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Das Leben des Schriftstellers, Trinkers, Morphinisten und Kriminellen Hans Fallada ist zur Legende geworden. Der vorliegende Band zeigt ein differenziertes Bild des Dichters - in größtenteils bisher unveröffentlichten Fotos aus den Familienalben sowie einer umfangreichen Auswahl aus der Korrespondenz.

Produktbeschreibung
Das Leben des Schriftstellers, Trinkers, Morphinisten und Kriminellen Hans Fallada ist zur Legende geworden. Der vorliegende Band zeigt ein differenziertes Bild des Dichters - in größtenteils bisher unveröffentlichten Fotos aus den Familienalben sowie einer umfangreichen Auswahl aus der Korrespondenz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.1997

Nachteil des Hetzens
Bilder und Briefe erzählen die Geschichte Hans Falladas

Gehetzt war er sein Leben lang; Krankheiten und Unfälle schien er geradezu auf sich zu ziehen. Als er 1911, kaum achtzehn Jahre alt, mit einem Freund Selbstmord begehen wollte, gelang es ihm zwar, im vorgetäuschten Duell den andern zu erschießen, der Fangschuß aber, den er sich selbst gab, ging daneben; es blieb bei lebensgefährlicher Verletzung. Er "war der ausgesprochene Pechvogel", schrieb die Mutter später rückschauend. Da freilich zählte Hans Fallada, der eigentlich Rudolf Ditzen hieß, längst schon zu den bekannten Autoren dieses Jahrhunderts. Seine Bücher beschäftigten die Kritik, wenn sie nicht gar für politische Erregung sorgten, indem sie erzählten, "was geschah". Gleich der erste der großen Romane, "Bauern, Bonzen und Bomben", die Geschichte der mecklenburgischen Landvolkbewegung, hatte 1931 die innere Bedrohung einer Republik gezeigt, an der das Volk allenfalls halbherzig hing; ein Volk überdies, das zunehmend bedrängt war von der Frage "Kleiner Mann - was nun?"

Der Erfolg, den der gleichnamige Roman im Jahr darauf (1932) eintrug, brachte den endgültigen Durchbruch; kein Leser ahnte, daß er um den Preis der Selbstzerstörung errungen war, daß sich der Autor mit der Existenzangst seines Helden antrieb, immer schneller zu schreiben, manchmal zwanzig Seiten und mehr am Tag. Bis zur völligen Erschöpfung jagte ihn die Furcht vor dem Versagen. So rasend, wie er ihr zu entkommen suchte, mußte er der Depression zueilen. Alkohol und Drogen sorgten für trügerische Entspannung. Kuren halfen weniger von Jahr zu Jahr. Die Angst, daß seine "Aufnahmefähigkeit" nachlassen, die Einfälle ausbleiben könnten, war nicht zu überleben. Heute vor fünfzig Jahren, am 5. Februar 1947, starb Hans Fallada während der Entziehung.

Um daran zu erinnern, hat der Aufbau-Verlag, der den Autor 1945 als einen der ersten für sich gewann, jetzt einen ansprechend gestalteten Band vorgelegt, der "sein Leben in Briefen und Bildern" vorstellt. Und diese Darstellung ist nun um so reizvoller, als Fallada selbst, wie die Herausgeber schreiben, ein begeisterter Fotograf war. Zumal in den Jahren, die er im mecklenburgischen Carwitz verbrachte, auf dem kleinen Gut, das er 1933 mit den Erträgen seines Welterfolges erwarb, hat er das tägliche Leben mit beinahe dokumentarischem Eifer festgehalten. Auf den ersten Blick Bilder einer ländlichen Idylle, die in eigentümlichem Gegensatz zu der bedrohten Existenz zu stehen scheinen, von der die Briefe handeln. Wer jedoch genauer hinschaut, erkennt bald die vertrauten Züge, den ernsten Blick, die gepreßten Lippen, das verschlossene Gesicht, mit dem Rudolf Ditzen schon als Kind auffiel. Nirgends sieht man ihn herzlich ausgelassen, nicht bei der ländlichen Arbeit, nicht unter den Freunden und auch nicht im Kreis der Familie, über die er doch so heiter fabulieren konnte.

Was die Biographen bislang eher vermuten mußten, die traumatische Verstrickung der Literatur mit der eigenen Biographie, wird hier erstmals ausführlich belegt, wofür nicht zuletzt dem Sohn Uli Ditzen zu danken ist. Großzügig hat er private Alben geöffnet, Briefe und Papiere zur Verfügung gestellt, die bislang nicht einmal im Feldberger Fallada-Archiv zu sehen waren. Ins Auge fallen seltene Dokumente vom Wunschzettel des Neunjährigen bis zum Foto jenes Geldschranks, aus dem Rudolf Ditzen, als er noch Gutsinspektor war, Geld stahl, um damit der Tristesse des Alltags zu entfliehen. Nichts wird beschönigt, nichts dramatisiert. Der Ausmusterungsschein ist ebenso zu sehen wie der Mitgliedsausweis der Reichsschrifttumskammer. Und das alles kommentiert von erzählenden Briefen, die ihr nötiges Korrektiv in den eingestreuten Erinnerungen Dritter finden.

Wie im Rückspiegel erkennt der Leser den Hintergrund des epischen Werkes, die Parallelen zu dem kleinen Mann, der Angestellter, Trinker oder Häftling sein kann. Der "leidenschaftliche Erzähler" mußte berichten, mußte ausschmücken, was er "um sich sah". Wie wenige nur war er noch der Beobachtung verbunden, unberührt von intellektuellem oder gar ideologischem Ehrgeiz. Vergebens erwartete Bernard von Brentano von ihm den "Ingrimm" eines Zola. Parteilichkeit lag ihm sowenig wie ästhetische Verfeinerung. "Wenn ich einmal die erhabene Sprachglätte und Richtigkeit von Thomas Mann erreicht habe", gestand er sich 1935, "so werde ich nicht mehr Fallada sein." Sein "Können", um das ihn Hermann Broch "beneidete", war von anderer Art. Er brauchte immer neue Geschichten, mit denen sich leben ließ. "Ich bin leider", schrieb er den Eltern 1936, "in der Arbeit der geborene Hetzer, und ich kann es, so sehr ich die Schäden des Hetzens kenn, nicht lassen, immer wieder fange ich damit an." THOMAS RIETZSCHEL

Gunnar Müller-Waldeck und Roland Ulrich (Hrsg.): "Hans Fallada". Sein Leben in Bildern und Briefen. Aufbau-Verlag, Berlin 1997. 271 S. mit 217 Abb., geb., 59,90 DM.

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