Jetzt vollständig: Das Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte
Das Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte umfaßt den Zeitraum vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Die sechs Bände sind in gleicher Weise gegliedert, so daß einzelne Themen auch fortlaufend epochenübergreifend gelesen werden können: die epochenspezifischen Kontexte der Bildungs-, Erziehungs- und Schulgeschichte; Lebensformen und Umgangserziehung; pädagogisches Denken und pädagogische Wissenschaft; Kindheit, Jugend und Familie; Schulen und Hochschulen; Erwachsenenbildung; Berufserziehung; Armenwesen und Fürsorge; Pädagogische Medien. Alle Artikel werden durch umfangreiche Quellen- und Literaturnachweise ergänzt.
Das Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte umfaßt den Zeitraum vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Die sechs Bände sind in gleicher Weise gegliedert, so daß einzelne Themen auch fortlaufend epochenübergreifend gelesen werden können: die epochenspezifischen Kontexte der Bildungs-, Erziehungs- und Schulgeschichte; Lebensformen und Umgangserziehung; pädagogisches Denken und pädagogische Wissenschaft; Kindheit, Jugend und Familie; Schulen und Hochschulen; Erwachsenenbildung; Berufserziehung; Armenwesen und Fürsorge; Pädagogische Medien. Alle Artikel werden durch umfangreiche Quellen- und Literaturnachweise ergänzt. Die Grundlagen des modernen pädagogischen Denkens, der Bildungsphilosophie und des Schulwesens wurden im 18. Jahrhundert gelegt. Dieser Band, der nun das auf sechs Bände angelegte Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte komplettiert, handelt vom 18. Jahrhundert als Epoche der deutschen Bildungsgeschichte in all ihrer Vielfalt; von den neu entstehenden pädagogischen Theorien über die neuen pädagogischen Medien der Kinder- und Jugendliteratur, Volksbildung und Armenfürsorge, die Funktion des Theaters und der Museen bis hin zur Schul- und Universitätsgeschichte.
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Das Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte umfaßt den Zeitraum vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Die sechs Bände sind in gleicher Weise gegliedert, so daß einzelne Themen auch fortlaufend epochenübergreifend gelesen werden können: die epochenspezifischen Kontexte der Bildungs-, Erziehungs- und Schulgeschichte; Lebensformen und Umgangserziehung; pädagogisches Denken und pädagogische Wissenschaft; Kindheit, Jugend und Familie; Schulen und Hochschulen; Erwachsenenbildung; Berufserziehung; Armenwesen und Fürsorge; Pädagogische Medien. Alle Artikel werden durch umfangreiche Quellen- und Literaturnachweise ergänzt.
Das Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte umfaßt den Zeitraum vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Die sechs Bände sind in gleicher Weise gegliedert, so daß einzelne Themen auch fortlaufend epochenübergreifend gelesen werden können: die epochenspezifischen Kontexte der Bildungs-, Erziehungs- und Schulgeschichte; Lebensformen und Umgangserziehung; pädagogisches Denken und pädagogische Wissenschaft; Kindheit, Jugend und Familie; Schulen und Hochschulen; Erwachsenenbildung; Berufserziehung; Armenwesen und Fürsorge; Pädagogische Medien. Alle Artikel werden durch umfangreiche Quellen- und Literaturnachweise ergänzt. Die Grundlagen des modernen pädagogischen Denkens, der Bildungsphilosophie und des Schulwesens wurden im 18. Jahrhundert gelegt. Dieser Band, der nun das auf sechs Bände angelegte Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte komplettiert, handelt vom 18. Jahrhundert als Epoche der deutschen Bildungsgeschichte in all ihrer Vielfalt; von den neu entstehenden pädagogischen Theorien über die neuen pädagogischen Medien der Kinder- und Jugendliteratur, Volksbildung und Armenfürsorge, die Funktion des Theaters und der Museen bis hin zur Schul- und Universitätsgeschichte.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2005Lehrer-Lektüre für die Ferien
Schulpflichtig: Das Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte
Warum es sinnvoll ist, sich mit der Bildungsgeschichte unseres Landes zu befassen, muß nicht lange erklärt werden. Wer eine Bibliothek in seiner Nähe hat oder sechshundert Euro dafür in die Hand nehmen mag, kann es jetzt auf sehr kompakte und zugleich umfassende Weise tun. Mit seinem zweiten Band - vier sind schon erschienen -, dem zum achtzehnten Jahrhundert, liegt jetzt das Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, nach knapp zwanzig Jahren Arbeit daran, abgeschlossen vor.
