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Hans Kelsen (1881-1973) gilt vielen als der Jurist des 20. Jahrhunderts. Sein Ruhm gründet sich auf seine ebenso oft gepriesene wie missverstandene Reine Rechtslehre. Aber Kelsen war mehr als ein Jurist. Er war ein eminenter Demokratietheoretiker, der mit seiner Studie Wesen und Wert der Demokratie eine der wichtigsten Schriften zur Demokratiebegründung überhaupt vorgelegt hat. Und nicht zuletzt war er ein bedeutender Völkerrechtler und Verfasser einer imposanten Reihe ideologiekritischer Schriften.

Produktbeschreibung
Hans Kelsen (1881-1973) gilt vielen als der Jurist des 20. Jahrhunderts. Sein Ruhm gründet sich auf seine ebenso oft gepriesene wie missverstandene Reine Rechtslehre. Aber Kelsen war mehr als ein Jurist. Er war ein eminenter Demokratietheoretiker, der mit seiner Studie Wesen und Wert der Demokratie eine der wichtigsten Schriften zur Demokratiebegründung überhaupt vorgelegt hat. Und nicht zuletzt war er ein bedeutender Völkerrechtler und Verfasser einer imposanten Reihe ideologiekritischer Schriften.
Autorenporträt
Horst Dreier war von 1995 bis 2020 Ordinarius für Rechtsphilosophie, Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Würzburg; seit 2003 Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, seit 2007 der Leopoldina, von 2001 bis 2007 des Nationalen Ethikrats.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2023

Nicht ohne Fiktionen
Horst Dreier über Leben und Werk Hans Kelsens

Was macht das Recht zum Recht? Die Überzeugungskraft seiner Gründe kann es nicht sein. Sollen Gesetze gesellschaftlichen Streit schlichten, kann ihre Geltung nicht von moralischen Bewertungen abhängen, über die ihrerseits gestritten wird. Unter welchen Bedingungen aus Parlamentsreden Gesetze und aus Jaworten Ehen werden, bestimmt das moderne Recht daher im Regelfall gleich selbst. Zuerst systematisch durchdacht hat die Folgen dieses Phänomens der 1881 geborene Jurist Hans Kelsen. Über Leben und Werk dieses außergewöhnlichen Gelehrten unterrichtet nun ein ebenso kundiges wie elegantes Buch des emeritierten Würzburger Verfassungsrechtlers Horst Dreier. Es bietet eine von kritischer Sympathie getragene Erläuterung der wesentlichen Schriften, die seit Jahren von Matthias Jestaedt und dem Wiener Hans Kelsen Institut in einer verdienstvollen Werkausgabe ediert werden, und einen systematischen Zugang zur Theorie. In deren Zentrum steht eine Strukturanalyse des modernen Rechts und eine passionierte Verteidigung pluralistischer Demokratie. Dass diese beiden Seiten von Kelsens Werk zusammengelesen werden müssen, hatte Dreier schon 1986 in einer fulminanten Studie hervorgehoben.

Weil Kelsen praktische Fragen nicht für wahrheitsfähig hielt, konnte der Inhalt von Rechtsnormen am Ende nur von Mehrheiten abhängen. Der Rechtswissenschaft schrieb er deshalb ins Stammbuch, sie solle sich lieber mit einer Beschreibung möglicher Auslegungsvarianten begnügen. Damit griff Kelsen eine Tradition an, die sich selbst kraft ihrer Argumente für die letzte Quelle des Rechts hielt. Besonders unter deutschen Juristen machte er sich so wenig Freunde. Schon in seiner Wiener Habilitationsschrift hatte er 1911 scharf mit seiner Zunft abgerechnet. Seitdem wurde Kelsen nicht müde, ihr zu mehr Wissenschaftlichkeit und weniger Denkfehlern zu raten.

