'Eine kompetente, umfassende Biographie des großen Komponisten Hans Werner Henze, einer der wichtigsten und international angesehensten Musikerpersönlichkeiten der Gegenwart, ist längst überfällig. Der Kulturhistoriker und erfahrene Biograph Jens Rosteck legt sie nun nach jahrelanger intensiver Beschäftigung mit Henzes Leben und Werk vor.
Henze war eine Ausnahmeerscheinung der deutschen Nachkriegskultur. Seine Opern lösten Eklats aus. Als radikaler Nonkonformist kehrte er der Enge der Adenauer-Jahre den Rücken, um sich in Italien niederzulassen. Als erklärter Pazifist und Antifaschist ergriff er 1968 die Partei der aufbegehrenden Studenten, solidarisierte sich mit kubanischen Revolutionären und beherbergte den vom Attentat genesenden Rudi Dutschke. Er stand in engem Austausch mit führenden Musikern und Schriftstellern seiner Zeit - die Freundschaft mit der Dichterin Ingeborg Bachmann ist legendär. Henze hat nicht nur großartige Werke von Weltrang geschaffen, sondern ein faszinierend vielseitiges Leben geführt.
Furios zeichnet Rosteck den an Höhen und Tiefen reichen Lebensweg Henzes nach: Kindheit in Westfalen, Kriegsdienst im untergehenden Dritten Reich, Gefangenschaft, Kompositionsstudium und erste Werke, Karriere an deutschen Musiktheatern, politisches Engagement und internationale Erfolge. Sachkundig führt er uns in Henzes ungewöhnlich vielfältiges Werk ein und erzählt die Anekdoten, die sich um dessen Entstehung, Aufführung und Resonanz ranken. Dabei stützt er sich auf umfangreiches Quellenmaterial sowie Gespräche mit Weggefährten. Das Ergebnis ist ein beeindruckendes Porträt des Menschen Hans Werner Henze, zugleich ein spannendes Kapitel jüngster Musik- und Zeitgeschichte.
Im Rahmen der Ruhr 2010 stehen Hans Werner Henze und seine Werke im Zentrum eines musikalischen Netzwerks, das entsteht, um ihn als einen der wichtigsten lebenden Künstler der Region zu ehren. Die Metropole Ruhr verneigt sich vor einem einzigartigen Komponisten, Musiker und Zeitgenossen. Weitere Informationen finden Sie unter www.ruhr2010.de/henze-projekt/home.html
Henze war eine Ausnahmeerscheinung der deutschen Nachkriegskultur. Seine Opern lösten Eklats aus. Als radikaler Nonkonformist kehrte er der Enge der Adenauer-Jahre den Rücken, um sich in Italien niederzulassen. Als erklärter Pazifist und Antifaschist ergriff er 1968 die Partei der aufbegehrenden Studenten, solidarisierte sich mit kubanischen Revolutionären und beherbergte den vom Attentat genesenden Rudi Dutschke. Er stand in engem Austausch mit führenden Musikern und Schriftstellern seiner Zeit - die Freundschaft mit der Dichterin Ingeborg Bachmann ist legendär. Henze hat nicht nur großartige Werke von Weltrang geschaffen, sondern ein faszinierend vielseitiges Leben geführt.
Furios zeichnet Rosteck den an Höhen und Tiefen reichen Lebensweg Henzes nach: Kindheit in Westfalen, Kriegsdienst im untergehenden Dritten Reich, Gefangenschaft, Kompositionsstudium und erste Werke, Karriere an deutschen Musiktheatern, politisches Engagement und internationale Erfolge. Sachkundig führt er uns in Henzes ungewöhnlich vielfältiges Werk ein und erzählt die Anekdoten, die sich um dessen Entstehung, Aufführung und Resonanz ranken. Dabei stützt er sich auf umfangreiches Quellenmaterial sowie Gespräche mit Weggefährten. Das Ergebnis ist ein beeindruckendes Porträt des Menschen Hans Werner Henze, zugleich ein spannendes Kapitel jüngster Musik- und Zeitgeschichte.
Im Rahmen der Ruhr 2010 stehen Hans Werner Henze und seine Werke im Zentrum eines musikalischen Netzwerks, das entsteht, um ihn als einen der wichtigsten lebenden Künstler der Region zu ehren. Die Metropole Ruhr verneigt sich vor einem einzigartigen Komponisten, Musiker und Zeitgenossen. Weitere Informationen finden Sie unter www.ruhr2010.de/henze-projekt/home.html
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2009Träumen von der Kunstfigur
Jens Rostecks Lebensbild von Hans Werner Henze malt ein modernes Künstlermärchen phantasievoll aus.