Was aber genau heißt hier "Handbuch", an wessen Hände ist gedacht? Im engeren Sinne handelt es sich nicht um ein Lexikon, seine Abschnitte sind längere Aufsätze zu Sachgebieten, die für alle Jahrhunderte seit der Reformation behandelt werden. Das Handbuch folgt also auch der chronologischen Ordnung nur über die Bände hinweg, nicht in ihnen. Wer beispielsweise wissen will, was das Preußische Schuledikt war, findet es also weder in einer Chronik unter 1717 noch als eigenen Eintrag, etwa unter "Schulpflicht, angebliche", ja nicht einmal im Register, sondern nur beim Lesen des Artikels über die "Niederen Schulen und Realschulen" an einer Stelle, auf die wiederum das Register nicht verweist. Eine Kleinigkeit, gewiß - aber sie zeigt, daß ein Handbuch, das weder lexikalischen und grundbegrifflichen noch streng zeitlichen Gesichtspunkten folgt, an Nachschlagbarkeit einen Preis zahlt.
Einen Preis wofür? Zum einen dafür, daß hier die Geschichte von etwas schwer Bestimmbarem geschrieben wird. Denn was gehört nicht alles zur Bildung. Verläßlich werden in unterschiedlicher Informationsdichte die deutschen Schulen (hoch) und Universitäten (niedrig) des achtzehnten Jahrhunderts dargestellt. Die Pädagogik erwacht in den Armen der Theologie und bleibt dort auch noch eine Weile, bevor sie sich - das aber so richtig erst im dritten Band des Handbuches, was ziemlich unsinnig ist - an die Brust der Antike, der Ästhetik und der idealistischen Philosophie wirft. Daß auch die Familie Teil der Bildungsgeschichte ist und für jene Epoche die Kirchen entscheidend bei der Erziehung mitwirkten, versteht sich und wird mit eigenen Beiträgen bedacht. Nach dem Überblicksartikel zur gesellschaftlichen Physiognomie des aufgeklärten Zeitalters - von dem dann die einzelnen Beiträge nachweisen, daß es besser das Zeitalter der Aufklärungsambitionen hieße - folgt ein sehr lesenswerter über den Alltag jener Epoche, sein kollektives Zeiterleben, wie geheiratet und gereist wurde, welche Rolle Arbeit spielte und was die Intellektuellen mit der "Vernunft" vorhatten.
Den Alltag der Schulen und Universitäten würde man mitunter gern noch etwas anschaulicher geschildert sehen; für ein Handbuch, das zwanzig Seiten über Mädchenerziehung enthält, sind zwei über die akademische Vorlesung in einer Zeit, als Wolff und Kant die ihren hielten, doch ein bißchen wenig. Sieht man vom glänzenden Beitrag Jens Brunings über die protestantischen Gelehrtenschulen ab, kommt manchmal die Wirklichkeit des Unterrichts gegenüber der Institutionenkunde und den Selbstauskünften der Schulleute zu kurz. "Fortdauernde Unartigkeit der Schüler, fortdauernde Schläfrigkeit der Lehrer . . . Gar nichts Neues!" konstatierte ein zeitgenössischer Schulinspektor für das Graubündener Philanthropin in Marschlins. Auch in den "Werkstätten der Menschenfreundschaft" herrschten zuweilen rauhe Sitten und brutale Strafen. Der Autor des Artikels über die philanthropischen Musterschulen glaubt aber trotzdem, mit den Gründungen jener Zeit sei ein Bild des Lehrers als "Freund, Begleiter und Berater" zur ständigen Herausforderung für diesen Berufsstand geworden. Daß ein Erbe der aufklärerischen Pädagogik die Isolationsphantasie ist, wonach Erziehung am besten auf Inseln, in Musterdörfern, Gärten oder Instituten am See stattfindet, geht in diese Beschreibung nicht ein.