Kelsens akademische Karriere begann, vom latenten Antisemitismus ausgebremst, erst, als das Habsburgerreich zerbrach. Als juristischer Berater des ersten republikanischen Kanzlers Karl Renner prägte er die österreichische Verfassung von 1920 mit, entwarf eine moderne Verfassungsgerichtsbarkeit und wurde selbst engagierter Verfassungsrichter, ehe er 1930 vor der aufgeheizten Stimmung ausgerechnet nach Deutschland floh. 1933 wurde er von seinem Kölner Lehrstuhl vertrieben. Im Exil in Berkeley unterzog er seine Rechtslehre einer Revision, deren wichtigste Modifikationen sich bei Dreier konzentriert nachverfolgen lassen, und arbeitete zuletzt an einer allgemeinen Theorie der Normen.

Dreier erinnert eindrücklich an das erschreckende Maß an Unverständnis, Missdeutung und antisemitischem Hass, dem Kelsen lange ausgesetzt war. Als das Verfassungsrecht in der jungen Bundesrepublik nach theoretischer Orientierung suchte, ließ es den liberalen Sozialdemokraten Kelsen links liegen und entschied sich stattdessen für seine Weimarer Antipoden Schmitt und Smend, die mit dem Nationalsozialismus gemeinsame Sache gemacht oder sich gegenüber der sterbenden Republik durch faschistoiden Tiefsinn profiliert hatten. Anhaltspunkte für eine sinnvolle verfassungsrechtliche Methodik ließen sich bei Kelsen allerdings tatsächlich kaum finden.

Das Buch schöpft aus einem souveränen Überblick zum Forschungsstand, den nicht zuletzt Dreier durch maßgebliche Untersuchungen selbst wesentlich mitgeprägt hat. Wenn man sich noch etwas gewünscht hätte, dann dass Kelsen mehr mit jenen Vertretern einer analytischen Rechtstheorie ins Gespräch gebracht würde, die ihn wie H. L. A. Hart und Joseph Raz aufmerksam gelesen haben.

Kelsen war nämlich alles andere als ein typischer Positivist. Sosehr er die Unabhängigkeit des Rechts von Moral, Ethik und Theologie betonte, so wenig wollte er es auf Gewohnheit, Macht oder Politik zurückführen. Wer wissen will, ob eine Verordnung gültig ist, schaut nicht ins Lobbyregister, sondern ins Gesetz. Während frühere wie spätere Rechtspositivisten die These eint, dass Recht sich auf soziale Fakten zurückführen lässt, ging Kelsen einen anderen Weg. Was steht am Ende der Hierarchie von Normen, die vom Verwaltungsakt bis zur Verfassung reicht? Kelsen behauptete, zuletzt müsse man ihre Geltung in einer hypothetischen Grundnorm einfach unterstellen, die er mal eine Fiktion, mal eine transzendentale Bedingung nannte. Sie hat nicht viele Anhänger gefunden, aber die bleibende Frage aufgeworfen, wie man das Recht zugleich als soziale Technik verstehen und doch seine innere Verpflichtungskraft erklären kann. CHRISTIAN NEUMEIER

Horst Dreier: "Hans Kelsen zur Einführung". Junius Verlag,

Hamburg 2023. 280 S., br., 17,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Auf so "kundige wie elegante" Weise wird Rezensent Christian Neumeier in diesem Band das Leben und Werk des berühmten Rechtswissenschaftlers Hans Kelsen nähergebracht. Der emeritierte Jurist und Rechtsphilosoph Horst Dreier erläutert hier die wichtigsten Schriften Kelsers, die sich mit grundlegenden Fragen zur Entstehung von Rechtsnormen auseinandersetzen, informiert der Kritiker. Dreier führt systematisch in Kelsers Theorien ein, der zum Kreis der österreichischen Rechtspositivisten gehörte, aber, betont Neumeier, keiner ihrer typischen Vertreter war. Das Buch leistet einen "souveränen Überblick" des aktuellen Forschungsstandes, so der Rezensent, der sich lediglich eine größere Auseinandersetzung mit Rechtsanalytikern wie H.L.A. Hart gewünscht hätte. Eindringlich schildert Dreier auch die Diskriminierungen und Schwierigkeiten, denen Kelsen im Dritten Reich und auch in der jungen Bundesrepublik ausgesetzt war, schreibt der überzeugte Kritiker.

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