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Halldor Laxness (1902 - 1998) umspannte in seiner Person wie in seinem Schaffen ein Jahhundert der Extreme. Er gestaltet die Hoffnungen, Ängste und Irrtümer seiner Zeit in weltgültiger Literatur. Er lebte intensiv und schuf ein Werk von beeindruckender Vielgestaltigkeit und Strahlkraft. Halldor Laxness war weit mehr als der große isländische Schriftsteller, der den Literaturnobelpreis bekam. Diese erste Biographie in deutscher Sprache schildert sein wendungsreiches Leben und erkundet die Hintergründe seines unerschöpflichen Werks.

Produktbeschreibung
Halldor Laxness (1902 - 1998) umspannte in seiner Person wie in seinem Schaffen ein Jahhundert der Extreme. Er gestaltet die Hoffnungen, Ängste und Irrtümer seiner Zeit in weltgültiger Literatur. Er lebte intensiv und schuf ein Werk von beeindruckender Vielgestaltigkeit und Strahlkraft.
Halldor Laxness war weit mehr als der große isländische Schriftsteller, der den Literaturnobelpreis bekam. Diese erste Biographie in deutscher Sprache schildert sein wendungsreiches Leben und erkundet die Hintergründe seines unerschöpflichen Werks.
Autorenporträt
Halldor Gudmundsson, 1956 in Reykjavik geboren, verbrachte einen Teil seiner Kindheit in Deutschland, studierte Literaturwissenschaft in Island und Kopenhagen und ist seit 1984 Verlagsleiter in Reykjavik. Er hat ein Buch, mehrere Aufsätze und ein Fernsehfeature über Halldor Laxness veröffentlicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2007

Von der Kunst, sich in jedem Satz auf die Zehenspitzen zu stellen
Halldór Gudmundssons erschöpfende Laxness-Biographie / Von Tilman Spreckelsen

Als sie den greisen Dichter vor nunmehr fünfzehn Jahren besuchte, im Juni 1992, notierte Sarah Kirsch in ihrem Tagebuch: "Umwerfend war es und traurig, aber er lachte über sich selbst, wenn er sich in Worten verhedderte, die ihn gefesselt hielten. Und ich bekam immer noch wie bei vorangegangenen Besuchen als Einzige von den anwesenden Weibern einen Handkuss. Unser herrlicher Dichter lief um den Tisch, als wollte er uns entkommen, hätte die Nase voll von all dem Geschwätz, aber dann fesselte ihn wieder ein Wort. Er sprach immer noch in verschiedenen Sprachen, und wenn er den Faden verlor, lachte er bloß. Nimmt einen mit, solch einen Bewunderten in den Fängen von Sir Alzheim zu finden."

Auch wenn Kirsch da ein Leben beschreibt, das sich spürbar dem Ende zuneigt, auch wenn die Demenzerkrankung des gefeierten Schriftstellers für jeden im Raum unübersehbar war - aus den knappen Zeilen, die den Besuch in Halldór Laxness' isländischem Bungalow schildern, klingt durch, wie sehr der hinfällige Dichter seine Umgebung nach wie vor beherrscht. Er ist der Mittelpunkt, auf ihn ist das Gespräch bezogen, er entscheidet, ob und wo er sich einklinkt, und die Bewunderung aller ist ihm sicher, selbst wenn sie die Farben des Mitleids trägt.

In diesem Herbst, neun Jahre nach Laxness' Tod, ist eine voluminöse Biographie auf Deutsch erschienen, die Halldór Gudmundsson verfasst hat, der ehemalige Leiter des bedeutenden isländischen Verlags "Mál og menning". Er ist mehr als fünfzig Jahre jünger als Laxness, er hat den Nationaldichter persönlich gekannt (was freilich in einer so überschaubaren Gemeinschaft wie der isländischen Bevölkerung nicht wirklich exklusiv ist), er durfte ihn besuchen (das wiederum ist eine Auszeichnung), und er hatte Zugang zu einer Fülle von privaten Dokumenten, zu Briefen, unveröffentlichten Texten und nicht zuletzt der ebenfalls unveröffentlichten Biographie, die Stefan Einarsson 1928 unter Mithilfe oder wenigstens der kritischen Beobachtung Halldór Laxness' verfasste

