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London 1939 - in der unerbittlichen Welt der Pubs in Earl's Court gibt sich George Harvey Bone einer hilflosen Vernarrtheit hin: Netta ist kühl, voller Verachtung und - hoffnungslos begehrenswert. George treibt in einer Hölle der Trunkenheit. In seinen »toten« Momenten jedoch, wenn etwas in seinem Kopf »klick« macht, erkennt er ohne den geringsten Zweifel, dass er Netta töten muss ... In seinem düster-komischen Roman Hangover Square evoziert Patrick Hamilton die heruntergekommene, rauchverhangene Welt der Pubs, Pensionen und versoffenen Philosophen - in einem London voller dunkler Vorahnungen in den Monaten vor Kriegsausbruch.…mehr

Produktbeschreibung
London 1939 - in der unerbittlichen Welt der Pubs in Earl's Court gibt sich George Harvey Bone einer hilflosen Vernarrtheit hin: Netta ist kühl, voller Verachtung und - hoffnungslos begehrenswert. George treibt in einer Hölle der Trunkenheit. In seinen »toten« Momenten jedoch, wenn etwas in seinem Kopf »klick« macht, erkennt er ohne den geringsten Zweifel, dass er Netta töten muss ... In seinem düster-komischen Roman Hangover Square evoziert Patrick Hamilton die heruntergekommene, rauchverhangene Welt der Pubs, Pensionen und versoffenen Philosophen - in einem London voller dunkler Vorahnungen in den Monaten vor Kriegsausbruch.
Autorenporträt
Miriam Mandelkow, 1963 in Amsterdam geboren, lebt als Übersetzerin in Hamburg. Zuletzt erschienen in ihrer Übersetzung im Dörlemann Verlag u. a. die Werke von Martha Gellhorn, Patrick Hamiltons Romane Hangover Square und Sklaven der Einsamkeit, Michael Frayns Roman Gegen Ende des Morgens, Tobys Zimmer von Pat Barker und Immer Ärger mit Harry von Jack Trevor Story. 2020 wurde sie für ihre Neuübersetzung von James Baldwins Roman Von dieser Welt (dtv 2019) mit dem Helmut-M.-Braem-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2005

Sturzverliebt und knallbetrunken
Patrick Hamiltons Roman "Hangover Square", erstmals auf deutsch / Von Tilman Spreckelsen

George liebt Netta, und Netta verachtet George. Das ist beiden klar, die junge Schauspielerin, die keine Rollen bekommt, hat es dem Mittdreißiger, der von einem kleinen Erbe lebt, oft genug gesagt. Wenn sie sich abends sehen, in irgendeinem Pub im Umkreis von Londons Earl's Court, starrt er sie dumpf an, während sie mit den anderen Gästen Witze auf seine Kosten macht oder ihn völlig ignoriert. Dann trinken sie viel, beide, und während George am nächsten Morgen die Stunden zählt, bis er es wagen kann, bei ihr anzurufen, schläft sie bis in den Mittag hinein, trinkt, geht aus und träumt davon, entdeckt zu werden.

Patrick Hamiltons Roman "Hangover Square", der 1941 erschien und nun erstmals auf deutsch vorliegt, erzählt die Geschichte eines Alkoholikers und seiner hündischen Ergebenheit, die auf Verachtung stößt, als sie zum erstenmal ausgesprochen wird: "Weil er nicht geschlafen hatte, verdarb er es so gründlich an diesem Abend in ihrer Wohnung. Er hatte viel getrunken, doch war er eher erschöpft als betrunken, als er sich ihr zu nähern versuchte, sie zu küssen versuchte. Sein Geist war umnebelt. Er mußte sich konzentrieren, um zu denken, um aufrecht zu stehen. Sie blieb einigermaßen gefaßt und verwies ihn natürlich der Wohnung. Wie ein Lamm zog er von dannen; so vernünftig war er noch. Als er schließlich in der Tür stand und Beteuerungen und Entschuldigungen vorbrachte, sagte sie: ,Ja. Gute Nacht' und schlug ihm die Tür vor der Nase zu."

