Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2020Durch die Bücher fliegen lernen
Die Geschichte des Hans Christian Andersen erzählt auf einer Kutschfahrt nach Kopenhagen.
Ein Bilderbuch von Heinz Janisch und Maja Kastelic
„Es war einmal ein Junge, der hatte es am Anfang seines Lebens gar nicht leicht. Anders gesagt, seine Kindheit hatte ganz schöne Löcher, durch die ein rauer, kalter Wind blies.“ Heinz Janisch und Maja Kastelic erzählen die Lebensgeschichte von Hans Christian Andersen und lassen staunen – über Andersens Werdegang ebenso wie über die Erzählkunst, die Autor und Illustratorin in diesem Bilderbuch unter Beweis stellen. Denn hier wird gleich auf mehreren Ebenen erzählt, die einerseits gekonnt miteinander verwoben, andererseits über die Farbgebung der Bildwelten doch klar voneinander getrennt sind. Da ist zunächst die in warmen Brauntönen und Pastellfarben gestaltete Rahmenhandlung, in der Elsa und ihre Mutter mit der Pferdekutsche nach Kopenhagen reisen. Dem Mädchen im hellblauen Knisterkleid sitzt ein älterer Herr in einem dunklen Anzug mit hellblauer Fliege gegenüber. Die beiden kommen ins Gespräch, und der Mann, der sich als H.C. Andersen zu erkennen gibt, beginnt zu erzählen: von seiner Kindheit auf der dänischen Insel Fünen, von den ärmlichen Verhältnissen, in denen er aufwächst, seinem Vater, dem Schuster,
der so früh sterben wird, und von der Faszination der Geschichten, die er abends vorgelesen bekommt. „Kein Wunder, dass Hans später selbst Theaterstücke und Geschichten schreiben sollte. Das Märchenbuch des Vaters hatte ihm Flügel geschenkt. Hans hat durch die Bücher und Geschichten fliegen gelernt!“
In ihren Bildern erschafft die Illustratorin Maja Kastelic für die Märchen – die des Vaters und jene, die Andersen später selbst schreibt – eine ganz eigene Zauberwelt, die sich durch kräftig satte Farben deutlich von der Rahmenhandlung und den sepiafarbenen Erinnerungen an die Kindheit und den ruhmreichen Aufstieg zum Schriftsteller abhebt. Und in der es viel zu entdecken gibt: Figuren und Szenen aus den Märchen der Gebrüder Grimm ebenso wie Andersens Märchenfiguren, Anspielungen auf Kinderbuchklassiker oder aber lebende Personen. Wer genau hinsieht, kann neben Pinocchio, Muminpapa und dem kleinen Prinzen auch Janisch und Mitarbeiter des NordSüd Verlags leicht verfremdet in der Menge vor dem nackten Kaiser entdecken. Gerne folgt man der so in Wort und Bild zum Märchen stilisierten Geschichte eines Lebens, in der sich Andersen selbst vom armen Entlein zum bewunderten Schwan wandelt und am Ende zwar nicht mit dem fliegenden Koffer, aber immerhin mit der Kutsche in Richtung Kopenhagen davonschwebt. (ab 4 Jahre)
MARLENE ZÖHRER
Heinz Janisch: Hans Christian Andersen. Die Reise seines Lebens. Mit Illustrationen von Maja Kastelic. NordSüd Verlag, Zürich 2020. 56 Seiten, 16 Euro.
Illustration aus Heinz Janisch und Maja Kastelic: Hans Christian Andersen. Die Reise seines Lebens
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Die Geschichte des Hans Christian Andersen erzählt auf einer Kutschfahrt nach Kopenhagen.
Ein Bilderbuch von Heinz Janisch und Maja Kastelic
„Es war einmal ein Junge, der hatte es am Anfang seines Lebens gar nicht leicht. Anders gesagt, seine Kindheit hatte ganz schöne Löcher, durch die ein rauer, kalter Wind blies.“ Heinz Janisch und Maja Kastelic erzählen die Lebensgeschichte von Hans Christian Andersen und lassen staunen – über Andersens Werdegang ebenso wie über die Erzählkunst, die Autor und Illustratorin in diesem Bilderbuch unter Beweis stellen. Denn hier wird gleich auf mehreren Ebenen erzählt, die einerseits gekonnt miteinander verwoben, andererseits über die Farbgebung der Bildwelten doch klar voneinander getrennt sind. Da ist zunächst die in warmen Brauntönen und Pastellfarben gestaltete Rahmenhandlung, in der Elsa und ihre Mutter mit der Pferdekutsche nach Kopenhagen reisen. Dem Mädchen im hellblauen Knisterkleid sitzt ein älterer Herr in einem dunklen Anzug mit hellblauer Fliege gegenüber. Die beiden kommen ins Gespräch, und der Mann, der sich als H.C. Andersen zu erkennen gibt, beginnt zu erzählen: von seiner Kindheit auf der dänischen Insel Fünen, von den ärmlichen Verhältnissen, in denen er aufwächst, seinem Vater, dem Schuster,
der so früh sterben wird, und von der Faszination der Geschichten, die er abends vorgelesen bekommt. „Kein Wunder, dass Hans später selbst Theaterstücke und Geschichten schreiben sollte. Das Märchenbuch des Vaters hatte ihm Flügel geschenkt. Hans hat durch die Bücher und Geschichten fliegen gelernt!“
In ihren Bildern erschafft die Illustratorin Maja Kastelic für die Märchen – die des Vaters und jene, die Andersen später selbst schreibt – eine ganz eigene Zauberwelt, die sich durch kräftig satte Farben deutlich von der Rahmenhandlung und den sepiafarbenen Erinnerungen an die Kindheit und den ruhmreichen Aufstieg zum Schriftsteller abhebt. Und in der es viel zu entdecken gibt: Figuren und Szenen aus den Märchen der Gebrüder Grimm ebenso wie Andersens Märchenfiguren, Anspielungen auf Kinderbuchklassiker oder aber lebende Personen. Wer genau hinsieht, kann neben Pinocchio, Muminpapa und dem kleinen Prinzen auch Janisch und Mitarbeiter des NordSüd Verlags leicht verfremdet in der Menge vor dem nackten Kaiser entdecken. Gerne folgt man der so in Wort und Bild zum Märchen stilisierten Geschichte eines Lebens, in der sich Andersen selbst vom armen Entlein zum bewunderten Schwan wandelt und am Ende zwar nicht mit dem fliegenden Koffer, aber immerhin mit der Kutsche in Richtung Kopenhagen davonschwebt. (ab 4 Jahre)
MARLENE ZÖHRER
Heinz Janisch: Hans Christian Andersen. Die Reise seines Lebens. Mit Illustrationen von Maja Kastelic. NordSüd Verlag, Zürich 2020. 56 Seiten, 16 Euro.
Illustration aus Heinz Janisch und Maja Kastelic: Hans Christian Andersen. Die Reise seines Lebens
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