Herausgekommen ist ein Band von 850 Seiten (nach einer ersten, geradezu schmalen Biographie, die Halldór Gudmundsson 2002 zum hundertsten Geburtstag des Dichters in Laxness' deutschen Hausverlag Steidl publizierte). Es ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass sich nach diesem faktengesättigten Meilenstein zu irgendeiner Phase von Laxness' Leben noch substantiell Neues finden ließe - das Buch schildert redlich, in jede Richtung abgesichert, in chronologischer Reihung die äußeren Umstände einer Biographie, die in bestechend klarer Weise einem früh entworfenen Plan zu folgen scheint. Und diesen Plan stellte der Dichter, um den es dabei geht, selbst auf. Er heißt, verkürzt wiedergegeben, in etwa: Ich will der größte Dichter Islands werden. Und dann ist der Rest der Welt an der Reihe.

Alles kann in diesem Raster gar nicht früh genug geschehen. Laxness, in kleinen Verhältnissen geboren, aber als Sohn eines Mannes, der unübersehbar nach oben will, fängt schon im Grundschulalter mit dem manischen Schreiben an, das ihm bis ins sehr hohe Alter Gewohnheit bleiben wird. Mit knapp vierzehn Jahren veröffentlicht er seinen ersten Text, mit siebzehn den ersten Roman. Er schrieb gern unter dem Pseudonym "Snær svinni", was "der kluge Snær" bedeutet - nur die Lumpe sind bescheiden, mochte er sich gedacht haben, und Bescheidenheit ist auch in der Folge keine Eigenschaft, die ihn besonders auszeichnet.

Der Vater stirbt früh, die Mutter unterstützt den begabten Sohn, wo sie kann, auch auf Kosten der anderen Kinder, und Laxness, der Europa bereist, in Amerika den Durchbruch als Drehbuchautor erhofft, fürchterlich auf die Nase fällt und in der Heimat unbeeindruckt weiterschreibt, der überall borgt und selten zurückzahlt, der Frauen für sich gewinnt und sich ebenso leicht von ihnen trennt, der Autor also, der aus dem Spannungsverhältnis von Heimatverbundenheit und Weltläufigkeit das allerschönste Kapital schlagen sollte, schreibt, hart an seinem Stil arbeitend, einen bedeutenden Roman nach dem anderen. Das ist das Konversionsbuch "Der große Weber von Kaschmir" von 1927, vier Jahre später erscheint "Salka Valka", ein Roman, der die Hinwendung des Dichters zur sozialen Frage am Beispiel einer isländischen Genossenschaft dokumentiert, und schließlich das meisterlich desillusionierte Werk "Sein eigener Herr", das aller hamsun- und waggerlhaften Bauernromantik hohnspricht. Die Zeit der redlichen Landmänner, die ihrem Boden ungeachtet aller Hindernisse das auch dem Städter notwendige Brot abringen, ist gründlich vorbei, kann man dem Roman ablesen, und es ist kein Zufall, dass der erste Teil unter dem Titel "Der Freisasse" im nationalsozialistischen Deutschland erscheinen konnte, der zweite, der den Niedergang dieses isländischen Don Quijote schildert, dann schon lieber nicht.

Was er kann, ahnt Laxness früh, aber spätestens jetzt weiß er es. Und fordert die Bewunderung, die ihm als Mythenzertrümmerer zusteht, auch lautstark ein. Ein riskantes Spiel: Was wäre eigentlich geworden, wenn Laxness, der den Nobelpreis schon 1954 fest in der Tasche zu haben schien (stattdessen wurde er damals Hemingway zugesprochen), die Auszeichnung ein Jahr später nicht bekommen hätte?

"Egal, ob er über Hamsun spricht", urteilt schon 1924 ein Kritiker über Laxness, "oder eine Messe in der Westminster Cathedral in London schildert - immer hat man das Gefühl, dass er vor allem über sich selbst schreibt, über Halldór Kiljan Laxness. Und manchmal hat man den Eindruck, dass er sich in jedem zweiten Satz auf die Zehenspitzen stellt - schaut nur, schaut mich an, ich habe die Welt bereist, und ich bin katholisch, schaut nur, ich, ich, ich!"

