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Sieben Jahre sind vergangen, seit Dr. Hannibal Lecter aus der Haft geflohen ist, sieben Jahre, seit Special Agent Clarice Starling ihn im Hochsicherheitstrakt der Strafanstalt für geistesgestörte Straftäter interviewte. Im Austausch für Informationen über den Serienkiller Buffalo Bill mußte sie Dr. Lecter die Geheimnisse ihrer Seele offenbaren. Seit dieser Zeit ging es mit ihrer Karriere beim FBI bergab. Ihr Feind im Justizministerium will sie nach einer spektakulär mißratenen Razzia endgültig kaltstellen, da wird sie wieder auf den menschenfressenden Psychiater angesetzt. Denn Clarice…mehr

Produktbeschreibung
Sieben Jahre sind vergangen, seit Dr. Hannibal Lecter aus der Haft geflohen ist, sieben Jahre, seit Special Agent Clarice Starling ihn im Hochsicherheitstrakt der Strafanstalt für geistesgestörte Straftäter interviewte. Im Austausch für Informationen über den Serienkiller Buffalo Bill mußte sie Dr. Lecter die Geheimnisse ihrer Seele offenbaren. Seit dieser Zeit ging es mit ihrer Karriere beim FBI bergab. Ihr Feind im Justizministerium will sie nach einer spektakulär mißratenen Razzia endgültig kaltstellen, da wird sie wieder auf den menschenfressenden Psychiater angesetzt. Denn Clarice Starling ist die einzige, die ihn wirklich versteht - seine musischen Neigungen, seine Vorliebe für exquisite Speisen, schnelle Autos und seltene Weine. Sie soll ihn finden, doch sie ist nicht die einzige, die fieberhaft nach Hannibal Lecter sucht. Mason Verger, von Dr. Lecter grausam verstümmelt, hat ein Kopfgeld auf seine Ergreifung ausgesetzt, und die Rache, auf die er sinnt, kann es an ausgeklüg
elter Grausamkeit mit dem Genie des Bösen aufnehmen.
Autorenporträt
Thomas Harris beginnt seine Karriere als Journalist und schreibt hauptsächlich über Gewaltkriminalität in den USA und Mexiko. Danach ist er in New York als Reporter und Redakteur bei Associated Press angestellt. 1973 schreibt er seinen ersten Roman "Black Sunday". Sein größter Erfolg wird 1988 das Buch "Das Schweigen der Lämmer", das wochenlang die Bestsellerliste der New York Times anführt und auch als Verfilmung 1991 einen Oscar als bester Film erhält.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.06.1999

Doktor Lecter kehrt zurück
Ein Kannibale in Freiheit : "Schweigen der Lämmer", Teil zwei

NEW YORK, 11. Juni

Die "Farmacia di Santa Maria Novella" ist einer der am besten duftenden Plätze der Welt. Die Aromen seidiger Seifen, Cremes und Lotionen verbinden sich mit den Gerüchen aus den Hinterzimmern, in denen ihre Ingredienzen verfeinert und gemischt werden. Es gehört eine wohltrainierte Nase dazu, die verschiedenen Essenzen herauszuriechen. Dr. Hannibal Lecter hat eine solche Nase. Für ihn ist die Luft wie ein Gemälde, in dem eine Duftlage über der anderen liegt wie Farbschichten auf der Leinwand, Bergamotte und Sandelholz, Zimt, Mimose, Ambra. In den Gerüchen, auch den weniger erlesenen, davon ist Dr. Hannibal Lecter überzeugt, setzen sich Erinnerungen deutlicher ab als in den anderen Sinnen, die bei ihm ebenfalls zur äußersten Raffinesse ausgebildet sind.

Beim Leser ist sich Thomas Harris, der Dr. Hannibal Lecter erfunden hat und nun in der lange erwarteten Fortsetzung zum "Schweigen der Lämmer" zum Titelhelden seines neuen Romans macht, nicht so sicher. Es sei interessant zu sehen, sinniert er, bevor er uns in eine Florentiner Ausstellung mittelalterlicher Foltergeräte geleitet, ob unser durch ständige Konfrontation mit geiler Vulgarität erschlafftes Bewußtsein noch zur Aufmerksamkeit zu zwingen sei. Wir sollen nicht riechen. Aber genau hinsehen und das Böse erkennen. Beim Gang vorbei an Streckbetten und Rädern, durch deren Speichen die Glieder der Gefolterten gefädelt wurden, beschreibt Harris die "elementare Häßlichkeit, die man in den Gesichtern der Masse findet". Verglichen mit ihnen ist Hannibal, der sich den Beinamen "the cannibal" redlich verdient hat, ein soignierter Herr mit erstaunlichen Manieren.

Im fensterlosen Verlies für pathologische Dummköpfe und genialische Sadisten, dem Hochsicherheitstrakt des "Baltimore State Hospital for the Criminally Insane", in dem Dr. Lecter nahezu die gesamte Zeitspanne verbrachte, die "Das Schweigen der Lämmer" umfaßte, hatte er kaum Gelegenheit, seinen Geschmack zu pflegen. Dann aber war er ausgebrochen; niemand wußte, wo er war. Wir sehen dieselben Sterne, hatte er an die FBI-Agentin Clarice Starling geschrieben, und es war klar, daß, wenn er jemals wieder auftauchen sollte, sie davon erfahren würde.

Elf Jahre sind vergangen, seit "Das Schweigen der Lämmer" erschienen ist, neun, seit der Film mit Anthony Hopkins und Jodie Foster dem Autor Thomas Harris eine weitere Horde von Lesern und seinen Figuren eine neue Fangemeinde zuführte. Als vor nur wenigen Wochen bekanntgeworden war, daß Thomas Harris ein sechshundert Seiten dickes Manuskript bei seinen Agenten auf den Tisch geworfen und der Verlag sofort mit den Vorbereitungen für Druck und Auslieferung begonnen hatte (F.A.Z. vom 5. Mai), war der Inhalt von "Hannibal" das wohlgehütete Geheimnis weniger Eingeweihter. Gewiß war einzig, daß es eine Art Fortsetzung zum "Schweigen der Lämmer" sein sollte. Rezensenten, die bereits vorab ein Exemplar ergattern konnten, wurden bis zum Erscheinungstermin am 8. Juni zum Schweigen verpflichtet. Solche Vereinbarungen sind bindend, und so muß der britische "Observer", der seinen Lesern bereits am 6. Juni "Hannibal" dringend ans Herz legte, mit juristischen, das heißt teuren Konsequenzen rechnen.

Hannibal Lecter, das ist eine der Gewißheiten nach der Lektüre von "Hannibal", die ohne Spannungsverlust verraten werden darf, kauft gern ein. Nicht nur Seifen. Er fährt zum Beispiel fast vierhundert Meilen von Maryland nach New York, um bei "Hammacher Schlemmer" einen Picknickkorb zu erstehen. Dessen lackiertes Geflecht ist stabil wie die eingenähten Lederriemen, und die Dimensionen sind ideal. Weil der Korb aber bestückt ist mit Thermoskanne, grobem Geschirr und rustikalem Besteck, sind weitere Einkaufsstopps auf der Fifth Avenue nötig.

Hier erwirbt Hannibal Lecter französisches Porzellan (bei Tiffany) und sein Lieblingssilber (bei Christofl), jenes Besteck aus dem neunzehnten Jahrhundert, dessen Gabeln mit weit auseinanderstehenden Zacken tief gekurvt sind und dessen Messer schwer und sehr weit hinten in der Hand liegen. Hannibal Lecter, wie Leser und Kinobesucher rund um den Erdball seit dem "Roten Drachen", spätestens aber seit dem "Schweigen der Lämmer" wissen, ist ein Feinschmecker. Wenn es um die Zubereitung, die Präsentation und schließlich den Verzehr erlesener Speisen geht, ist ein ästhetischer Mißklang für Hannibal Lecter unverzeihlich. Auch das unterscheidet ihn deutlich von Mason Verger. Dieser hat ein Zusammentreffen mit Dr. Hannibal Lecter überlebt, wenn auch in unappetitlichem Zustand, und plaziert im Zentrum seiner Rachepläne eine Horde Schweine. Als Haustier hält er einen Aal.

In "Hannibal" ist die Titelfigur zum ersten Mal, seit wir sie kennen, auf freiem Fuß und kann sich völlig ungehindert entfalten. Hannibal Lecter, mit neuem Gesicht und neuem Namen, hat dies, ohne viel zu morden, sieben Jahre lang getan. So lang ist die Zeitspanne, die zwischen den Ereignissen im "Schweigen der Lämmer" und "Hannibal" liegt. Und so lange haben Hannibal Lecter und Clarice Starling nichts voneinander gehört. Bis sie sich treffen, vergehen gut hundertzwanzig Seiten, und für diese und noch weitere zweihundert ist man sich sicher, daß "Hannibal" seinen Vorgängern mindestens ebenbürtig ist. Harris hat eine andere Struktur gefunden, er hat keinen Kriminalfall konstruiert, der aufzuklären wäre, sondern eine Verfolgungs- und Jagdgeschichte, in der sich Frontverläufe und Koalitionen häufig verändern und Verräter und Verbündete nicht deutlich unterscheidbar sind, von Guten und Bösen zu schweigen. Hannibal Lecter ist, wie wir aus den früheren Büchern wissen, ein enzyklopädisch gebildeter Mann, und nun erfahren wir, daß er auch ein Mann mit Geschichte ist. Wie die schreienden Lämmer, die Clarice Starling um den Schlaf brachten, sind auch Hannibal Lecters Erinnerungen albtraumhaft, und sie haben dieselbe poetische Qualität, die sie vor der Verwechslung mit biographischen Informationen bewahrt. In den stärksten Passagen des Romans öffnen sich ganze Erinnerungspaläste mit Deckenfresken, weitläufigen Etagen und düsteren Kellerräumen; in den schwächsten finden wir hier Blümchentapeten und sauren Kitsch.

"Hannibal" ist ein irrwitziges und unendlich grausames Buch. Und leider läßt sich nicht verschweigen, daß auf gut hundert Seiten im letzten Drittel selbst bis dahin unvorstellbare Bestialität nicht ausreicht, das erschlaffende Bewußtsein wachzuhalten. Doch im letzten Teil zeigt Thomas Harris noch einmal seine Meisterschaft, und die liegt hier, neben all dem, was er schon in den vorangegangenen Romanen zeigte, in einer durch und durch bizarren Ironie.

Am Wochenende wird Stephen King in der "New York Times Book Review" Thomas Harris' Buch dafür preisen, daß es so geschickt die Grenze zwischen Popthriller und Literatur verwischt. Die Tageskritik der "New York Times" hingegen betraute ihren einfältigsten Rezensenten mit der Besprechung von "Hannibal", und ihm ist diese Ironie ebenso entgangen wie der Wechsel in Thomas Harris' Tonfall, wenn er von Hannibal Lecter erzählt. Dann verläßt er nämlich die distanzierte Perspektive des Erzählers und fällt in die intimere Wir-Form, die uns die Titelfigur so nahebringt, daß wir völlig in ihren Bann geraten.

Hannibal Lecter ist der erotischste Massenmörder seit Dracula. Seine Eleganz ist unwiderstehlich, und so hängen wir gleichsam an seinen Lippen, ob er uns von Dantes erstem Sonett erzählt oder von den Schwierigkeiten beim Zubereiten frischen Hirns, das ohne eine Nacht in Marinade unter den Händen weniger geübter Köche zerfallen würde. "The Morbidity of the Soul" sollte das Buch ursprünglich heißen, bis der Verlag entschied, das sei zu depremierend. Es wäre ein passender Titel gewesen, passend für Hannibal und all die anderen Figuren und auch für uns, die wir hoffen, ihm bald wieder zu begegnen.

VERENA LUEKEN

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Den neuen Psycho-Thriller von Thomas Harris lässt die Zeit von Jan Philipp Reemtsma besprechen. Eine vielleicht etwas makabre Wahl, aber eine gute. Denn Reemtsma hat selbst ungeheuerliche Gewalterfahrung gemacht - seine Entführung. Über das, was er in "Hannibal" gelesen hat, ist Reemtsma hellauf entsetzt. Zu offensichtlich will der Roman an den Erfolg des Kinofilm "Das Schweigen der Lämmer" anknüpfen, wie Reemtsma meint, ohne doch etwas Originelles hinzuzufügen. Reemtsma hält den Plot für ebenso plump wie die auftretenden Personen: Ein schwerreicher Bösewicht mit "Vorliebe für Martinis, gemixt mit den Tränen gequälter Kinder", Hannibal Lecter, zur absoluten Knallcharge degradiert, und natürlich die Agentin Sterling mit schrecklicher Kindheit. Über die zahlreichen kleinen und großen Fehler in dem Buch (etwa die Annahme, das Neue Testament sei in Hebräisch verfasst) mag er noch hinwegsehen, nicht aber über die schlechte deutsche Übersetzung, in der Schweine ebenso wie im Englischen "eeeeee" quieken.

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