An solchen Stellen wird deutlich, worauf das Handbuch ebenfalls über weite Strecken verzichtet: auf einen ideengeschichtlichen, soziologischen oder historischen Begriff seines Gegenstandes. Man sammelt und verzeichnet mehr, als sich Theorien hinzugeben oder auch nur zu sagen, was von entscheidender Bedeutung und was mehr von nebensächlicher war. So bleibt die enorme Rolle der Psychologie für die Pädagogik des Jahrhunderts völlig im Schatten. Zu "Seele" gibt es ganze zwei Registereinträge; immerhin werden Campes entsprechende Schriften im Abschnitt über Kinder- und Jugendliteratur kurz erwähnt. David Hartley, den Erfinder der Assoziationspsychologie mit europäischem Einfluß, kennt das Handbuch nicht. Doch die Vorstellung, Erkenntnis beruhe auf Wiederholung, Erziehung sei Einwirkung und Tugend innere Gewohnheit, war grundlegend für alle Schulreformen der Zeit. Vom Stand der übrigen Wissenschaften erfährt man im Handbuch ebenfalls nur beiläufig. Den Naturwissenschaften eine Viertelseite zu gewähren und dem Rechenunterricht keine einzige ist historisch unangemessen. Daß sich der Begriff des Lernens und also der Bildung ändert, wenn es experimentelle Forschung gibt, dürfte nicht zu bestreiten sein.
Bemerkenswert ist jedenfalls die Wendung, nützliche Kenntnis durch Verlagerung der Gegenstände solchen Wissens aus dem Alltagsleben in die Schule hervorzubringen. Die künftigen Kaufleute sollen nicht mehr mit Stoffen traktiert werden, die allenfalls für Gelehrte von Bedeutung sind. Das heißt auch und im Unterschied zu heute: man glaubte damals zu wissen, wer ein künftiger Kaufmann sein wird - der Sohn eines Kaufmannes nämlich. Die alten Gelehrtenschulen unterrichteten vor allem in Bekenntnis und lateinischer Beredsamkeit. Durch den Pietismus und die "fromme Aufklärung" lösen Gesichtspunkte der Nützlichkeit das ab. Es kommen neue Unterrichtsstoffe hinzu: Geographie, Geschichte, Geometrie und Arithmetik, Botanik. Außerdem spielte man, sang, ging spazieren und sogar schwimmen. Das bis dahin dominante Diktat wurde durch Unterrichtsgespräche und durch das Schreiben von Aufsätzen ergänzt. Was in den Aufsätzen drinstand, darüber schweigt der Historiker, vielleicht weiß man es nicht mehr. Das Lesen wird im Aufsatz über die bürgerliche Literatur- und Mediengesellschaft berücksichtigt, also nur als Lesen der Erwachsenen, nicht als Lese-Unterricht. Wen wundert's? Über Schulbücher steht im Handbuch ja auch fast nichts drin.
Liest man - gegen den Verwendungssinn eines Handbuches - jeden Beitrag, dann versammeln sich auf dem Notizblock allmählich die zahlreichen Hinweise zu Stichworten, die man als Gerüst des Ganzen vermißt. Interessant beispielsweise, daß es an Jesuitenkollegien eigene Zuchtmeister gab, damit der Lehrer nicht als Strafvollzugsinstanz an Autorität einbüße. Was wäre das nicht für ein schöner Beleg in einem Artikel über die Varianten der Lehrerrolle gewesen. Die Lehrer waren zunächst Küster, Kantoren, Kirchner oder Handwerker und Berufsschreiber. Dann nimmt der Landesstaat Interesse an einer religiösen Erziehung der Untertanen. Im frühen achtzehnten Jahrhundert entsteht der Schulmeister noch als Theologe, der auf eine Pfarre wartet. Der Schulbesuch erfolgt jahreszeitlich: Gelernt wird im Winter, im Sommer wird vergessen. Die Lehrerstellen werden vererbt, eine Ausbildung im strikten Sinne gibt es für sie nicht. Auch das auch diesseits der Oberschichten verbreitete Hauslehrertum scheint noch wenig erforscht. Vielleicht hätte man dafür den Artikel über "Fürsorge und Wohlfahrtswesen" einsparen sollen. Daß die Armen Objekte besonderer erzieherischer Bemühungen gewesen waren, wird ohnehin nur auf zwei von seinen zwanzig Seiten abgehandelt. Mit demselben Recht, ja mit größerem, hätte man einen Eintrag zur Erziehung des Adels bestellen dürfen.