Das war keine schlechte Analyse der Rolle, die Laxness zeitlebens spielte, und es ist naturgemäß so, dass derlei die Nachgeborenen weniger stört als die Zeitgenossen. Laxness, der Bauernsohn aus Reykjavíks Peripherie, wusste, was er als Autor wert war, und dass er als Schriftsteller dann durchaus posierte, beschreibt Halldór Gudmundssons Biographie mit einer redlichen Ausdauer, die natürlich ihrem Gegenstand geschuldet ist.

Man wird Fotos wie die berühmte Aufnahme des Dichters in freier Natur, der eine Schreibmaschine auf den Knien trägt und eifrig tippt, heute mit einer gewissen Sympathie zur Kenntnis nehmen - Hauptsache, er schreibt wieder etwas in der Manier von "Sein eigener Herr". Das immerhin hat er nicht mehr getan, er war lebenslang darum bemüht, im Stil und inhaltlich neue Wege zu gehen, und Halldór Gudmundssons Biographie zeichnet auch dies nach. Als Dreizehnjähriger hatte Laxness einen - heute verschollenen - Riesenroman geschrieben, der viele hundert Seiten umfasste, und auch "Der große Weber von Kaschmir" oder "Sein eigener Herr" sind umfangreiche Werke. 1962 dagegen hielt der Autor in einem Essay seine Überzeugung fest, wenn man einen Roman schreibe, sei es heilsam, "sich den Tarif für Telefongespräche zu den Falklandinseln als Richtlinie zu nehmen". Für seine Erinnerungsbücher, die seit den sechziger Jahren entstehen, hat er den eigenen Rat beherzigt, und auch die faszinierende "Kirchspielchronik" von 1970, die isländische Geschichte, den Nachhall der Sagaliteratur und Autobiographisches verbindet, ist davon in hohem Maß geprägt.

Der Wille aber zur Veränderung, zur kritischen Beobachtung der eigenen Existenz, prägte Laxness bis ins hohe Alter, was auch der Besucherin Sarah Kirsch nicht verborgen blieb: "So finster es aussehen mag, dass er nie wieder was schreiben wird und kaum noch er selbst ist, alles verwandelt sich weiter. So hat er mit Klavierspielen angefangen. Seine Frau verwunderte sich, dass er Schubert-Sonaten, ohne geübt zu haben, nächtelang großartig spielt."

Am 8. Februar 1998 ist Halldór Laxness gestorben.

Halldór Gudmundsson: "Halldór Laxness". Eine Biographie. Aus dem Isländischen übersetzt von Helmut Lugmayr. btb, München 2007. 864 S., zahlreiche Abb., geb., 49,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

"Erfreulicherweise" gibt es in deutscher Sprache endlich eine Biografie des 1902 geborenen isländischen Schriftsteller Halldor Laxness, jubelt Aldo Keel. Auf die "lesenswerte" Biografie von Namensvetter Halldor Gudmundsson geht der Rezensent allerdings in seiner sehr langen Besprechung weniger ein, sondern vor allem auf Leben und Werk des Nobelpreisträgers, den die Isländer spät, nämlich erst als Träger des renommiertesten Literaturpreises, im Jahr 1955 zur "Ikone" und gar zum "Nationalhelden" gekürt hatten, berichtet Keel. Gudmundssons Buch jedenfalls biete dem Leser eine "Fülle von Details" und sei überaus "gut lesbar", lobt der Rezensent, und es sei überdies ein "Gewinn", dass der Autor auch die neuere isländische Forschung miteinbezogen habe. Keel, der sich in dieser Besprechung als Kenner sämtlicher Werke von Laxness zu erkennen gibt, hat der Biografie noch eins entnommen. Laxness war, zumindest "auf dem Grunde seines Herzens", ein "glühender Patriot" und sicher die "markanteste Stimme des isländischen Links-Nationalismus", meint der Rezensent.

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