloss mag. Die andere Liebe der Autorin gilt den Kindern. Doch auch der zunächst naive Hausjunge Ugwu wird im Romanverlauf erwachsen. Zu früh. Er lädt als Soldat Schuld auf sich.
Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, das Brennglas auf das Schicksal von Menschen zu richten; auch wenn die eine oder andere dramatische Gefühlswallung weniger dem Roman nicht geschadet hätte. Doch letzten Endes sind in Kriegszeiten die privaten Irrungen und Wirrungen niemals von den politischen zu trennen. Das weiß auch Adichie. Und ebendiese Tatsache stellt sie vor ein darstellerisches Dilemma, das durch die Art, wie es von ihr gelöst wird, dem Roman entschieden etwas von seiner Lebendigkeit, Kraft und Dynamik raubt. Das Buch richtet sich ja nicht an den Kenner des Biafra-Krieges, sondern an ein breites Publikum, das nur wenig von der Entwicklung Nigerias nach Erlangung seiner Souveränität im Jahr 1960 weiß: von dem ethnischen Konflikt um Macht, Einfluss und Privilegien, den die muslimischen Hausa im Norden mit den christlichen Igbo im Südosten vor den Augen der Weltöffentlichkeit in Zeiten des Kalten Krieges austrugen.
Die Autorin verfiel deshalb auf den Trick, dem Leser die notwendigsten Fakten in einer Art Roman im Roman zu präsentieren. Er trägt den Titel „Das Buch: Die Welt schwieg, als wir starben”. Die nüchterne Sprache der unregelmäßig in den Erzählfluss eingelagerten Kapitel erscheinen wie ein sperriger Fremdkörper im Romangeschehen. Kurzum: Das Buch im Buch stört, weil seine Funktion als bloßer Faktenlieferant zu offensichtlich ist. Es hätte sich sicherlich eine überzeugendere Lösung finden lassen. Eine, die dem Roman insgesamt zugutegekommen wäre, ihm mehr erzählerische Dichte und damit mehr verstörende Wucht verliehen hätte. FLORIAN WELLE
CHIMAMANDA NGOZI ADICHIE: Die Hälfte der Sonne. Aus dem Englischen von Judith Schwaab. Roman. Luchterhand Verlag, München 2007. 638 Seiten, 22,95 Euro.
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Chimamanda Ngozi Adichies Roman „Die Hälfte der Sonne”
Befragt, warum ihr neuer Roman in ihrer Heimat Nigeria zu Zeiten des Bürgerkriegs spielt, gibt die junge Autorin Chimamanda Ngozi Adichie mehrere Gründe an. Weil sie ihre beiden Großväter im Biafra-Krieg verloren hat. Weil ihr Vater und ihre Mutter Tränen in den Augen haben, wenn sie vom Tod ihrer Eltern erzählen. Weil viele Probleme, die zu den Kämpfen geführt haben, noch heute ungelöst sind. An erster Stelle aber gibt die 30-Jährige eine andere Erklärung. Sie sagt: „Ich schrieb den Roman, weil ich über Liebe und Krieg schreiben wollte.”
Dies sollte man berücksichtigen, wenn man „Die Hälfte der Sonne” zur Hand nimmt, Adichies zweiten Roman nach dem Debüt „Blauer Hibiskus” aus dem Jahre 2004. Dieses Buch, das das Leiden einer nigerianischen Upperclass-Familie unter einem tyrannischen Familienoberhaupt schildert, brachte der heute abwechselnd in Amerika und in Nigeria lebenden Autorin viel Lob und jede Menge Preise ein, darunter den Commonwealth Writers’ Prize und einen Platz auf der Longlist für den Booker Prize.
„Die Hälfte der Sonne” – der Titel spielt auf die Flagge Biafras an – will kein politischer Roman sein. Nur am Rande interessiert sich Adichie für die religiösen, ethnischen, wirtschaftlichen und postkolonialen Ursachen, die nach der Ausrufung der souveränen Republik Biafra am 30. Mai 1967 zu einem knapp dreijährigen Krieg mit Nigeria geführt hatten, in dem rund zwei Millionen Menschen getötet wurden.
