Raoul Schrott verfügt über "die wunderbare Kunst, sich in fremde Bilder- und Gedankenwelten einzufügen." (Jury Joseph-Breitbach-Preis 2004).
Mit seinen Essays über Poetik und Literaturkritik, über das Verhältnis von Natur- und Geisteswissenschaften, über Religion und Sprache, Jazz und Kreativität führt er den Leser in das Handwerk des Dichters ein: Schreiben und Reisen, Lesen und Übersetzen. Zusammen mit dem Journal seiner Iran-Reise während des Afghanistankrieges zeigt sich der ganz reale Horizont des Weltreisenden Raoul Schrott.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Mit seinen Essays über Poetik und Literaturkritik, über das Verhältnis von Natur- und Geisteswissenschaften, über Religion und Sprache, Jazz und Kreativität führt er den Leser in das Handwerk des Dichters ein: Schreiben und Reisen, Lesen und Übersetzen. Zusammen mit dem Journal seiner Iran-Reise während des Afghanistankrieges zeigt sich der ganz reale Horizont des Weltreisenden Raoul Schrott.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2005Alle Bälle in der Luft
Parforceritt durch das Reich der Poesie: Raoul Schrotts Essays
Wenn Gedichte wie Wolken sind, sich jedem näheren Zugriff entziehende Vexierbilder, die stets aus den gleichen Elementen bestehen und sie doch zu je neuen Formen komponieren, dann ist der Dichter als Essayist ein Wolkenputzer, ein "Schornsteinfeger auf der Jakobsleiter", dem "nur das Handwerkszeug eines Kaminkehrers zur Verfügung steht". Bei diesem luftigen Drahtseilakt läßt sich Raoul Schrott in seinem jüngsten Band beobachten, der Essays und Reden der letzten Jahre zusammenstellt.
Wie es sich für ein "Handbuch" gehört, gewinnt Schrott seinem Thema die verschiedensten Facetten ab. Er "erdet" die Poesie, um darauf aufmerksam zu machen, daß der Schöpfer solch immaterieller Gebilde, wie Gedichte es sind, gleichwohl eine materielle Basis, den schnöden Mammon, benötigt, erstellt ein "Kompendium der Blitzableitungen", um den Unwettern der wechselhaften Kritik trotzen zu können, oder begibt sich in den "Luftraum der Wolken", um dort berühmten verstorbenen oder auch vergessenen Kollegen zu begegnen oder sich gleich zum Anwalt der Poesie schlechthin aufzuschwingen. Für den nötigen Sound sorgt die Rubrik "Schall & Rauch", die den Geheimnissen von Jazz und Klassik und dem Einfluß der Poesie auf das Komponieren nachspürt, und bei wolkenlosem, sternklarem Himmel läßt sich schließlich über die "Leere des Himmels" philosophieren, der Dichter-Denker seit je zu mythischen Erzählungen, Kosmogonien und Weltzeitentwürfen angeregt hat. Die Erkundung von "Wolkenkuckucksheimen" indes hinterläßt einen verregneten Eindruck: Kulturkritik gehört nicht zu Schrotts besonderen Stärken.
Wie in allen seinen Werken macht der Dichter der "Erfindung der Poesie" Ernst mit Goethes Maxime: "Wer nicht von dreitausend Jahren / Sich weiß Rechenschaft zu geben, / Bleib im Dunkeln unerfahren, / Mag von Tag zu Tage leben." Und so nimmt er den Leser mit zu einem Parforceritt durch das Reich der Poesie und des Wissens, der jegliche zeitliche, kulturelle, sprachliche oder disziplinäre Barrieren souverän überwindet.
Der Poet ist dabei einerseits kundiger Führer und Wissender, "Welt-weiser", könnte man im doppelten Sinn des Wortes sagen, das im achtzehnten Jahrhundert synonym für Philosoph gebraucht wurde, andererseits aber auch ein sich nicht umsonst auf H. C. Artmann berufender Spieler und Taschenkünstler, dem, insbesondere wenn er von sich selbst spricht, nicht unbedingt zu trauen ist, erhebt er doch den "Jongleur" zum "Sinnbild all unserer scheinbaren Wahrheiten: Seine Gewißheit besteht allein darin, die Bälle in der Luft stehen zu sehen und die anderen vergessen zu machen, daß er sie wirft".
So ist es nicht zuletzt Schrotts sprachliche Virtuosität und sein scheinbar unerschöpflicher Fundus an Metaphern, der der Erdenschwere des Bandes entgegenwirkt und das ausgebreitete Bildungsgut kommensurabel macht, ist es der augenzwinkernde Bänkelsänger und artistische Spielmann, der dem poeta doctus bei allzuviel Gelehrsamkeit in die Parade fährt. Wenn es die Aufgabe der Kunst ist, "gegen eine kosmische Leere und ihrer vollkommenen Indifferenz eine humane Differenz zu behaupten", wenn die Literatur "Polemik der Existenz gegen das Sinnlose ist", die um ihre Vergeblichkeit und Scheinhaftigkeit schon immer weiß, dann ist Dichten jedenfalls nicht nur Wolkenputzerei, sondern auch Narretei, und sind Gedichte nicht nur Wolken, sondern "Narrengold".
