Ritas Vater und sein 2,5-Tonner Hanomag sind wie ein eingeschworenes Team. Transporte mit dem Hanomag sichern den Lebensunterhalt der Familie. Umgekehrt behandelt der Vater seinen Lkw, als wäre er ein Lebewesen und hätte ein Herz. Anfang der 60er Jahre beschließt der Vater, in eine norddeutsche
Hafenstadt (vermutlich Bremerhaven) zu ziehen, um sein Transportgeschäft auszubauen und am…mehrRitas Vater und sein 2,5-Tonner Hanomag sind wie ein eingeschworenes Team. Transporte mit dem Hanomag sichern den Lebensunterhalt der Familie. Umgekehrt behandelt der Vater seinen Lkw, als wäre er ein Lebewesen und hätte ein Herz. Anfang der 60er Jahre beschließt der Vater, in eine norddeutsche Hafenstadt (vermutlich Bremerhaven) zu ziehen, um sein Transportgeschäft auszubauen und am Wirtschaftsaufschwung teilzuhaben. In jener Zeit war der Ausbau des Hafens zum Containerhafen im Gespräch. Die Zeiten der Personenschifffahrt, die Auswanderer in die USA transportierte, waren endgültig vorbei. Streng nach den Rollenvorstellungen der Zeit fällt der Vater die Entscheidung zum Umzug seiner Familie, ohne dass Mutter oder Tochter nach ihrer Meinung gefragt werden. Ritas Vater müsste ein größeres Fahrzeug anschaffen, er braucht einen Kredit und eine Konzession. Vom Kontakt mit dem Hafenmeister hatte er sich die Unterstützung seiner Pläne versprochen, doch der sorgt zunächst dafür, dass seine eigenen Taschen stets gefüllt sind.
Obwohl Rita mit 16 Jahren ganz mit ihren eigenen Plänen und dem Erwachsenwerden beschäftigt sein sollte, hat sie ein erstaunliches Gespür für die Anpassungsprobleme ihres Vaters und die Sicht anderer Personen auf ihre Eltern. Sich selbst betrachtet Rita als unkompliziert; die Komplikationen in ihrem Leben verursachen stets Erwachsene. Rita verfolgt die Entwicklung ihrer Mutter, die eine Stelle als Schreibkraft annimmt und durch ihr eigenes Einkommen und die Anerkennung Fremder ihre gewohnte Rolle ablegt. Rita selbst experimentiert mit verschiedenen Ferienjobs. Sie arbeitet kurze Zeit in einem Plattenladen, was die Stimmung der 60er Jahre stimmungsvoll vermittelt. Im Fadenkreuz der Gedanken stehen in den 60ern die USA, deren Musik- und Filmidole einerseits Sehnsüchte deutscher Teenager wecken, durch den Vietnamkrieg andererseits aber auch das Ende der unbeschwerten Nachkriegsjahre andeuten. Rita wächst in einer Zeit auf, in der Mädchen noch nicht einfach fortgehen oder -fahren; denn zu solchen Plänen gehörte damals noch ein Mann. So träumt Rita folgerichtig davon, gemeinsam mit einem Mann nach Alaska auszuwandern. Die für die 60er charakteristische Aufbruchsstimmung vermittelt Hella Eckert sehr atmosphärisch mit den Namen von fremden Städten und Häfen, die der Vater von Schiffen abliest und Rita von der beleuchteten Skala des Radios.
Hella Eckart erzählt in sprödem Ton aus der Ichperspektive von Rita, vordergründig von der Existenzgründung des Vaters und der Beziehung ihrer Eltern. In der melancholisch wirkenden Beschreibung der äußeren Umstände verbirgt sich der äußerst treffend beobachtete Coming-of-Age-Prozess der siebzehnjährigen Icherzählerin.