Produktdetails
- Verlag: Dortmund : Harenberg
- ISBN-13: 9783611006791
- Artikelnr.: 24223554
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.1999Die Saat des fröhlichen Landmanns
Alle großen Gewächse und auch die Mauerblümchen des Musikbetriebs: Harenbergs Klaviermusikführer
Vor "demoralisierenden Producten einer Aftermuse" warnte ein Musiklexikon vor gut hundertzehn Jahren. Gemeint ist die polnische Amateurkomponistin Thekla Badarzewska-Baranowska (1834 bis 1861), deren kitschiges "Gebet einer Jungfrau" millionenfach verkauft wurde. Kurt Weill hat die Schmonzette in "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" als Einlage auf einem verstimmten Kneipenklavier persifliert. Der Musikwissenschaftler und Pianist Christoph Rueger, Herausgeber des Harenberg Klaviermusikführers, hat darin dem "Gebet" und seiner Schöpferin einen eigenen Artikel genehmigt, obendrein mit einem Klangbeispiel in der begleitenden Zwölf-CD-Kassette. Der Artikel liest sich amüsant, aber auch als Beispiel für Auswüchse des vielleicht gloriosesten Klaviermusik-Jahrhunderts und als Barometer für Verkäuflichkeit auf dem Musikmarkt.
Darauf ist der Dortmunder Verlag in seinem rund tausendseitigen Kompendium mit sechshundert besprochenen Werken von 180 Komponisten auch bedacht: Im Mittelpunkt stehen Klassik und Romantik mit den "großen Namen", an denen kein Konzertführer vorbeigeht. Musik der Gegenwart ist dagegen sehr fein dosiert, zuweilen gar in einen Giftschrank vor den Anhängern verbannt: Erst von Seite 903 an tauchen so wichtige Komponisten wie Luciano Berio, Earle Brown, Elliott Carter, Nicolaus A. Huber, Helmut Lachenmann, Conlon Nancarrow, Luigi Nono, Aribert Reimann, Giacinto Scelsi, Alfred Schnittke oder Iannis Xenakis reichlich pauschal und ohne Klangbeispiel oder Bilderschmuck auf. Wolfgang Fortner, Sofia Gubaidulina oder Arthur Lourié beispielsweise fehlen ganz. Andererseits kommen Mauerblümchen des internationalen Musikbetriebs zu Porträtehren: der Moskauer Anatoli Alexandrow, Sergej Ljapunow, Vatezslav Novák. Über die Auswahl darf gestritten werden.
Doch auf das Gängige oder Kuriose beschränkt sich der Klaviermusikführer keineswegs. Musik vor Mozart und der "klassischen Moderne" ist reichlich vertreten, auch mit weniger bekannten Komponisten, die dennoch - wie John Field - Wegbereiter waren. Liszts Schüler erhalten ein ausführliches eigenes Kapitel. Die Entdeckerfreude wird also bedient, im multimedialen Zeitalter wieder - wie schon in den vorausgegangenen Harenberg-Musikführern - zugleich mit Literaturhinweisen, Plattentips und mehr als tausend sorgfältig kommentierten Abbildungen von zusätzlichem Informationswert. Die Klangbeispiele in der CD-Box bevorzugen diesmal weniger als beim Konzertführer (samt der Klavierkonzerte) das Bekannte, so daß die CDs fast das ganze Spektrum der Klaviersolomusik abdecken - einschließlich historischer Aufnahmen und natürlich Beispielen auf Cembalo oder Hammerflügel. Eine Skizze der Klaviermusikgeschichte und ein Lexikon der instrumentalen Bauformen betonen die technische Seite des geschichtlichen Wandels.