Was diesem Band des Handbuches also fehlt, sind stabile Kriterien dafür, was alles zur Bildungsgeschichte gehört. Man könnte auch sagen: Es fehlt an Fragen, auf die der historische Bericht eine Antwort darstellen könnte. Wie es gewesen ist, dürfte als eine solche Frage kaum ausreichen. Aber schlimm ist das nicht, der Leser kann die Fragen ja mitbringen. Zum Beispiel die: War die Aufklärung das Signum der Epoche oder eine Spezialvorstellung besonderer intellektueller Kreise? Der vom Handbuch vermittelte Eindruck, die Aufklärung sei "pädagogisch" gewesen, ist nahe an der Behauptung, das gelte auch von ihrem Zeitalter. Den Kindern aber wurde meistens gar nichts Aufklärerisches vorgetragen, sondern Disziplin, Tugend, ein bißchen Wissen und christlicher Benimm. Die Aufklärung wandte sich gar nicht an Kinder, sondern an Erwachsene. Das wäre auch in Sachen Bildungskrise wiederholenswert.
JÜRGEN KAUBE
Notker Hammerstein, Ulrich Herrmann (Hrsg.): "Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte". Band II: 18. Jahrhundert. Verlag C. H. Beck, München 2005. 583 S., geb., 118,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schulpflichtig: Das Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte
Warum es sinnvoll ist, sich mit der Bildungsgeschichte unseres Landes zu befassen, muß nicht lange erklärt werden. Wer eine Bibliothek in seiner Nähe hat oder sechshundert Euro dafür in die Hand nehmen mag, kann es jetzt auf sehr kompakte und zugleich umfassende Weise tun. Mit seinem zweiten Band - vier sind schon erschienen -, dem zum achtzehnten Jahrhundert, liegt jetzt das Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, nach knapp zwanzig Jahren Arbeit daran, abgeschlossen vor.
Was aber genau heißt hier "Handbuch", an wessen Hände ist gedacht? Im engeren Sinne handelt es sich nicht um ein Lexikon, seine Abschnitte sind längere Aufsätze zu Sachgebieten, die für alle Jahrhunderte seit der Reformation behandelt werden. Das Handbuch folgt also auch der chronologischen Ordnung nur über die Bände hinweg, nicht in ihnen. Wer beispielsweise wissen will, was das Preußische Schuledikt war, findet es also weder in einer Chronik unter 1717 noch als eigenen Eintrag, etwa unter "Schulpflicht, angebliche", ja nicht einmal im Register, sondern nur beim Lesen des Artikels über die "Niederen Schulen und Realschulen" an einer Stelle, auf die wiederum das Register nicht verweist. Eine Kleinigkeit, gewiß - aber sie zeigt, daß ein Handbuch, das weder lexikalischen und grundbegrifflichen noch streng zeitlichen Gesichtspunkten folgt, an Nachschlagbarkeit einen Preis zahlt.
Einen Preis wofür? Zum einen dafür, daß hier die Geschichte von etwas schwer Bestimmbarem geschrieben wird. Denn was gehört nicht alles zur Bildung. Verläßlich werden in unterschiedlicher Informationsdichte die deutschen Schulen (hoch) und Universitäten (niedrig) des achtzehnten Jahrhunderts dargestellt. Die Pädagogik erwacht in den Armen der Theologie und bleibt dort auch noch eine Weile, bevor sie sich - das aber so richtig erst im dritten Band des Handbuches, was ziemlich unsinnig ist - an die Brust der Antike, der Ästhetik und der idealistischen Philosophie wirft. Daß auch die Familie Teil der Bildungsgeschichte ist und für jene Epoche die Kirchen entscheidend bei der Erziehung mitwirkten, versteht sich und wird mit eigenen Beiträgen bedacht. Nach dem Überblicksartikel zur gesellschaftlichen Physiognomie des aufgeklärten Zeitalters - von dem dann die einzelnen Beiträge nachweisen, daß es besser das Zeitalter der Aufklärungsambitionen hieße - folgt ein sehr lesenswerter über den Alltag jener Epoche, sein kollektives Zeiterleben, wie geheiratet und gereist wurde, welche Rolle Arbeit spielte und was die Intellektuellen mit der "Vernunft" vorhatten.
