Seit der Gründung des Auswärtigen Amtes 1871 gab es keinen, der ihm länger gedient hat als HansDietrich Genscher. Er prägte eine 18jährige Ära (1974 - 1992), die von dem Konflikt und der Entspannung zwischen West und Ost über das Ende des Kalten Krieges und die Vereinigung Deutschlands bis zu den Kriegen am Golf und auf dem Balkan reichte.
Auf der Grundlage vieler Gespräche mit HansDietrich Genscher, Interviews mit prominenten Zeitzeugen und der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Dokumenten des Politischen Archivs im AA hat HansDieter Heumann die erste Biographie des angesehensten deutschen Außenministers vorgelegt.
Ebenso kenntnisreich wie einfühlsam zeichnet er ein Bild des Menschen HansDietrich Genscher, indem er seine Herkunft und Prägungen schildert und seinen tieferen Triebkräften und Eigenschaften nachspürt. Ausgewogen und nicht ohne kritische Distanz würdigt er die Herausforderungen
und Leistungen Genschers auf der weltpolitischen Bühne.
Auf der Grundlage vieler Gespräche mit HansDietrich Genscher, Interviews mit prominenten Zeitzeugen und der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Dokumenten des Politischen Archivs im AA hat HansDieter Heumann die erste Biographie des angesehensten deutschen Außenministers vorgelegt.
Ebenso kenntnisreich wie einfühlsam zeichnet er ein Bild des Menschen HansDietrich Genscher, indem er seine Herkunft und Prägungen schildert und seinen tieferen Triebkräften und Eigenschaften nachspürt. Ausgewogen und nicht ohne kritische Distanz würdigt er die Herausforderungen
und Leistungen Genschers auf der weltpolitischen Bühne.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.01.2012Das Amt und die Einheit
Hans-Dietrich Genscher
Er war und ist auf Bundesebene Rekordminister in der Geschichte der Bonner Republik. Der fast 85 Jahre alte, weiterhin medienpräsente Hans-Dietrich Genscher, von 1974 bis 1985 FDP-Vorsitzender, stand von 1969 bis 1974 an der Spitze des Bundesinnenministeriums, anschließend bis 1992 an der Spitze des Auswärtigen Amts (AA). Seine 1995 veröffentlichten "Erinnerungen" sind mit tausend Seiten viel zu lang und oft zu diskret. Eine kompakte biographische Würdigung ist längst überfällig. Dieser Aufgabe stellt sich auf breiter Quellengrundlage und durch Befragung von dreißig Zeitzeugen ein gelernter Diplomat der zweiten Garnitur, der seine politikwissenschaftliche Gesellenprüfung in Bonn noch bei Karl Dietrich Bracher ablegte. Hans-Dieter Heumann, mittlerweile Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, gibt sich offen als großer Bewunderer Genschers zu erkennen. Der historischen Bedeutung und dem Vermächtnis des legendären Liberalen will er nachgehen, zudem den "großen Anteil" des AA und seiner Beamten (auch wohl durch Nennung vieler Namen von AA-Kollegen) am Prozess der Vereinigung beider deutscher Staaten in Erinnerung rufen. Er meint, Helmut Kohls Rolle als "Kanzler der Einheit" sei gegenwärtig durch die 1998 publizierten Dokumente aus dem Bundeskanzleramt. Entsprechende AA-Akten blieben bisher unter Verschluss; er aber erhielt im Jahr 2009 "exklusiven Zugang".
Das durchaus kenntnisreiche, wenn auch hin und wieder in den Ton der Hofberichterstattung fallende Buch besteht aus den drei Kapiteln "Mensch", "Politiker" und "Staatsmann". Im letzten Teil ist das Unterkapitel "Deutsche Einheit" das umfangreichste. Hier konzentriert sich der Autor auf Genschers Verdienste beim Vereinigungsprozess, dem Kanzler Kohl mit der Zehn-Punkte-Erklärung vom 28. November 1989 unerwarteten (und unabgesprochenen) Schwung verlieh, ohne die wichtigsten Probleme zu benennen: die Frage der Oder-Neiße-Grenze und die Bündniszugehörigkeit eines vereinten Deutschlands. Darum kümmerte sich fortan das AA und sein Minister. Für Genscher war die Anerkennung der polnischen Westgrenze seit den sechziger Jahren Voraussetzung für eine Wiedervereinigung. Das hatte er im September 1989 - vor dem Fall der Mauer - vor den Vereinten Nationen zum Ausdruck gebracht: "Es fehlte jeder Hinweis auf den Vorbehalt eines Friedensvertrags, den Kohl in Anspruch zu nehmen pflegte. Der Außenminister und Vizekanzler hatte nicht nur außenpolitisch, sondern auch innenpolitisch einen unverrückbaren Pflock eingeschlagen."