Andere Autoren vor ihr hätten die Tatsachen dargestellt, schreibt die Autorin in ihrem Nachwort und zählt über 30 Bücher auf, in denen man sich über die westafrikanische Tragödie informieren kann. Ihr aber sei es um die „Wahrheiten meiner eigenen Phantasie” gegangen. Und das heißt: um die Schilderung von gut einem Dutzend Personen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, die aber, bis auf wenige Ausnahmen, alle Angehörige des Igbo-Volkes sind. Die Handlung spielt größtenteils in Nsukka, dem intellektuellen Zentrum der neugegründeten Republik Biafra. In ihrem Mittelpunkt stehen der Linksintellektuelle Odenigbo, seine Frau Olanna, deren Houseboy Ugwu, sowie Kainene, die Zwillingsschwester Olannas, und deren Liebhaber, der englische Schriftsteller Richard.
So viele Formen zu speisen
Adichie interessiert, wie diese Personen leben und arbeiten, miteinander reden und diskutieren, was sie denken, fühlen und hoffen, und wie sich dieses ganz alltägliche, aber auch privilegierte Leben durch den Krieg radikal verändert. Wie die Autorin etwa das Thema des Essens in all seinen Nuancen und Abstufungen behandelt – als aufwendig zubereitete Familienmahlzeit, als religiöses Ritual, als opulentes Gastmahl und schließlich als notdürftigste Nahrungsaufnahme – zeigt eine sensible Erzählerin, die weit mehr ist als das hoffnungsvolle Talent, für das man sie nach ihrem Debüt gehalten hat.
„Die Hälfte der Sonne” kommt ein wenig als afrikanische Version von „Vom Winde verweht” daher, besitzt unübersehbar Schmökerqualitäten. Melodramatisches durchzieht jedes Kapitel, es wird geliebt und betrogen, getrunken und belogen; man ist neidisch aufeinander und eifersüchtig, hasst und versöhnt sich. Die Frauen sind, wenn auch fehlbar, starke Persönlichkeiten, den oft egoistisch handelnden Männern überlegen. Adichie bezeichnet sich selbst als Feministin, die Lipgloss mag. Die andere Liebe der Autorin gilt den Kindern. Doch auch der zunächst naive Hausjunge Ugwu wird im Romanverlauf erwachsen. Zu früh. Er lädt als Soldat Schuld auf sich.
Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, das Brennglas auf das Schicksal von Menschen zu richten; auch wenn die eine oder andere dramatische Gefühlswallung weniger dem Roman nicht geschadet hätte. Doch letzten Endes sind in Kriegszeiten die privaten Irrungen und Wirrungen niemals von den politischen zu trennen. Das weiß auch Adichie. Und ebendiese Tatsache stellt sie vor ein darstellerisches Dilemma, das durch die Art, wie es von ihr gelöst wird, dem Roman entschieden etwas von seiner Lebendigkeit, Kraft und Dynamik raubt. Das Buch richtet sich ja nicht an den Kenner des Biafra-Krieges, sondern an ein breites Publikum, das nur wenig von der Entwicklung Nigerias nach Erlangung seiner Souveränität im Jahr 1960 weiß: von dem ethnischen Konflikt um Macht, Einfluss und Privilegien, den die muslimischen Hausa im Norden mit den christlichen Igbo im Südosten vor den Augen der Weltöffentlichkeit in Zeiten des Kalten Krieges austrugen.