THOMAS MEISSNER
Raoul Schrott: "Handbuch der Wolkenputzerei". Gesammelte Essays. Hanser Verlag, München 2005. 302 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Parforceritt durch das Reich der Poesie: Raoul Schrotts Essays
Wenn Gedichte wie Wolken sind, sich jedem näheren Zugriff entziehende Vexierbilder, die stets aus den gleichen Elementen bestehen und sie doch zu je neuen Formen komponieren, dann ist der Dichter als Essayist ein Wolkenputzer, ein "Schornsteinfeger auf der Jakobsleiter", dem "nur das Handwerkszeug eines Kaminkehrers zur Verfügung steht". Bei diesem luftigen Drahtseilakt läßt sich Raoul Schrott in seinem jüngsten Band beobachten, der Essays und Reden der letzten Jahre zusammenstellt.
Wie es sich für ein "Handbuch" gehört, gewinnt Schrott seinem Thema die verschiedensten Facetten ab. Er "erdet" die Poesie, um darauf aufmerksam zu machen, daß der Schöpfer solch immaterieller Gebilde, wie Gedichte es sind, gleichwohl eine materielle Basis, den schnöden Mammon, benötigt, erstellt ein "Kompendium der Blitzableitungen", um den Unwettern der wechselhaften Kritik trotzen zu können, oder begibt sich in den "Luftraum der Wolken", um dort berühmten verstorbenen oder auch vergessenen Kollegen zu begegnen oder sich gleich zum Anwalt der Poesie schlechthin aufzuschwingen. Für den nötigen Sound sorgt die Rubrik "Schall & Rauch", die den Geheimnissen von Jazz und Klassik und dem Einfluß der Poesie auf das Komponieren nachspürt, und bei wolkenlosem, sternklarem Himmel läßt sich schließlich über die "Leere des Himmels" philosophieren, der Dichter-Denker seit je zu mythischen Erzählungen, Kosmogonien und Weltzeitentwürfen angeregt hat. Die Erkundung von "Wolkenkuckucksheimen" indes hinterläßt einen verregneten Eindruck: Kulturkritik gehört nicht zu Schrotts besonderen Stärken.
Wie in allen seinen Werken macht der Dichter der "Erfindung der Poesie" Ernst mit Goethes Maxime: "Wer nicht von dreitausend Jahren / Sich weiß Rechenschaft zu geben, / Bleib im Dunkeln unerfahren, / Mag von Tag zu Tage leben." Und so nimmt er den Leser mit zu einem Parforceritt durch das Reich der Poesie und des Wissens, der jegliche zeitliche, kulturelle, sprachliche oder disziplinäre Barrieren souverän überwindet.
Der Poet ist dabei einerseits kundiger Führer und Wissender, "Welt-weiser", könnte man im doppelten Sinn des Wortes sagen, das im achtzehnten Jahrhundert synonym für Philosoph gebraucht wurde, andererseits aber auch ein sich nicht umsonst auf H. C. Artmann berufender Spieler und Taschenkünstler, dem, insbesondere wenn er von sich selbst spricht, nicht unbedingt zu trauen ist, erhebt er doch den "Jongleur" zum "Sinnbild all unserer scheinbaren Wahrheiten: Seine Gewißheit besteht allein darin, die Bälle in der Luft stehen zu sehen und die anderen vergessen zu machen, daß er sie wirft".
So ist es nicht zuletzt Schrotts sprachliche Virtuosität und sein scheinbar unerschöpflicher Fundus an Metaphern, der der Erdenschwere des Bandes entgegenwirkt und das ausgebreitete Bildungsgut kommensurabel macht, ist es der augenzwinkernde Bänkelsänger und artistische Spielmann, der dem poeta doctus bei allzuviel Gelehrsamkeit in die Parade fährt. Wenn es die Aufgabe der Kunst ist, "gegen eine kosmische Leere und ihrer vollkommenen Indifferenz eine humane Differenz zu behaupten", wenn die Literatur "Polemik der Existenz gegen das Sinnlose ist", die um ihre Vergeblichkeit und Scheinhaftigkeit schon immer weiß, dann ist Dichten jedenfalls nicht nur Wolkenputzerei, sondern auch Narretei, und sind Gedichte nicht nur Wolken, sondern "Narrengold".
THOMAS MEISSNER
Raoul Schrott: "Handbuch der Wolkenputzerei". Gesammelte Essays. Hanser Verlag, München 2005. 302 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Schuster, bleib bei deinen Leisten, raunt Christoph Haas Raoul Schrott warnend zu. Nach Meinung des Rezensenten ist Schrott auf seinem angestammten Terrain der Lyrik und der Übersetzung immer noch am stärksten, den Rest sollte er anderen überlassen. Nacheinander und in Bezug auf diverse Reden und Essays spricht er Schrott Witz, satirischen Biss und die Befähigung zur Polemik ab. Beim Bericht über seine Iranreise komme Schrott über "globetrotterische Allerweltsimpressionen" nicht hinaus, im schwächsten Text des Bandes, einer Rede an saarländische Studenten, entdeckt Haas nur "kulturkritische Gemeinplätze". Wenn Schrott dagegen seine Praxis der Nachdichtung historischer Texte "beredt" verteidigt, folgt der Rezensent ihm gerne bis zur letzten Zeile. Meist aber wirkt der Autor in diesem Band "so wenig überzeugend wie Bruce Willis als Zettel in einer Aufführung des 'Sommernachtstraums'", behauptet der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein furioser Poeta doctus." Manfred Papst, Neue Zürcher Zeitung, 17.04.2005