Den Alltag der Schulen und Universitäten würde man mitunter gern noch etwas anschaulicher geschildert sehen; für ein Handbuch, das zwanzig Seiten über Mädchenerziehung enthält, sind zwei über die akademische Vorlesung in einer Zeit, als Wolff und Kant die ihren hielten, doch ein bißchen wenig. Sieht man vom glänzenden Beitrag Jens Brunings über die protestantischen Gelehrtenschulen ab, kommt manchmal die Wirklichkeit des Unterrichts gegenüber der Institutionenkunde und den Selbstauskünften der Schulleute zu kurz. "Fortdauernde Unartigkeit der Schüler, fortdauernde Schläfrigkeit der Lehrer . . . Gar nichts Neues!" konstatierte ein zeitgenössischer Schulinspektor für das Graubündener Philanthropin in Marschlins. Auch in den "Werkstätten der Menschenfreundschaft" herrschten zuweilen rauhe Sitten und brutale Strafen. Der Autor des Artikels über die philanthropischen Musterschulen glaubt aber trotzdem, mit den Gründungen jener Zeit sei ein Bild des Lehrers als "Freund, Begleiter und Berater" zur ständigen Herausforderung für diesen Berufsstand geworden. Daß ein Erbe der aufklärerischen Pädagogik die Isolationsphantasie ist, wonach Erziehung am besten auf Inseln, in Musterdörfern, Gärten oder Instituten am See stattfindet, geht in diese Beschreibung nicht ein.
An solchen Stellen wird deutlich, worauf das Handbuch ebenfalls über weite Strecken verzichtet: auf einen ideengeschichtlichen, soziologischen oder historischen Begriff seines Gegenstandes. Man sammelt und verzeichnet mehr, als sich Theorien hinzugeben oder auch nur zu sagen, was von entscheidender Bedeutung und was mehr von nebensächlicher war. So bleibt die enorme Rolle der Psychologie für die Pädagogik des Jahrhunderts völlig im Schatten. Zu "Seele" gibt es ganze zwei Registereinträge; immerhin werden Campes entsprechende Schriften im Abschnitt über Kinder- und Jugendliteratur kurz erwähnt. David Hartley, den Erfinder der Assoziationspsychologie mit europäischem Einfluß, kennt das Handbuch nicht. Doch die Vorstellung, Erkenntnis beruhe auf Wiederholung, Erziehung sei Einwirkung und Tugend innere Gewohnheit, war grundlegend für alle Schulreformen der Zeit. Vom Stand der übrigen Wissenschaften erfährt man im Handbuch ebenfalls nur beiläufig. Den Naturwissenschaften eine Viertelseite zu gewähren und dem Rechenunterricht keine einzige ist historisch unangemessen. Daß sich der Begriff des Lernens und also der Bildung ändert, wenn es experimentelle Forschung gibt, dürfte nicht zu bestreiten sein.
Bemerkenswert ist jedenfalls die Wendung, nützliche Kenntnis durch Verlagerung der Gegenstände solchen Wissens aus dem Alltagsleben in die Schule hervorzubringen. Die künftigen Kaufleute sollen nicht mehr mit Stoffen traktiert werden, die allenfalls für Gelehrte von Bedeutung sind. Das heißt auch und im Unterschied zu heute: man glaubte damals zu wissen, wer ein künftiger Kaufmann sein wird - der Sohn eines Kaufmannes nämlich. Die alten Gelehrtenschulen unterrichteten vor allem in Bekenntnis und lateinischer Beredsamkeit. Durch den Pietismus und die "fromme Aufklärung" lösen Gesichtspunkte der Nützlichkeit das ab. Es kommen neue Unterrichtsstoffe hinzu: Geographie, Geschichte, Geometrie und Arithmetik, Botanik. Außerdem spielte man, sang, ging spazieren und sogar schwimmen. Das bis dahin dominante Diktat wurde durch Unterrichtsgespräche und durch das Schreiben von Aufsätzen ergänzt. Was in den Aufsätzen drinstand, darüber schweigt der Historiker, vielleicht weiß man es nicht mehr. Das Lesen wird im Aufsatz über die bürgerliche Literatur- und Mediengesellschaft berücksichtigt, also nur als Lesen der Erwachsenen, nicht als Lese-Unterricht. Wen wundert's? Über Schulbücher steht im Handbuch ja auch fast nichts drin.