Im ersten Halbjahr 1990 war dann zu regeln, was bei einer Nato-Mitgliedschaft des wiedervereinigten Deutschlands sicherheitspolitisch aus dem Territorium der DDR werde. "Weder Genscher noch ein anderer westlicher Staatsmann hatte der Sowjetunion damals zugesagt, dass die Nato sich nicht für Staaten des Warschauer Pakts öffnen werde." Dazu gebe es jedenfalls keine Dokumente, schreibt Heumann. Geheimen Vermerken könne man aber entnehmen, wie Genscher 1990/91 über Alternativen zu einer Nato-Erweiterung nachdachte. Statt darüber ausführlicher zu berichten, gibt der Autor nur Genschers heutige Meinung wieder, dass nach dem Ende des Kalten Krieges "die Chance zur Einbeziehung Russlands in die Gesamteuropäische Friedensordnung verpasst worden" sei.
Laut Heumann ist Genscher erst 1994 "offiziell darüber informiert worden, dass sein Name auf einer Sammelliste für die Mitgliedschaft in der NSDAP vom August 1944 enthalten ist. Zu dieser Zeit war er längst im Kriegseinsatz. Er wurde nicht gefragt, wie viele andere Luftwaffenhelfer seines Jahrgangs auch", behauptet der Biograph und verliert kein einziges Wort über den Umgang des AA mit der Wilhelmstraßen-Vergangenheit während der Ära Genscher. Immerhin nimmt er das "Vorfeld" der Wahl zum Bundespräsidenten im Jahr 1994 - sprich: die Weizsäcker-Nachfolge - in den Blick. Hierzu sei von Genscher wenig zu erfahren. Kohl habe ihn wohl im Frühjahr 1991 gefragt, ob er als Kandidat zur Verfügung stehe. Im November habe Genscher öffentlich versichert, dass er sich nicht "bewerben" werde. Mitarbeiter von damals würden sich "wohl zu Unrecht" erinnern, "dass Genscher mit dem Gedanken spielte, aber die Initiative dem Bundeskanzler überlassen wollte". Kohl habe kein Interesse an einer Kandidatur Genschers gehabt, wäre jedoch nicht in der Lage gewesen, dessen Wahl zum Staatsoberhaupt zu verhindern, und zwar wegen Genschers Einfluss und Popularität. Klaus Kinkel, seit Mai 1992 Genschers Nachfolger als Außenminister, habe die Kandidatur "mit Kräften" betrieben. Er bestätigte, dass Genscher sich nicht von Anfang an dagegen gewehrt habe. Schließlich habe der gesundheitlich oft angeschlagene Genscher wohl gespürt, "dass seine physischen Kräfte für das Amt des Bundespräsidenten möglicherweise nicht mehr ausreichten".
RAINER BLASIUS
Hans-Dieter Heumann: Hans-Dietrich Genscher. Die Biographie. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2012. 346 S., 24,90 [Euro].
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Hans-Dietrich Genscher
Er war und ist auf Bundesebene Rekordminister in der Geschichte der Bonner Republik. Der fast 85 Jahre alte, weiterhin medienpräsente Hans-Dietrich Genscher, von 1974 bis 1985 FDP-Vorsitzender, stand von 1969 bis 1974 an der Spitze des Bundesinnenministeriums, anschließend bis 1992 an der Spitze des Auswärtigen Amts (AA). Seine 1995 veröffentlichten "Erinnerungen" sind mit tausend Seiten viel zu lang und oft zu diskret. Eine kompakte biographische Würdigung ist längst überfällig. Dieser Aufgabe stellt sich auf breiter Quellengrundlage und durch Befragung von dreißig Zeitzeugen ein gelernter Diplomat der zweiten Garnitur, der seine politikwissenschaftliche Gesellenprüfung in Bonn noch bei Karl Dietrich Bracher ablegte. Hans-Dieter Heumann, mittlerweile Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, gibt sich offen als großer Bewunderer Genschers zu erkennen. Der historischen Bedeutung und dem Vermächtnis des legendären Liberalen will er nachgehen, zudem den "großen Anteil" des AA und seiner Beamten (auch wohl durch Nennung vieler Namen von AA-Kollegen) am Prozess der Vereinigung beider deutscher Staaten in Erinnerung rufen. Er meint, Helmut Kohls Rolle als "Kanzler der Einheit" sei gegenwärtig durch die 1998 publizierten Dokumente aus dem Bundeskanzleramt. Entsprechende AA-Akten blieben bisher unter Verschluss; er aber erhielt im Jahr 2009 "exklusiven Zugang".
