Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2005Die Zukunft der Sparkassen
Prototyp der Regionalbank - Ein Handbuch
Bernhard Schäfer (Herausgeber): Handbuch Regionalbanken. Verlag Dr. Th. Gabler, Wiesbaden 2004, 401 Seiten, 89 Euro.
Es ist auffallend, daß Bernhard Schäfer das Werk nicht "Handbuch Sparkassen" genannt hat. Immerhin verbrachte der Herausgeber sein gesamtes Berufsleben in der Sparkassenorganisation, zuletzt - bis zu seinem Rücktritt im vergangenen Jahr - als Vorstandssprecher der Sparkasse Hannover. Die Wahl des Titels ist kein Versehen. Denn Schäfer - und diese Auffassung zieht sich durch das ganze Buch - glaubt zwar an eine Zukunft der Sparkassen, aber vor allem in der Rolle von Regionalbanken. Darin mag man einen Widerspruch erkennen zu den Fusionen, aus denen nicht zuletzt die Sparkasse Hannover 2003 hervorgegangen ist und an deren Entstehung Schäfer selbst auch mitgearbeitet hat. Ihre Existenzberechtigung ziehen die Sparkassen Schäfer zufolge jedoch aus ihrer Nähe zum Kunden: "Das Europa der Regionen braucht Regionalbanken." Die Dezentralität in der Versorgung regionaler Wirtschaftsräume mit Finanzdienstleistungen hält Schäfer für den "entscheidenden Standortfaktor im europäischen Wettbewerb der Regionen". Aus dieser Verankerung und nicht aus staatlich gewährten Privilegien ziehen die Sparkassen Schäfer zufolge ihre Stärke. So weit freilich, daß die Sparkassen ihre öffentliche Rechtsform aufgeben sollten, will auch der langjährige Sparkassenfunktionär nicht gehen.
Es fragt sich jedoch, inwieweit der Begriff des "Europa der Regionen" überhaupt noch greift, um die Herausbildung der neuen Strukturen im Bankgewerbe zu beschreiben. Gewiß, zu jenen Zeiten, als Bankdirektoren eigenständig Kreditentscheidungen trafen, war räumliche Nähe ein Vorteil. Dies wird jedoch fraglich, je mehr die reine Kreditgewährung im Finanzgeschäft in den Hintergrund rückt und der Vertrieb von Bankprodukten in den Vordergrund tritt - von Bankprodukten, die heute oft komplexe Konstruktionen beinhalten. Stellt die Sparkasse da tatsächlich die geeignetste Form der Regionalbank dar, kann sie wirklich zum Prototyp künftiger Regionalbanken stilisiert werden? Möglicherweise haben die Regionalbanken der Zukunft mit denen der Vergangenheit nur wenig gemeinsam und bilden ganz neue Formen heraus.
Auch der Einfluß des Internet auf das Bankgeschäft hätte eine tiefer gehende Studie verdient als den hier abgedruckten Aufsatz des Dortmunder Professors Johannes Schwanitz. Denn das Internet wird nicht nur den Vertrieb, sondern auch die Strukturen des gesamten Bankgewerbes in Europa verändern. Angesichts der Veränderungen, die anstehen, muß um so mehr offenbleiben, ob das Konzept eines "Europas der Regionen" noch greift.
Eine der Stärken dieses Buchs im Vergleich zu ähnlicher Fachliteratur besteht auf jeden Fall darin, wie weit Schäfer bei der Wahl seiner Autoren den Bogen spannt. Zwar haben auch einige Vertreter des Verbunds wie Sparkassenpräsident Dietrich Hoppenstedt Aufsätze beigesteuert. Aber die meisten Autoren sind Universitätsprofessoren und Unternehmensberater. Man darf auf die zweite Auflage des Handbuchs gespannt sein, für die Schäfer bereits einige Akzentverschiebungen angekündigt hat. So will er sich kritisch mit dem Thema "Corporate Governance" im Sparkassensektor auseinandersetzen. Die Qualität bei der Besetzung der Verwaltungsräte habe mit den gestiegenen Anforderungen an ihre Kontrollfunktion nicht Schritt gehalten. Mit dieser Meinung wird sich Schäfer nicht nur Freunde im Sparkassenverbund machen.
CHRISTIAN VON HILLER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Prototyp der Regionalbank - Ein Handbuch
Bernhard Schäfer (Herausgeber): Handbuch Regionalbanken. Verlag Dr. Th. Gabler, Wiesbaden 2004, 401 Seiten, 89 Euro.