Liest man - gegen den Verwendungssinn eines Handbuches - jeden Beitrag, dann versammeln sich auf dem Notizblock allmählich die zahlreichen Hinweise zu Stichworten, die man als Gerüst des Ganzen vermißt. Interessant beispielsweise, daß es an Jesuitenkollegien eigene Zuchtmeister gab, damit der Lehrer nicht als Strafvollzugsinstanz an Autorität einbüße. Was wäre das nicht für ein schöner Beleg in einem Artikel über die Varianten der Lehrerrolle gewesen. Die Lehrer waren zunächst Küster, Kantoren, Kirchner oder Handwerker und Berufsschreiber. Dann nimmt der Landesstaat Interesse an einer religiösen Erziehung der Untertanen. Im frühen achtzehnten Jahrhundert entsteht der Schulmeister noch als Theologe, der auf eine Pfarre wartet. Der Schulbesuch erfolgt jahreszeitlich: Gelernt wird im Winter, im Sommer wird vergessen. Die Lehrerstellen werden vererbt, eine Ausbildung im strikten Sinne gibt es für sie nicht. Auch das auch diesseits der Oberschichten verbreitete Hauslehrertum scheint noch wenig erforscht. Vielleicht hätte man dafür den Artikel über "Fürsorge und Wohlfahrtswesen" einsparen sollen. Daß die Armen Objekte besonderer erzieherischer Bemühungen gewesen waren, wird ohnehin nur auf zwei von seinen zwanzig Seiten abgehandelt. Mit demselben Recht, ja mit größerem, hätte man einen Eintrag zur Erziehung des Adels bestellen dürfen.
Was diesem Band des Handbuches also fehlt, sind stabile Kriterien dafür, was alles zur Bildungsgeschichte gehört. Man könnte auch sagen: Es fehlt an Fragen, auf die der historische Bericht eine Antwort darstellen könnte. Wie es gewesen ist, dürfte als eine solche Frage kaum ausreichen. Aber schlimm ist das nicht, der Leser kann die Fragen ja mitbringen. Zum Beispiel die: War die Aufklärung das Signum der Epoche oder eine Spezialvorstellung besonderer intellektueller Kreise? Der vom Handbuch vermittelte Eindruck, die Aufklärung sei "pädagogisch" gewesen, ist nahe an der Behauptung, das gelte auch von ihrem Zeitalter. Den Kindern aber wurde meistens gar nichts Aufklärerisches vorgetragen, sondern Disziplin, Tugend, ein bißchen Wissen und christlicher Benimm. Die Aufklärung wandte sich gar nicht an Kinder, sondern an Erwachsene. Das wäre auch in Sachen Bildungskrise wiederholenswert.
JÜRGEN KAUBE
Notker Hammerstein, Ulrich Herrmann (Hrsg.): "Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte". Band II: 18. Jahrhundert. Verlag C. H. Beck, München 2005. 583 S., geb., 118,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Mit dem vorliegenden zweiten Band ist nach zwanzig Jahren das Unternehmen "Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte" abgeschlossen, resümiert Rezensent Hans-Albrecht Koch. Und es sei gut geraten, "gründlich und eingängig", trotz kleinerer Vorbehalte. Alle Bände haben zwar den gleichen systematischen Aufbau, konstatiert der Rezensent, gleichwohl kann man ihnen die veränderten wissenschaftlichen Prioritäten der letzten 20 Jahre ablesen. Die Universitätsgeschichte des 18. Jahrhunderts beispielsweise habe genügend Platz für "anschauliche Schilderung und eindringende Analyse", während für die schon früher behandelte Gegenwart "abstrahierende Zusammenfassungen" als ausreichend angesehen wurden. Eine Besonderheit des 18. Jahrhunderts im zweiten Band seien die "zahllosen" pädagogischen Theorien von Rousseau über Pestalozzi bis zum Neuhumanismus, über die der Leser "gründlich unterrichtet" werde. Auch das Theater als moralische Bildungsanstalt, so Koch, werde angemessen behandelt, ohne dass daraus gleich eine Theatergeschichte entstanden sei. "Glücklich fertig geworden" sei man auch mit den historisch unterschiedlich verankerten Schulwesen der beiden Konfessionen, denn für das katholische Gymnasialwesen werde sinnvollerweise das 17. Jahrhundert mitbehandelt. Ein wenig mehr Raum für die wichtigen Privatbibliotheken hätte sich Koch allerdings gewünscht und er zeigt sich erstaunt, dass das "reizvolle Thema" Kaffeehaus gar nicht vorkomme.
© Perlentaucher Medien GmbH
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