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"Die Geschichte der RAF ist auch eine der Bilder, die sie inszeniert, beschworen und hinterlassen hat: wenn ich heute die in diesem Buch versammelten Photos betrachte, sind die, auch für mich als einstige Akteurin der Roten Armee Fraktion, ein Stück Zeitgeschichte. Sie sind Dokumente der wohl dramatischsten Auseinandersetzung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Sie zeugen vom Tod in einem nicht erklärten Bürgerkrieg, sie zeugen von Tragik. Sie bringen unmittelbar zu Ausdruck, wie sich aus einer spontanen Rebellion, auf die der Staat mit überzogener Härte reagierte, eine…mehr

Produktbeschreibung
"Die Geschichte der RAF ist auch eine der Bilder, die sie inszeniert, beschworen und hinterlassen hat: wenn ich heute die in diesem Buch versammelten Photos betrachte, sind die, auch für mich als einstige Akteurin der Roten Armee Fraktion, ein Stück Zeitgeschichte. Sie sind Dokumente der wohl dramatischsten Auseinandersetzung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Sie zeugen vom Tod in einem nicht erklärten Bürgerkrieg, sie zeugen von Tragik. Sie bringen unmittelbar zu Ausdruck, wie sich aus einer spontanen Rebellion, auf die der Staat mit überzogener Härte reagierte, eine gnadenloser, sinnloser Kampf entwickelt hat. Dieses Buch ist naturgemäß auch eine Annäherung an meine eigene Geschichte und die von Mythen verzerrte Geschichte der RAF." Astrid Proll
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.01.1999

Bewaffnete Folklore
Der Terrorismus und die Toten

Astrid Proll (Herausgeber): Hans und Grete. Die RAF 1967-1977. Steidl Verlag, Göttingen 1998. 141 Seiten, Abbildungen, 29,80 Mark.

Hans-Peter Feldmann: Die Toten. 1967-1993. Studentenbewegung, APO, Baader-Meinhof, Bewegung 2. Juni, Revolutionäre Zellen, RAF, . . . Feldmann Verlag, Düsseldorf 1998. 192 Seiten, 90 Abbildungen, 24,80 Mark.

"This is Baader-Meinhof" heißt die Internet-Website, die der amerikanische Autor Richard Vincent Huffman unterhält, um schon heute kundzutun, daß in einem Jahr sein Buch über die RAF unter dem Titel "Bonnie und Clyde" erscheinen wird (www.baader-meinhof.com). Eine andere Merkwürdigkeit, der von der einstigen RAF-Weggefährtin Astrid Proll herausgegebene Bildband über "Die RAF 67-77", hingegen trägt den Titel "Hans und Grete", das waren die Decknamen, die Andreas Baader und Gudrun Ensslin sich ausgesucht hatten. Damit wäre die Rote-Armee-Fraktion in der bunten Welt der Folklore angekommen, bei amerikanischen Gangsterlegenden und deutschen Märchen. "Hänsel und Gretel" für Erwachsene, bloß ist es am Ende nicht die böse Hexe, die tot ist.

In der Einleitung schreibt Astrid Proll: "Es ging immer um Andreas Baader. Die RAF war, so betrachtet, eine BBF, eine Befreit-Baader-Fraktion." Folgerichtig endet der Band nicht mit der Beerdigung von Ensslin, Baader und Raspe, sondern mit dem Foto von Baader, wie er tot auf dem Boden liegt, den Kopf in einer Blutlache. Dieses Bild ist so bekannt wie die meisten anderen der hier wiedergegebenen. Die nicht bekannten sind Schnappschüsse von jungen Menschen mit später berühmten Gesichtern. Deren Freunde mögen die gerne betrachten wollen, für Außenstehende sind sie aber uninteressant. "Hans und Grete" ist, was der harmlose Titel ankündigt: ein Familienalbum zur Erinnerung an alte Zeiten (This was Baader-Meinhof).

Was nun aber bleibt, nachdem die RAF sich mittlerweile ganz offiziell aufgelöst hat, ist nicht gewiß, denn gewiß ist nur der Tod, und wer tot ist, bleibt es auch. Das steht fest. Weil es feststeht, drückt einem der Bildband "Die Toten. 1967-1993" des Düsseldorfer Künstlers Hans-Peter Feldmann fast das Herz ab, denn hier werden ausschließlich Menschen gezeigt, die nicht mehr leben und die alle in irgendeinem Zusammenhang mit den Aktivitäten der im Titel aufgezählten Bewegungen, Gruppierungen, Organisationen - "Studentenbewegung, APO, Baader-Meinhof, Bewegung 2. Juni, Revolutionäre Zellen, RAF, . . ." - ums Leben kamen.

Die Bilder, die Feldmann versammelt hat, wurden alle zuvor schon in Printmedien veröffentlicht. Nicht auf Hochglanz-, sondern auf einfachem Druckpapier, in graubraunen Karton gebunden, führt er nun vor, woran nicht zu deuteln ist, egal, wie man zu den Ereignissen der anderthalb Jahrzehnte zwischen dem Tod von Benno Ohnesorg und dem von Wolfgang Grams stehen mag. Die hier gezeigten Toten waren Mitglieder verschiedener bewaffneter Gruppen oder deren Opfer, sie waren Polizisten, Soldaten oder gänzlich Unbeteiligte, die zufällig im Schußfeld standen, als die anderen ihre Politik betrieben. Auf den Fotos sieht man sie teils noch lebendig, teils schon als Leiche; manchmal ist der Ort abgebildet, an dem sie starben. Unter den Fotos stehen der Name der oder des Toten und das Todesdatum. Was sich einstellt, wenn man das Buch betrachtet, ist ein Gefühl des Terrors: "terror, oris, m; latein. - Schreck(en)". Diese Übersetzung stellt Feldmann seinem Buch wie ein Motto voran, das ist sein einziger Kommentar.

Hans-Peter Feldmann zeigt lakonisch und unideologisch ein bestimmtes Ergebnis einer bestimmten Politik, Astrid Proll begnügt sich mit der privaten Erinnerung an einige ihrer Protagonisten. Anhand der jeweils ausgewählten Bilder von Gudrun Ensslin kann man das gut erkennen: Astrid Proll präsentiert (unter vielen anderen) einige Bilder, die Gudrun Ensslin in Anstaltskleidung bei einer Gegenüberstellung im Gefängnis zeigen, und bemerkt dazu: "In Kittel und Sandalen erscheint Gudrun wie ein dressiertes Kind in einem Nazi-Heim." In der Tat ist es leicht, da ein Kind zu sehen, allerdings sehe ich ein anderes, nämlich das vierte von sieben im schwäbischen Pfarrhaus, das mit hoch angespannter Aufmerksamkeit an einem großen Spiel teilnimmt. Das hat nichts von Dressur und Kinderheim, sondern etwas Rührendes.

Bei Hans-Peter Feldmann steht unter sechs Bildern als Todesdatum "18. 10. 1977". Für Gudrun Ensslin hat er ein Foto ausgewählt, das Michael Ruetz am 16. Juli 1967 auf dem Flughafen Tempelhof aufgenommen hat, als bei einem Tag der offenen Tür gegen den Krieg in Vietnam protestiert wurde. Gudrun Ensslin schiebt einen Kinderwagen; auf dem Karton, den der Mann an ihrer Seite in die Luft hält, steht: "Sagt euren Kindern, was ihr gelernt habt: Waffen sind kein Spielzeug!"

IRIS HANIKA

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