So geht es immer, außer in den Momenten (die sich später zu Tagen weiten), in denen über George eine sonderbare Form des Weggetretenseins kommt, Nettas Anziehungskraft nicht mehr wirkt und etwas in ihm beschließt, daß er sie töten wird, um anschließend aufs Land zu ziehen, wo er dann, wie er sich vage ausmalt, "glücklich sein" wird.

Unter dieser Spannung steht der Roman bis zum Ende. Die Zustände, die über George kommen, wechseln unvermittelt; zwischen ihn und die Welt schiebt sich eine dünne Folie, die alle Geräusche abdämpft und jedes Mitgefühl betäubt, und weil das Buch mit einer solchen Phase anhebt, in der Georges mörderischer Entschluß ausgesprochen wird, steht dieses Vorhaben von Anfang an drohend über dem Fortgang der Handlung. Dazwischen finden sich kleine Aufhellungen des Elends; manchmal, so scheint es, hat Netta es zu weit getrieben und George endgültig genug von ihr; dann wieder kommt ein alter Freund ins Spiel, der sich des Säufers annimmt und ihm eine Perspektive bietet, aus alldem zu entkommen; am Ende aber, soviel ist rasch deutlich, wird es keinen Ausweg geben, und selbst die ländliche Utopie, fernab von allen Londoner Pubs, von Netta, erweist sich natürlich als grau und wenig rettend.

Das Dickicht aus Trunksucht, unerwiderter Liebe und zwanghaft vertaner Zeit hatte Hamilton bereits 1929 bis 1934 in seiner Trilogie "20 000 Straßen unter dem Himmel" beschrieben, jeden Teil aus der Perspektive einer anderen der drei Hauptfiguren. Einer seiner Bewunderer, der Schriftsteller J. B. Priestley, nannte das Werk 1935 Hamiltons "bisher beste Arbeit" und rühmte das große Vermögen des Autors bei der Schilderung des Milieus "in dem Gewirr des stein- und asphaltgebundenen Alltags des Londoner Kleinbürgertums".

Doch es scheint, als habe Hamilton, als er einige Jahre später "Hangover Square" begann, die Trilogie noch einmal neu schreiben wollen - kompakter, klarer, weniger sentimental und vor allem, bei aller Sympathie für seinen geschlagenen Helden, deutlich differenzierter, während er gleichzeitig die Erzählperspektive noch stärker an diese Figur band: George Bone, der hoffnungslos Liebende und haltlos Trinkende, der weichherzige Verehrer und kaltherzige Mörder, der Doppelgänger seiner selbst, ist in seiner ganzen Widersprüchlichkeit und Fragwürdigkeit ein großartiges Medium für die Atmosphäre im Londoner Westen kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.

So kommt Hamilton ganz ohne die moritathaften Kommentare aus, die noch in "20 000 Straßen unter dem Himmel" etwa den alkoholbedingten Abstieg des Mädchens Jenny zur Prostituierten mit warnenden Worten begleiten, und sein erkennbar aus eigenem Erleben gespeister Trinkerroman "Hangover Square" gewinnt seine Glaubwürdigkeit gerade aus dem Umstand, daß Hamilton der Hauptfigur bei allen Umschwüngen einfach zusieht und der Wirkung dieser Erzählweise vertraut.

Der entscheidende Fortschritt gegenüber der Trilogie aber ist, daß Hamilton keine Anstalten macht, das Rätsel Netta aufzulösen. Wir erfahren alles, was George unternimmt, wie er zu Netta redet - und gleichzeitig zwanghaft abschätzt, welche Folgen seine Worte für sein Verhältnis zu ihr haben werden. Wir erleben sein verzweifeltes Anrennen gegen ein Bollwerk von Ignoranz und Gereiztheit, gelegentlich auch schnöde Ausnutzung seiner Gutmütigkeit, so scheint es ihm - daß dahinter eine andere Wahrheit verborgen liegt, wird rasch deutlich, und daß wir von Netta selbst fast gar nichts erfahren, weil wir die verzerrte Brille George Bones tragen, eine Brille, die von Netta nur das hindurchläßt, was seine Obsession nähren kann.