Von Julia Spinola
Superlative haben in der Kunst meistens etwas Gewaltsames, ja auch leicht Dilettantisches. Wer würde allen Ernstes auf einer bloßen Wichtigkeitsskala einen Mozart gegen einen Beethoven ausspielen wollen? Dass Hans Werner Henze zu den produktivsten und prägendsten Komponisten seiner Generation zählt, daran wird niemand zweifeln. Aber wird man ihm wirklich gerecht, wenn man ihn zu einer Art Musikpapst überhöht, indem man zwar begründungslos, aber dennoch "ohne Einschränkung" konstatiert, "dass Henze, 1926 geboren, die überragende, maßstabsetzende Komponistenpersönlichkeit der Bundesrepublik Deutschland darstellt" und dass er "ohne jeden Zweifel auch im Ausland als wichtigster und angesehenster deutscher Tonschöpfer" gelte?
Jens Rosteck, der jetzt den ersten großen Lebensbericht über Henze vorlegt, hat ein Faible für Superlative. Aber seine Darstellungen haben auch mit ihnen zu kämpfen. Um etwa das Bild nach der anfänglich einschüchternd aufgestellten Behauptung unübertroffener Bedeutsamkeit geradezurücken, muss sich das gesamte erste Kapitel daran abmühen, Henze andererseits und beinahe ebenso begründungsarm als "Randfigur", "unbequemes Sprachrohr", "Persona non grata", ja als "Buhmann der Musik-Nation" ins rechte Licht zu setzen.
Die Krux an Rostecks emphatisch geschriebenem Buch, das ausführlich und sorgfältig alle verfügbaren Details und Daten zu einer gut lesbaren Chronologie verarbeitet, liegt genau in jener leicht schwärmerischen, ein wenig naiven, vom Glanz der Größe geblendeten Perspektive. Rosteck meint, eine solche Biographie unter "rein menschlichen" Aspekten in den Blick nehmen zu können, während ihr Inhalt, die schöpferische Produktion, fast ausnahmslos nur in Zitatcollagen aus Aufführungskritiken gestreift wird. Denn - um bei den Superlativen zu bleiben - kein anderer Komponist der Nachkriegsgeneration hat wohl sein Leben derartig radikal den Gesetzen seiner Kunst unterworfen und es so konsequent den eigenen ästhetischen Idealen angeglichen wie Henze, der aus der westfälischen Enge seines nationalsozialistisch geprägten Elternhauses nach Italien aufbrach, um sich in der märchenhaften Existenz auf "La Leprara", seinem Gut in der römischen Campagna, als Kunstfigur neu zu erfinden.
Rosteck versucht diese Leerstelle durch einen mimetischen, sich phantasievoll in die Innenperspektive des Protagonisten versenkenden Sprachstil zu kompensieren. Es hat etwas Anrührendes, wie er die Bedrohungen und Demütigungen des jungen Henze durch die väterliche Spießermoral schildert. Es gelingen ihm auch eindringliche Portraits der Beziehungen zu Ingeborg Bachmann und zu Henzes langjährigem Lebensgefährten und Adoptivsohn Fausto Moroni, seinem achtzehn Jahre jüngeren, 2007 verstorbenen "byzantischen Fürstenkind".
Der romanhafte Stil lässt dabei die Grenzen zwischen der Rede des Autors und derjenigen Henzes mitunter verschwimmen - dies umso mehr, als neben den zahlreichen Arbeitsberichten und Essaysammlungen, die Henze publiziert hat, dessen 1996 erschienene Autobiographie als eine Hauptquelle dient. Auch inwieweit persönliche Begegnungen Rostecks mit Henze in die Darstellung mit eingeflossen sind, zählt zu den Geheimnissen dieses knapp sechshundert Seiten langen Lebensberichts. Wesentliche neue Aufschlüsse bietet er nicht. Wer sich aber in ein bewegendes modernes Künstlermärchen hineinträumen möchte, dem sei Rostecks Buch ans Herz gelegt.
Jens Rosteck: "Hans Werner Henze". Rosen und Revolutionen. Propyläen Verlag, Berlin 2009. 576 S., Abb., geb., 26,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jens Rostecks Lebensbild von Hans Werner Henze malt ein modernes Künstlermärchen phantasievoll aus.
Von Julia Spinola
Superlative haben in der Kunst meistens etwas Gewaltsames, ja auch leicht Dilettantisches. Wer würde allen Ernstes auf einer bloßen Wichtigkeitsskala einen Mozart gegen einen Beethoven ausspielen wollen? Dass Hans Werner Henze zu den produktivsten und prägendsten Komponisten seiner Generation zählt, daran wird niemand zweifeln. Aber wird man ihm wirklich gerecht, wenn man ihn zu einer Art Musikpapst überhöht, indem man zwar begründungslos, aber dennoch "ohne Einschränkung" konstatiert, "dass Henze, 1926 geboren, die überragende, maßstabsetzende Komponistenpersönlichkeit der Bundesrepublik Deutschland darstellt" und dass er "ohne jeden Zweifel auch im Ausland als wichtigster und angesehenster deutscher Tonschöpfer" gelte?
Jens Rosteck, der jetzt den ersten großen Lebensbericht über Henze vorlegt, hat ein Faible für Superlative. Aber seine Darstellungen haben auch mit ihnen zu kämpfen. Um etwa das Bild nach der anfänglich einschüchternd aufgestellten Behauptung unübertroffener Bedeutsamkeit geradezurücken, muss sich das gesamte erste Kapitel daran abmühen, Henze andererseits und beinahe ebenso begründungsarm als "Randfigur", "unbequemes Sprachrohr", "Persona non grata", ja als "Buhmann der Musik-Nation" ins rechte Licht zu setzen.
Die Krux an Rostecks emphatisch geschriebenem Buch, das ausführlich und sorgfältig alle verfügbaren Details und Daten zu einer gut lesbaren Chronologie verarbeitet, liegt genau in jener leicht schwärmerischen, ein wenig naiven, vom Glanz der Größe geblendeten Perspektive. Rosteck meint, eine solche Biographie unter "rein menschlichen" Aspekten in den Blick nehmen zu können, während ihr Inhalt, die schöpferische Produktion, fast ausnahmslos nur in Zitatcollagen aus Aufführungskritiken gestreift wird. Denn - um bei den Superlativen zu bleiben - kein anderer Komponist der Nachkriegsgeneration hat wohl sein Leben derartig radikal den Gesetzen seiner Kunst unterworfen und es so konsequent den eigenen ästhetischen Idealen angeglichen wie Henze, der aus der westfälischen Enge seines nationalsozialistisch geprägten Elternhauses nach Italien aufbrach, um sich in der märchenhaften Existenz auf "La Leprara", seinem Gut in der römischen Campagna, als Kunstfigur neu zu erfinden.
Rosteck versucht diese Leerstelle durch einen mimetischen, sich phantasievoll in die Innenperspektive des Protagonisten versenkenden Sprachstil zu kompensieren. Es hat etwas Anrührendes, wie er die Bedrohungen und Demütigungen des jungen Henze durch die väterliche Spießermoral schildert. Es gelingen ihm auch eindringliche Portraits der Beziehungen zu Ingeborg Bachmann und zu Henzes langjährigem Lebensgefährten und Adoptivsohn Fausto Moroni, seinem achtzehn Jahre jüngeren, 2007 verstorbenen "byzantischen Fürstenkind".
Der romanhafte Stil lässt dabei die Grenzen zwischen der Rede des Autors und derjenigen Henzes mitunter verschwimmen - dies umso mehr, als neben den zahlreichen Arbeitsberichten und Essaysammlungen, die Henze publiziert hat, dessen 1996 erschienene Autobiographie als eine Hauptquelle dient. Auch inwieweit persönliche Begegnungen Rostecks mit Henze in die Darstellung mit eingeflossen sind, zählt zu den Geheimnissen dieses knapp sechshundert Seiten langen Lebensberichts. Wesentliche neue Aufschlüsse bietet er nicht. Wer sich aber in ein bewegendes modernes Künstlermärchen hineinträumen möchte, dem sei Rostecks Buch ans Herz gelegt.
Jens Rosteck: "Hans Werner Henze". Rosen und Revolutionen. Propyläen Verlag, Berlin 2009. 576 S., Abb., geb., 26,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Ausgesprochen gut kommt diese Biografie bei Hans-Jürgen Linke an, der ihren Autor Jens Rosteck besonders dafür schätzt, dass er das Privatleben des Komponisten ebenso diskret wie präzise behandelt und nie in die emotionalen Fallen einer allzu geringen Distanz zum Gegenstand gerät. Dennoch schaffe Rosteck in seinem, von Linke als schlüssig und verlässlich gelobten Text, sowohl emotionale Nähe herzustellen als auch den objektivierenden Gestus des Chronisten einzunehmen. Wichtigste Figuren im Leben Hans Werner Henzes seien neben den Eltern Ingeborg Bachmann und Fausto Moroni. Das letzte Kapitel nehme die Perspektive eines alten Mannes ein, dessen nächste Mitmenschen nicht mehr bei ihm sind.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH