'Hammerklavier' gleicht einer Sonate, und fast musikalisch strukturiert beschreiben die einzelnen Abschnitte einen Bogen, von ihrem Vater zu der Autorin hin: Eine Kammermusik mit kurzen Monologen, großen Arien, Duetten, Terzetten, mit plötzlichen Wechseln aus dem nachdenklichen Adagio ins amüsante Scherzo. Es sind sehr feine, wunderbar hintergründige Geschichten einer klugen Erzählerin, die sich an keiner Stelle des Textes vordrängt, aber stets im Hintergrund mitschwingt. Yasmina Reza verfügt über die Gabe, ihr persönliches Leben, alltägliche Begebenheiten und die stillen Momente des Glücks - eben jene heiteren Augenblicke von unbegründetem Optimismus - so einzufangen, daß sich jeder Leser darin wiederfindet.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.04.1999Stumpf tönt das Hammerklavier
Yasmina Reza schreibt Prosa
"Es gibt Gebiete, die müssen dunkel bleiben. Weder unscharf noch unbekannt, sondern einfach ohne das Licht der Worte." Wenn Yasmina Reza ihre eigenen weisen Worte beherzigt hätte, wäre ihr essayistisches Bändchen "Hammerklavier" wohl nicht zustande gekommen.
Der Untertitel "Sonate" und der appetitlich strenge Einband versprechen kluge Komposition und sorgfältige Intonation, eben jene Qualitäten, die Yasmina Reza mit ihrem Theaterstück "Kunst" berühmt werden ließen. Seit der deutschsprachigen Erstaufführung vor vier Jahren wurde diese bizarre Komödie, die von dem erbitterten Streit dreier Freunde um ein weißes Bild handelt, auch hierzulande viel gespielt. Sie ist ein Wortstreit um Nichts - oder eben um all das, was sich in Serges sündhaft teurem, jungfräulich weißem Stück Leinwand an Deutungen, Status, ästhetischem Unfug verbergen könnte. Ist nun der Kaiser in seinen neuen Kleidern nackt? Wozu dient Kunst? Hat Serge sich prahlerisch in die moderne Kunstszene eingekauft oder ein mutiges, unzeitgemäßes Bekenntnis zur Zweckfreiheit abgelegt? Das Gespräch der drei Männer wird unerbittlich, Beziehungen, Freundschaften und Geschmacksurteile geraten in die Wortmühle, Phrasen und Psychologismen schwirren durch den Raum und entlarven sich selbst.
Im "Hammerklavier" entlarvt sich nichts, weil die kühle und doch unwiderstehlich komische Leichtigkeit des Stückes fehlt. Die Szenen, Erinnerungsbilder und Gedankengänge kommen mit dem düsteren Ernst eines literarisch ambitionierten Tagebuches daher. Alle großen Themen, Kunst, Liebe, Zeit, Vergänglichkeit, werden angeschnitten, aber es fällt schwer, der Autorin von "Kunst" Sätze wie diesen durchgehen zu lassen: "Zum dunklen Abhang der Liebe, dem einzigen, auf dem man sich verirren kann, werde ich heimlich und in aller Stille gehen, denn es gibt keine Lust, die nicht Einsamkeit ist, und keine Ekstase, die nicht Schmerz ist." Erginge sich so der kunsthandelnde Dermatologe Serge oder sein wehleidiger Freund Yvan, könnte man den Blick auf das weiße Bild richten und mit den Schultern zucken. Doch hier ist keine rettende Leerstelle in Sicht. Man weiß sich beunruhigend nahe am autobiographischen Ich, das in der Melancholie schwelgt und von sich behauptet, "als Perspektive nur das kalte Bett und das Nichts zu haben". Wenn es genug gefröstelt hat, wärmt es sich ein wenig, denn es ist ein bildungsbürgerliches Ich, in Matinees, Symphoniekonzerten und daheim im Lesesessel an erstklassiger Kultur, Balzac, Beethoven und Roland Barthes. Nur wenn sie aus ihren schwermütigen Meditationen auftaucht, findet Yasmina Reza wieder eine Schärfe, die daran erinnert, zu was sie imstande ist. Leider geschieht das zu selten. ANNETTE PEHNT
Yasmina Reza: "Hammerklavier: Eine Sonate". Aus dem Französischen übersetzt von Eugen Helmlé. Ammann Verlag, Zürich 1998, 139 S., geb. 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Yasmina Reza schreibt Prosa
"Es gibt Gebiete, die müssen dunkel bleiben. Weder unscharf noch unbekannt, sondern einfach ohne das Licht der Worte." Wenn Yasmina Reza ihre eigenen weisen Worte beherzigt hätte, wäre ihr essayistisches Bändchen "Hammerklavier" wohl nicht zustande gekommen.