Bevor er 1962 an Leberzirrhose und Nierenversagen starb, war Patrick Hamilton ein vielversprechender, erfolgreicher, sogar berühmter Autor gewesen. Seine Theaterstücke "Rope" ("Cocktail für eine Leiche") und "Gaslight" wurden von Hitchcock und Cukor verfilmt, und selbst als sein Ruhm verblaßt, seine Kreativität längst versiegt war, flossen die Tantiemen seiner Stücke noch reichlich genug für ein auskömmliches Leben - trotzdem wurde er zeitlebens seine finanziellen Sorgen nicht mehr los. Die Hoffnung auf eine bescheidene Hamilton-Renaissance in Deutschland aber erscheint mit diesem Band nicht unbegründet. Denn um das enorme Vermögen des Autors zu unterstreichen, mit kalter Hand und voller Mitgefühl das Elend seiner Zeitgenossen zu malen, hätte der Verlag kein besseres Werk präsentieren können.

Patrick Hamilton: "Hangover Square". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Miriam Mandelkow. Dörlemann Verlag, Zürich 2005. 380 S., geb., 23,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

"Hangover Square" gehört laut Michael Schmitt zu den späten Romanen Patrick Hamiltons (erschienen 1941) und profitiere eindeutig von dessen Erfahrungen als Bühnenautor. Kurz und knapp seien die Dialoge, effektsicher die einzelnen Szenen gestaltet, kontrastreich die Wechsel zwischen den inneren Zustandsbeschreibungen der Hauptfigur, eines linkischen, labilen und hoffnungslos liebenden Mannes, und den Londoner Milieubeschreibungen kurz vor Kriegsanfang. Rezensent Michael Schmitt porträtiert kurz den Erfolgsautor Hamilton, der in den 30er Jahren große Erfolge als Bühnen- und Romanautor feierte und den heute kaum noch jemand kennt. Zwei seiner Bühnenstücke wurden verfilmt, "Rope" von Alfred Hitchcock und "Gaslight von George Cukor. Sicherlich handhabt der Autor den Einsatz der wechselnden Perspektiven nicht immer ganz konsequent, gesteht Schmitt ein, auch die Nebenfiguren seien nicht immer ordentlich mit der Handlung verknüpft, aber letztlich würden diese Schwächen nur das zentrale Anliegen des Buches betonen, nämlich die seelischen Störungen von Hamiltons Helden, der "ebenso lächerlich wie herzzerreißend" ist.

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»Dieser Roman birgt so viele schöne Passagen und ist bei all seiner Traurigkeit doch so komisch, dass der Leser ergriffen dem Leidensweg des Helden folgt und sehnsüchtig auf jenen Moment wartet, wo das Klick! in seinem Kopf auch das Klick! in Nettas Schädel sein wird.« Stephan Maus / Süddeutsche Zeitung

»Hangover Square ist einer jener raren literarischen Glücksfunde, bei denen man sich fragt, warum man sie nicht schon früher gemacht hat.« Ulrich Baron / Tages-Anzeiger

»Die Hoffnung auf eine bescheidene Hamilton-Renaissance in Deutschland aber erscheint mit diesem Band nicht unbegründet. Denn um das enorme Vermögen des Autors zu unterstreichen, mit kalter Hand und voller Mitgefühl das Elend seiner Zeitgenossen zu malen, hätte der Verlag kein besseres Werk präsentieren können.« Tilman Spreckelsen / Frankfurter Allgemeine Zeitung

»Hangover Square gehört zu den späten Romanen Hamiltons und zehrt von den Erfahrungen mit der Bühne. Effektsicher und kontrastreich werden die wechselnden Zustände George Harvey Bones ausgemalt. Kurz und knapp fängt der Roman in den Dialogen die Sprache des verlotterten Earl's-Court-Milieu und seiner merkwürdigen Halbwelt ein, fügt die Geräuschekaskaden eines Bahnhofs, die Kinoprogramme der Saison, die Schlagzeilen im Vorfeld des Krieges und die Sympathien mancher Londoner für den Faschismus ein.« Michael Schmitt / Neue Zürcher Zeitung

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