Die Autorin verfiel deshalb auf den Trick, dem Leser die notwendigsten Fakten in einer Art Roman im Roman zu präsentieren. Er trägt den Titel „Das Buch: Die Welt schwieg, als wir starben”. Die nüchterne Sprache der unregelmäßig in den Erzählfluss eingelagerten Kapitel erscheinen wie ein sperriger Fremdkörper im Romangeschehen. Kurzum: Das Buch im Buch stört, weil seine Funktion als bloßer Faktenlieferant zu offensichtlich ist. Es hätte sich sicherlich eine überzeugendere Lösung finden lassen. Eine, die dem Roman insgesamt zugutegekommen wäre, ihm mehr erzählerische Dichte und damit mehr verstörende Wucht verliehen hätte. FLORIAN WELLE
CHIMAMANDA NGOZI ADICHIE: Die Hälfte der Sonne. Aus dem Englischen von Judith Schwaab. Roman. Luchterhand Verlag, München 2007. 638 Seiten, 22,95 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.12.2007So starb Biafra
Jeder kennt "Biafra-Kinder": als den Inbegriff von Hunger und Elend. Die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie erzählt vom Ende des Landes Biafra.
Ob eine halbe Sonne gerade unter- oder aufgeht, ist wohl keine Ansichtssache. Auch in revolutionären Zeiten bleibt der Lauf der Sternenwelt menschlichem Zugriff oder Urteil prinzipiell entzogen. In einer politischen Bilderwelt aber gelten andere Gewissheiten. Wenn daher eine junge Nation, die sich im revolutionären Aufbruch just formiert, die Hälfte der Sonne auf ihre neugeschaffene Staatsflagge setzt, ist die intendierte Botschaft klar und soll strahlende Zukunftsaussichten verheißen. Und falls die Wirklichkeit sich weigern sollte, dieser optimistischen Lesart zu folgen, findet sich gewiss ein junger Nationaldichter, der ein paar glühende Verse beisteuert, um alles klarzustellen: "Wenn die Sonne nicht aufgehen will, so werden wir sie dazu bringen." Was aber, wenn sie sich nicht bringen lässt? "Die Hälfte der Sonne", Chimamanda Ngozi Adichies neuer Roman, erkundet, was in diesem Fall geschieht. In einem episch breiten Historienpanorama zeigt er, wie Aufbruchshoffnungen in blutige Untergangsszenarien umschlagen.
Die halbe Sonne zierte einst die Flagge von Biafra, jener selbstbewussten jungen Nation im Südosten Nigerias, die sich 1967 vom Zentralstaat unabhängig erklärte und dafür in einem dreijährigen Krieg, geführt mit schweren Luftangriffen und äußerster Gewalt, in die Knie gezwungen wurde. Vorausgegangen waren Massaker in Nordnigeria und Säuberungsaktionen, mit denen nur wenige Jahre nach der Unabhängigkeit vom Kolonialismus die ethnischen wie religiösen Konflikte, deren Spannungen die Fremdherrschaft lange zu nutzen gewusst hatte, grausam eskalierten. Der Biafra-Krieg, der eine Million Menschenleben forderte und weitere drei Millionen Flüchtlinge, war einer der ersten und schwersten Konflikte im postkolonialen Afrika; das "Biafra-Kind" galt seinerzeit als Inbegriff von Hunger und Elend in der Dritten Welt.
Heute, vierzig Jahre und viele Kriege später, ist all das im zeitgeschichtlichen Bewusstsein kaum mehr präsent. Es ist daher verdienstvoll, dass sich jetzt ein historischer Roman mit Ernst und Fleiß des Themas annimmt. Die Autorin, Jahrgang 1977 und seit knapp zehn Jahren in den Vereinigten Staaten lebend, stammt selbst aus einer Igbo-Familie, die damals Angehörige im Krieg verloren hat. Aus Sicht der nachgeborenen Generation, auf der Basis gründlicher Recherchen und doch mit Mitteln der Fiktion unternimmt sie es nun, die unverwundene Vergangenheit ihres Landes aufs Neue zu vergegenwärtigen. Dazu erfindet sie eine Reihe von Figuren, an deren persönlichem Schicksal sich die Visionen wie die Debatten, die Hoffnungen wie die Konflikte jener Zeit auch für Leser, die von all dem nicht viel wissen, nacherleben lassen. Zugleich will sie jedoch die konkreten Situationen immer wieder ins Grundsätzliche ausweiten, um zu zeigen, dass solche Entwicklungen - Beziehungsprobleme wie politische Zerwürfnisse und Greuel - sich auch andernorts zutragen können.