Das durchaus kenntnisreiche, wenn auch hin und wieder in den Ton der Hofberichterstattung fallende Buch besteht aus den drei Kapiteln "Mensch", "Politiker" und "Staatsmann". Im letzten Teil ist das Unterkapitel "Deutsche Einheit" das umfangreichste. Hier konzentriert sich der Autor auf Genschers Verdienste beim Vereinigungsprozess, dem Kanzler Kohl mit der Zehn-Punkte-Erklärung vom 28. November 1989 unerwarteten (und unabgesprochenen) Schwung verlieh, ohne die wichtigsten Probleme zu benennen: die Frage der Oder-Neiße-Grenze und die Bündniszugehörigkeit eines vereinten Deutschlands. Darum kümmerte sich fortan das AA und sein Minister. Für Genscher war die Anerkennung der polnischen Westgrenze seit den sechziger Jahren Voraussetzung für eine Wiedervereinigung. Das hatte er im September 1989 - vor dem Fall der Mauer - vor den Vereinten Nationen zum Ausdruck gebracht: "Es fehlte jeder Hinweis auf den Vorbehalt eines Friedensvertrags, den Kohl in Anspruch zu nehmen pflegte. Der Außenminister und Vizekanzler hatte nicht nur außenpolitisch, sondern auch innenpolitisch einen unverrückbaren Pflock eingeschlagen."
Im ersten Halbjahr 1990 war dann zu regeln, was bei einer Nato-Mitgliedschaft des wiedervereinigten Deutschlands sicherheitspolitisch aus dem Territorium der DDR werde. "Weder Genscher noch ein anderer westlicher Staatsmann hatte der Sowjetunion damals zugesagt, dass die Nato sich nicht für Staaten des Warschauer Pakts öffnen werde." Dazu gebe es jedenfalls keine Dokumente, schreibt Heumann. Geheimen Vermerken könne man aber entnehmen, wie Genscher 1990/91 über Alternativen zu einer Nato-Erweiterung nachdachte. Statt darüber ausführlicher zu berichten, gibt der Autor nur Genschers heutige Meinung wieder, dass nach dem Ende des Kalten Krieges "die Chance zur Einbeziehung Russlands in die Gesamteuropäische Friedensordnung verpasst worden" sei.
Laut Heumann ist Genscher erst 1994 "offiziell darüber informiert worden, dass sein Name auf einer Sammelliste für die Mitgliedschaft in der NSDAP vom August 1944 enthalten ist. Zu dieser Zeit war er längst im Kriegseinsatz. Er wurde nicht gefragt, wie viele andere Luftwaffenhelfer seines Jahrgangs auch", behauptet der Biograph und verliert kein einziges Wort über den Umgang des AA mit der Wilhelmstraßen-Vergangenheit während der Ära Genscher. Immerhin nimmt er das "Vorfeld" der Wahl zum Bundespräsidenten im Jahr 1994 - sprich: die Weizsäcker-Nachfolge - in den Blick. Hierzu sei von Genscher wenig zu erfahren. Kohl habe ihn wohl im Frühjahr 1991 gefragt, ob er als Kandidat zur Verfügung stehe. Im November habe Genscher öffentlich versichert, dass er sich nicht "bewerben" werde. Mitarbeiter von damals würden sich "wohl zu Unrecht" erinnern, "dass Genscher mit dem Gedanken spielte, aber die Initiative dem Bundeskanzler überlassen wollte". Kohl habe kein Interesse an einer Kandidatur Genschers gehabt, wäre jedoch nicht in der Lage gewesen, dessen Wahl zum Staatsoberhaupt zu verhindern, und zwar wegen Genschers Einfluss und Popularität. Klaus Kinkel, seit Mai 1992 Genschers Nachfolger als Außenminister, habe die Kandidatur "mit Kräften" betrieben. Er bestätigte, dass Genscher sich nicht von Anfang an dagegen gewehrt habe. Schließlich habe der gesundheitlich oft angeschlagene Genscher wohl gespürt, "dass seine physischen Kräfte für das Amt des Bundespräsidenten möglicherweise nicht mehr ausreichten".
RAINER BLASIUS
Hans-Dieter Heumann: Hans-Dietrich Genscher. Die Biographie. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2012. 346 S., 24,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Als Umverteilung der Verdienste um die deutsche Einheit erscheint Bernhard Küppers diese neue Biografie über Hans-Dietrich Genscher. Dass der Autor dem früheren Außenminister seinen gleichberechtigten Platz neben Kanzler Kohl einräumt, indem er auf Basis von Gesprächen (auch mit berühmten Weggenossen Genschers, wie Gorbatschow, Schewardnadse und Baker) und eigentlich noch gesperrter Akten dessen diplomatisches Geschick herausarbeitet, scheint Küppers mit Freude zu erfüllen. Wenn Hans-Dieter Heumann wiederum weitere Akteure vergisst, namentlich Rudolf Seiters, findet Küppers das umso unverständlicher. Zur Ausgewogenheit des Buches trägt für den Rezensenten allerdings das nuancierte Bild des frühen Genschers bei sowie die ins Schlusskapitel verbannte Kritik am Helden des Autors.
© Perlentaucher Medien GmbH
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