Es ist auffallend, daß Bernhard Schäfer das Werk nicht "Handbuch Sparkassen" genannt hat. Immerhin verbrachte der Herausgeber sein gesamtes Berufsleben in der Sparkassenorganisation, zuletzt - bis zu seinem Rücktritt im vergangenen Jahr - als Vorstandssprecher der Sparkasse Hannover. Die Wahl des Titels ist kein Versehen. Denn Schäfer - und diese Auffassung zieht sich durch das ganze Buch - glaubt zwar an eine Zukunft der Sparkassen, aber vor allem in der Rolle von Regionalbanken. Darin mag man einen Widerspruch erkennen zu den Fusionen, aus denen nicht zuletzt die Sparkasse Hannover 2003 hervorgegangen ist und an deren Entstehung Schäfer selbst auch mitgearbeitet hat. Ihre Existenzberechtigung ziehen die Sparkassen Schäfer zufolge jedoch aus ihrer Nähe zum Kunden: "Das Europa der Regionen braucht Regionalbanken." Die Dezentralität in der Versorgung regionaler Wirtschaftsräume mit Finanzdienstleistungen hält Schäfer für den "entscheidenden Standortfaktor im europäischen Wettbewerb der Regionen". Aus dieser Verankerung und nicht aus staatlich gewährten Privilegien ziehen die Sparkassen Schäfer zufolge ihre Stärke. So weit freilich, daß die Sparkassen ihre öffentliche Rechtsform aufgeben sollten, will auch der langjährige Sparkassenfunktionär nicht gehen.
Es fragt sich jedoch, inwieweit der Begriff des "Europa der Regionen" überhaupt noch greift, um die Herausbildung der neuen Strukturen im Bankgewerbe zu beschreiben. Gewiß, zu jenen Zeiten, als Bankdirektoren eigenständig Kreditentscheidungen trafen, war räumliche Nähe ein Vorteil. Dies wird jedoch fraglich, je mehr die reine Kreditgewährung im Finanzgeschäft in den Hintergrund rückt und der Vertrieb von Bankprodukten in den Vordergrund tritt - von Bankprodukten, die heute oft komplexe Konstruktionen beinhalten. Stellt die Sparkasse da tatsächlich die geeignetste Form der Regionalbank dar, kann sie wirklich zum Prototyp künftiger Regionalbanken stilisiert werden? Möglicherweise haben die Regionalbanken der Zukunft mit denen der Vergangenheit nur wenig gemeinsam und bilden ganz neue Formen heraus.
Auch der Einfluß des Internet auf das Bankgeschäft hätte eine tiefer gehende Studie verdient als den hier abgedruckten Aufsatz des Dortmunder Professors Johannes Schwanitz. Denn das Internet wird nicht nur den Vertrieb, sondern auch die Strukturen des gesamten Bankgewerbes in Europa verändern. Angesichts der Veränderungen, die anstehen, muß um so mehr offenbleiben, ob das Konzept eines "Europas der Regionen" noch greift.
Eine der Stärken dieses Buchs im Vergleich zu ähnlicher Fachliteratur besteht auf jeden Fall darin, wie weit Schäfer bei der Wahl seiner Autoren den Bogen spannt. Zwar haben auch einige Vertreter des Verbunds wie Sparkassenpräsident Dietrich Hoppenstedt Aufsätze beigesteuert. Aber die meisten Autoren sind Universitätsprofessoren und Unternehmensberater. Man darf auf die zweite Auflage des Handbuchs gespannt sein, für die Schäfer bereits einige Akzentverschiebungen angekündigt hat. So will er sich kritisch mit dem Thema "Corporate Governance" im Sparkassensektor auseinandersetzen. Die Qualität bei der Besetzung der Verwaltungsräte habe mit den gestiegenen Anforderungen an ihre Kontrollfunktion nicht Schritt gehalten. Mit dieser Meinung wird sich Schäfer nicht nur Freunde im Sparkassenverbund machen.
CHRISTIAN VON HILLER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Herausgeber Bernhard Schäfer macht sich in seinem Beitrag zum "Handbuch Regionalbanken" für die "Rolle der Regionalbanken" stark, konstatiert Christian Hiller. Sicher ist sich der Rezensent aber nicht, ob die Vorstellung eines "Europa der Regionen" bei der Entwicklung neuer Bankstrukturen greift, weshalb er dem Autor nicht in allen seinen Ausführungen zustimmen mag. Auch der Beitrag von Johannes Schwanitz über den "Einfluss des Internets" auf die Banken überzeugt den Rezensenten nicht recht und er hätte sich eine "tiefer gehende" Auseinandersetzung mit dem Thema gewünscht, wie er mäkelt. Als "Stärke" dieses Handbuchs hebt er dagegen die große Bandbreite der Autoren hervor, die diesen Band vergleichbaren Publikationen überlegen sein lassen. Denn nicht nur Vertreter des Verbundes der Sparkassen haben Beiträge geliefert, sondern vor allem Universitätsprofessoren und Unternehmensberater, so Hiller eingenommen. Nun ist er auf die zweite Auflage des Buches gespannt, für die der Herausgeber "einige Akzentverschiebungen" wie die Untersuchung des Themas "Corporate Governance" bei den Sparkassen versprochen hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH