Nach ihrer Emigration in die USA kehrte Hannah Arendt nur noch besuchsweise in ihr Geburtsland zurück. Ihre letzte transatlantische Reise führte die bedeutende Philosophin 1975 – wenige Monate vor ihrem Tod – in das Deutsche Literaturarchiv, dem Sie das umfangreiche Korrespondenzarchiv ihres zweiten Lehrers Karl Jaspers überlassen wollte. Vor der Übereignung sah sie den Briefnachlass noch einmal genauer durch. Zu diesem Zweck quartierte sie sich im Juni in Marbach ein und las über den Monat hinweg tausende Briefe. Ihre Lektürenotizen zeigen, dass sie sich keineswegs nur für die prominenten Briefpartner des Philosophen interessierte. Die Autorin von ›The Origins of Totalitarianism‹ (1951) und ›Eichmann in Jerusalem‹ (1963) las immer auch mit den Augen einer Historikerin, auf der Suche nach Quellen zum deutschen Alltag zwischen 1933 und 1945.