Die Handlung setzt in den frühen sechziger Jahren ein, als die Euphorie der Unabhängigkeit das Land und insbesondere seine Intellektuellen wie in einen Taumel von Tatkraft und Zukunftsenergie versetzt. Im Mittelpunkt stehen zwei Frauen, Zwillingsschwestern aus der besseren Gesellschaft von Lagos, die allerdings das bequeme Leben in der neuformierten Wohlstands-Elite, das ihnen die Eltern bieten, zugunsten eigener Ideale ablehnen. Dazu lassen sie sich jeweils mit sehr unterschiedlichen Männern ein: Olanna mit einem charismatischen Universitätsdozenten, Patrioten und leidenschaftlichen Debattierer, der seiner Leidenschaft auch sonst oft allzu freien Lauf lässt; Kainene mit einem englischen Schriftsteller und Ethnologen, eher schüchtern und gehemmt, dem seine Liebe zur Kultur der Igbos zu einer neuen Identität verhilft. Die erotischen wie sonstigen Verwicklungen, in die sie bald geraten, werden über weite Strecken aus der Sicht eines Hausboys erzählt, der als einfacher Dorfjunge all dem staunend und bewundernd folgt. Doch die eigentlichen Dramen beginnen mit dem Kriegsgeschehen, das ihre gesamte Welt mit Wucht erschüttert und die Grundfesten, auf der sie ihre Zukunft bauen wollten, wie über Nacht zum Einsturz bringt. In grausig detaillierten Szenen werden Massaker, Fronterlebnisse und Flüchtlingselend ausgebreitet. Doch erschütternder sind letztlich Szenen, in denen der Alltag im Schatten einer völlig unbegriffenen Gewalt geschildert wird. Wenn eine alte Frau sich weigert, ihr Haus zu verlassen, weil sie nur dort Geborgenheit erleben kann und doch dafür ihr Leben lässt, oder wenn der Hausboy aus den kärglichsten Einkäufen doch noch etwas Gutes kochen will, um wenigstens den Familienfrieden wiederherzustellen, begreifen wir den Kriegswahnsinn just durch seine Unbegreiflichkeit.
Trotz etlicher Momente dieser Art folgt man aber diesem langen Roman insgesamt mehr mit Respekt für sein ehrenwertes Anliegen als mit Spannung oder Überzeugung. Denn wie schon in ihrem Debüt "Blauer Hibiskus" (2005) zeigt die Autorin sich in den Mitteln des Erzählens, die sie einsetzt, sehr klar auf Erfolg zielend und doch eher begrenzt. Vielleicht ist das der Preis, den Leser für Produkte von "Creative Writing"-Programmen entrichten müssen. Doch der gefühlte Vorsatz, nur alles richtig zu machen und das große Thema bloß nicht zu verfehlen, wirkt etwas wie die Haltung einer Klassenbesten, die sich bewähren will. Dabei bewährt historische Fiktion sich einzig an der Dringlichkeit, mit der entlegene Figuren für uns plötzlich zu Zeitgenossen werden. Dafür bleibt ihre Charakterisierung hier aber zu schematisch, der historische Rahmen allzu pflichtgemäß präsent. Auch für international erfolgreiche Nachwuchstalente ist es offenbar nicht einfach, die Sonne vorsätzlich zum Aufgehen zu bringen.
TOBIAS DÖRING
Chimamanda Ngozi Adichie: "Die Hälfte der Sonne". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Judith Schwab. Luchterhand Verlag, München 2007. 638 S., geb., 22,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jeder kennt "Biafra-Kinder": als den Inbegriff von Hunger und Elend. Die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie erzählt vom Ende des Landes Biafra.
Ob eine halbe Sonne gerade unter- oder aufgeht, ist wohl keine Ansichtssache. Auch in revolutionären Zeiten bleibt der Lauf der Sternenwelt menschlichem Zugriff oder Urteil prinzipiell entzogen. In einer politischen Bilderwelt aber gelten andere Gewissheiten. Wenn daher eine junge Nation, die sich im revolutionären Aufbruch just formiert, die Hälfte der Sonne auf ihre neugeschaffene Staatsflagge setzt, ist die intendierte Botschaft klar und soll strahlende Zukunftsaussichten verheißen. Und falls die Wirklichkeit sich weigern sollte, dieser optimistischen Lesart zu folgen, findet sich gewiss ein junger Nationaldichter, der ein paar glühende Verse beisteuert, um alles klarzustellen: "Wenn die Sonne nicht aufgehen will, so werden wir sie dazu bringen." Was aber, wenn sie sich nicht bringen lässt? "Die Hälfte der Sonne", Chimamanda Ngozi Adichies neuer Roman, erkundet, was in diesem Fall geschieht. In einem episch breiten Historienpanorama zeigt er, wie Aufbruchshoffnungen in blutige Untergangsszenarien umschlagen.
Die halbe Sonne zierte einst die Flagge von Biafra, jener selbstbewussten jungen Nation im Südosten Nigerias, die sich 1967 vom Zentralstaat unabhängig erklärte und dafür in einem dreijährigen Krieg, geführt mit schweren Luftangriffen und äußerster Gewalt, in die Knie gezwungen wurde. Vorausgegangen waren Massaker in Nordnigeria und Säuberungsaktionen, mit denen nur wenige Jahre nach der Unabhängigkeit vom Kolonialismus die ethnischen wie religiösen Konflikte, deren Spannungen die Fremdherrschaft lange zu nutzen gewusst hatte, grausam eskalierten. Der Biafra-Krieg, der eine Million Menschenleben forderte und weitere drei Millionen Flüchtlinge, war einer der ersten und schwersten Konflikte im postkolonialen Afrika; das "Biafra-Kind" galt seinerzeit als Inbegriff von Hunger und Elend in der Dritten Welt.
Heute, vierzig Jahre und viele Kriege später, ist all das im zeitgeschichtlichen Bewusstsein kaum mehr präsent. Es ist daher verdienstvoll, dass sich jetzt ein historischer Roman mit Ernst und Fleiß des Themas annimmt. Die Autorin, Jahrgang 1977 und seit knapp zehn Jahren in den Vereinigten Staaten lebend, stammt selbst aus einer Igbo-Familie, die damals Angehörige im Krieg verloren hat. Aus Sicht der nachgeborenen Generation, auf der Basis gründlicher Recherchen und doch mit Mitteln der Fiktion unternimmt sie es nun, die unverwundene Vergangenheit ihres Landes aufs Neue zu vergegenwärtigen. Dazu erfindet sie eine Reihe von Figuren, an deren persönlichem Schicksal sich die Visionen wie die Debatten, die Hoffnungen wie die Konflikte jener Zeit auch für Leser, die von all dem nicht viel wissen, nacherleben lassen. Zugleich will sie jedoch die konkreten Situationen immer wieder ins Grundsätzliche ausweiten, um zu zeigen, dass solche Entwicklungen - Beziehungsprobleme wie politische Zerwürfnisse und Greuel - sich auch andernorts zutragen können.
Die Handlung setzt in den frühen sechziger Jahren ein, als die Euphorie der Unabhängigkeit das Land und insbesondere seine Intellektuellen wie in einen Taumel von Tatkraft und Zukunftsenergie versetzt. Im Mittelpunkt stehen zwei Frauen, Zwillingsschwestern aus der besseren Gesellschaft von Lagos, die allerdings das bequeme Leben in der neuformierten Wohlstands-Elite, das ihnen die Eltern bieten, zugunsten eigener Ideale ablehnen. Dazu lassen sie sich jeweils mit sehr unterschiedlichen Männern ein: Olanna mit einem charismatischen Universitätsdozenten, Patrioten und leidenschaftlichen Debattierer, der seiner Leidenschaft auch sonst oft allzu freien Lauf lässt; Kainene mit einem englischen Schriftsteller und Ethnologen, eher schüchtern und gehemmt, dem seine Liebe zur Kultur der Igbos zu einer neuen Identität verhilft. Die erotischen wie sonstigen Verwicklungen, in die sie bald geraten, werden über weite Strecken aus der Sicht eines Hausboys erzählt, der als einfacher Dorfjunge all dem staunend und bewundernd folgt. Doch die eigentlichen Dramen beginnen mit dem Kriegsgeschehen, das ihre gesamte Welt mit Wucht erschüttert und die Grundfesten, auf der sie ihre Zukunft bauen wollten, wie über Nacht zum Einsturz bringt. In grausig detaillierten Szenen werden Massaker, Fronterlebnisse und Flüchtlingselend ausgebreitet. Doch erschütternder sind letztlich Szenen, in denen der Alltag im Schatten einer völlig unbegriffenen Gewalt geschildert wird. Wenn eine alte Frau sich weigert, ihr Haus zu verlassen, weil sie nur dort Geborgenheit erleben kann und doch dafür ihr Leben lässt, oder wenn der Hausboy aus den kärglichsten Einkäufen doch noch etwas Gutes kochen will, um wenigstens den Familienfrieden wiederherzustellen, begreifen wir den Kriegswahnsinn just durch seine Unbegreiflichkeit.
Trotz etlicher Momente dieser Art folgt man aber diesem langen Roman insgesamt mehr mit Respekt für sein ehrenwertes Anliegen als mit Spannung oder Überzeugung. Denn wie schon in ihrem Debüt "Blauer Hibiskus" (2005) zeigt die Autorin sich in den Mitteln des Erzählens, die sie einsetzt, sehr klar auf Erfolg zielend und doch eher begrenzt. Vielleicht ist das der Preis, den Leser für Produkte von "Creative Writing"-Programmen entrichten müssen. Doch der gefühlte Vorsatz, nur alles richtig zu machen und das große Thema bloß nicht zu verfehlen, wirkt etwas wie die Haltung einer Klassenbesten, die sich bewähren will. Dabei bewährt historische Fiktion sich einzig an der Dringlichkeit, mit der entlegene Figuren für uns plötzlich zu Zeitgenossen werden. Dafür bleibt ihre Charakterisierung hier aber zu schematisch, der historische Rahmen allzu pflichtgemäß präsent. Auch für international erfolgreiche Nachwuchstalente ist es offenbar nicht einfach, die Sonne vorsätzlich zum Aufgehen zu bringen.
TOBIAS DÖRING
Chimamanda Ngozi Adichie: "Die Hälfte der Sonne". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Judith Schwab. Luchterhand Verlag, München 2007. 638 S., geb., 22,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
'Vividly written, thrumming with life...a remarkable novel. In its compassionate intelligence as in its capacity for intimate portraiture, this novel is a worthy successor to such twentieth-century classics as Chinua Achebe's "Things Fall Apart" and V. S. Naipaul's "A Bend in the River".' Joyce Carol Oates
'Here is a new writer endowed with the gift of ancient storytellers.' Chinua Achebe
'I look with awe and envy at this young woman from Africa who is recording the history of her country. She is fortunate - and we, her readers, are even luckier.' Edmund White
'Absolutely awesome. One of the best books I've ever read.' Judy Finnigan
'[Deserves] a place alongside such works as Pat Barker's "Regeneration" trilogy and Helen Dunmore's depiction of the Leningrad blockade, "The Siege".' Guardian
'Here is a new writer endowed with the gift of ancient storytellers.' Chinua Achebe
'I look with awe and envy at this young woman from Africa who is recording the history of her country. She is fortunate - and we, her readers, are even luckier.' Edmund White
'Absolutely awesome. One of the best books I've ever read.' Judy Finnigan
'[Deserves] a place alongside such works as Pat Barker's "Regeneration" trilogy and Helen Dunmore's depiction of the Leningrad blockade, "The Siege".' Guardian