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"Das Städtchen ist sauber. Es wird jeden Freitag auf Hochglanz geputzt. Kleine Kehrwoche. Große Kehrwoche. In der großen Kehrwoche wird vor allem die Straße gefegt. Mit kräftigen Besenstößen werden Staubwolken aufgewirbelt. Sie kreiseln hoch. Sie gehen nieder. Wie `s kommt. Wo `s kommt.
"Wer am meisten wirbelt, ist der "Sauberste". Zweimal im Jahr braucht man nicht "sauber" sein. Im Gegenteil. Die sonst so rein gekehrten Straßen verwandeln sich in Müllhalden. Vor den Häusern türmen sich Berge von Matratzen, ausgedienten Schränken und kaputtem Kinderspielzeug. Für ein paar Tage. In diesen…mehr

Produktbeschreibung
"Das Städtchen ist sauber. Es wird jeden Freitag auf Hochglanz geputzt. Kleine Kehrwoche. Große Kehrwoche. In der großen Kehrwoche wird vor allem die Straße gefegt. Mit kräftigen Besenstößen werden Staubwolken aufgewirbelt. Sie kreiseln hoch. Sie gehen nieder. Wie `s kommt. Wo `s kommt.
"Wer am meisten wirbelt, ist der "Sauberste". Zweimal im Jahr braucht man nicht "sauber" sein. Im Gegenteil. Die sonst so rein gekehrten Straßen verwandeln sich in Müllhalden. Vor den Häusern türmen sich Berge von Matratzen, ausgedienten Schränken und kaputtem Kinderspielzeug. Für ein paar Tage. In diesen Tagen herrscht im Städtchen Ausnahmezustand. Ein heimlicher Krieg bricht aus. Ein Müllkrieg. Er wird nicht mit Waffen geführt, sondern mit Handys und Autos."
Es sind skurrile Gestalten, die dieses Buch von Anne Gallinat bevölkern. Romanfiguren, Zauberfiguren, biedere Leute, Messies, halbwüchsige Kriminelle, Hirnrissige, vom Leben Abgeschriebene.
Im titelgebenden "Hannes Bistro" versammeln sie sich, einem kleinstädtischen Stehimbiss zwischen vergilbten Fliesen. Darin steht der aus allen Hosenbünden quellende Hannes und macht jedem "ä Bierchen". "Scheen nachenanner." Denn hier spricht man merkwürdig, wohl so, wie das Volk spricht, mit bildhaften Wendungen, verschliffenen Sätzen, zerfetzter Grammatik. "Anners wie die Stadtoberen."Stadtrat Blücher zum Beispiel, der das Beste will, und dem die Stadt unter der Hand zerbröckelt. Herzi hingegen berlinert. Nicht weil sie aus Berlin ist, sondern weil sie es schick findet und glaubt, dass dies zu weißen Schuhen und grellgefärbten Haaren passt. Möslein wiederum spricht ein überkorrektes, altmodisches Deutsch; Möslein, der kleine verwachsene Mann, der sich eine kleine Frau und kleine Kinder wünscht, und dann als Kinderschänder in den Akten landet.
Die drei Geschichten, hier durch seltsame Protagonisten verwoben, sind Beziehungsgeschichten: Die anrührende zwischen einem sprachlich und körperlich Behinderten und seiner verhuschten Freundin, der es dennoch durch und durch geht, wenn der Zigeuner Sultan aus dem Kosovo auftaucht. Die Liebesgeschichte zwischen dem schwerstgeschädigten Alkoholiker Dr. Docter und seinem Fahrrad, dem Ulrikchen. Und die Beziehung mehrerer von Sozialhilfe lebenden Familien zu ihren Wohnblocks am Waldrand, wo man im Hof gemeinsam Kaffee trinkt und Quark ohne Boden isst. Die Geschichten spielen vor und in Müllgebirgen, auf dem laut dröhnenden Marktplatz, in Asylbewerberkasernen, aber auch im dunklen Tann zwischen Felswänden. Die Szene: eine thüringische Stadt am und im Wald.
Man merkt der Autorin ihre Herkunft aus der Filmbranche an. Kammerspiel und Große Bettleroper wechseln einander ab, Wortgefecht und Bildhintergrund geben reizvolle Kontraste, und gelegentlich marschieren auch mal etwas unmotiviert große Menschenmassen durchs Bild, allein eines schrottreifen Fahrrads wegen. Da geht es dann von der Stadt hinaus in Wald und Feld: man kann solches sich gut auf Leinwand oder Bildschirm vorstellen.
Autorenporträt
Anne Gallinat, geb. 1965 in Potsdam-Babelsberg. Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen in der Fachrichtung Filmwissenschaften und Dramaturgie. Diplom 1990. Danach verschiedene Tätigkeiten u.a. im Filmmuseum Potsdam, im Spielhaus Richtersche Vills Rudolstadt, sowie als Stadtführer. Seit 1999 Arbeit als freiberuflicher Autor. Leitet eine Schreibwerkstatt in Saalfeld und den Projektkurs »Kreatives Schreiben« am Saalfelder Heinrich-Böll-Gymnasium.