Der Untertitel "Sonate" und der appetitlich strenge Einband versprechen kluge Komposition und sorgfältige Intonation, eben jene Qualitäten, die Yasmina Reza mit ihrem Theaterstück "Kunst" berühmt werden ließen. Seit der deutschsprachigen Erstaufführung vor vier Jahren wurde diese bizarre Komödie, die von dem erbitterten Streit dreier Freunde um ein weißes Bild handelt, auch hierzulande viel gespielt. Sie ist ein Wortstreit um Nichts - oder eben um all das, was sich in Serges sündhaft teurem, jungfräulich weißem Stück Leinwand an Deutungen, Status, ästhetischem Unfug verbergen könnte. Ist nun der Kaiser in seinen neuen Kleidern nackt? Wozu dient Kunst? Hat Serge sich prahlerisch in die moderne Kunstszene eingekauft oder ein mutiges, unzeitgemäßes Bekenntnis zur Zweckfreiheit abgelegt? Das Gespräch der drei Männer wird unerbittlich, Beziehungen, Freundschaften und Geschmacksurteile geraten in die Wortmühle, Phrasen und Psychologismen schwirren durch den Raum und entlarven sich selbst.
Im "Hammerklavier" entlarvt sich nichts, weil die kühle und doch unwiderstehlich komische Leichtigkeit des Stückes fehlt. Die Szenen, Erinnerungsbilder und Gedankengänge kommen mit dem düsteren Ernst eines literarisch ambitionierten Tagebuches daher. Alle großen Themen, Kunst, Liebe, Zeit, Vergänglichkeit, werden angeschnitten, aber es fällt schwer, der Autorin von "Kunst" Sätze wie diesen durchgehen zu lassen: "Zum dunklen Abhang der Liebe, dem einzigen, auf dem man sich verirren kann, werde ich heimlich und in aller Stille gehen, denn es gibt keine Lust, die nicht Einsamkeit ist, und keine Ekstase, die nicht Schmerz ist." Erginge sich so der kunsthandelnde Dermatologe Serge oder sein wehleidiger Freund Yvan, könnte man den Blick auf das weiße Bild richten und mit den Schultern zucken. Doch hier ist keine rettende Leerstelle in Sicht. Man weiß sich beunruhigend nahe am autobiographischen Ich, das in der Melancholie schwelgt und von sich behauptet, "als Perspektive nur das kalte Bett und das Nichts zu haben". Wenn es genug gefröstelt hat, wärmt es sich ein wenig, denn es ist ein bildungsbürgerliches Ich, in Matinees, Symphoniekonzerten und daheim im Lesesessel an erstklassiger Kultur, Balzac, Beethoven und Roland Barthes. Nur wenn sie aus ihren schwermütigen Meditationen auftaucht, findet Yasmina Reza wieder eine Schärfe, die daran erinnert, zu was sie imstande ist. Leider geschieht das zu selten. ANNETTE PEHNT
Yasmina Reza: "Hammerklavier: Eine Sonate". Aus dem Französischen übersetzt von Eugen Helmlé. Ammann Verlag, Zürich 1998, 139 S., geb. 36,- DM.
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