Die einzelnen Artikel, in Länge und Gehalt unterschiedlich gewichtet, sind in der Regel gewissenhaft recherchiert. Die Extreme von nichtssagender Routine und analytischer Tüftelei sind weitgehend vermieden. Ein weiterer Vorzug des Klaviermusikführers ist seine Übersichtlichkeit samt weitgehend vollständigen Werktabellen - eine Anordnung, die sich seit den Harenberg-Einführungen in Oper, Konzert und Kammermusik bewährt hat. Den bisher gebräuchlichsten Klaviermusikführer, den zweibändigen "Reclam", setzt der neue "Harenberg" nicht außer Kurs. Reclam behält seine Meriten, vor allem dank Klaus Billing, in der Musik von Debussy bis Stockhausen; Harenberg gibt mitunter dem neunzehnten Jahrhundert mehr Gewicht, so im vorzüglichen Tschaikowsky-Kapitel oder im erstaunlich ausführlichen Wagner-Porträt. Wer die beiden Klaviermusikführer recht handhabt, wird herausfinden, daß sie sich trefflich ergänzen. ELLEN KOHLHAAS
Christoph Rueger (Hrsg.): "Harenberg Klaviermusikführer". Harenberg Verlag, Dortmund 1998. 1008 S., 1100 Abb., geb., 98,- DM. CD-Edition: 12 CDs (15 Stunden Spielzeit) im Schuber, 149,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alle großen Gewächse und auch die Mauerblümchen des Musikbetriebs: Harenbergs Klaviermusikführer
Vor "demoralisierenden Producten einer Aftermuse" warnte ein Musiklexikon vor gut hundertzehn Jahren. Gemeint ist die polnische Amateurkomponistin Thekla Badarzewska-Baranowska (1834 bis 1861), deren kitschiges "Gebet einer Jungfrau" millionenfach verkauft wurde. Kurt Weill hat die Schmonzette in "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" als Einlage auf einem verstimmten Kneipenklavier persifliert. Der Musikwissenschaftler und Pianist Christoph Rueger, Herausgeber des Harenberg Klaviermusikführers, hat darin dem "Gebet" und seiner Schöpferin einen eigenen Artikel genehmigt, obendrein mit einem Klangbeispiel in der begleitenden Zwölf-CD-Kassette. Der Artikel liest sich amüsant, aber auch als Beispiel für Auswüchse des vielleicht gloriosesten Klaviermusik-Jahrhunderts und als Barometer für Verkäuflichkeit auf dem Musikmarkt.
Darauf ist der Dortmunder Verlag in seinem rund tausendseitigen Kompendium mit sechshundert besprochenen Werken von 180 Komponisten auch bedacht: Im Mittelpunkt stehen Klassik und Romantik mit den "großen Namen", an denen kein Konzertführer vorbeigeht. Musik der Gegenwart ist dagegen sehr fein dosiert, zuweilen gar in einen Giftschrank vor den Anhängern verbannt: Erst von Seite 903 an tauchen so wichtige Komponisten wie Luciano Berio, Earle Brown, Elliott Carter, Nicolaus A. Huber, Helmut Lachenmann, Conlon Nancarrow, Luigi Nono, Aribert Reimann, Giacinto Scelsi, Alfred Schnittke oder Iannis Xenakis reichlich pauschal und ohne Klangbeispiel oder Bilderschmuck auf. Wolfgang Fortner, Sofia Gubaidulina oder Arthur Lourié beispielsweise fehlen ganz. Andererseits kommen Mauerblümchen des internationalen Musikbetriebs zu Porträtehren: der Moskauer Anatoli Alexandrow, Sergej Ljapunow, Vatezslav Novák. Über die Auswahl darf gestritten werden.
Doch auf das Gängige oder Kuriose beschränkt sich der Klaviermusikführer keineswegs. Musik vor Mozart und der "klassischen Moderne" ist reichlich vertreten, auch mit weniger bekannten Komponisten, die dennoch - wie John Field - Wegbereiter waren. Liszts Schüler erhalten ein ausführliches eigenes Kapitel. Die Entdeckerfreude wird also bedient, im multimedialen Zeitalter wieder - wie schon in den vorausgegangenen Harenberg-Musikführern - zugleich mit Literaturhinweisen, Plattentips und mehr als tausend sorgfältig kommentierten Abbildungen von zusätzlichem Informationswert. Die Klangbeispiele in der CD-Box bevorzugen diesmal weniger als beim Konzertführer (samt der Klavierkonzerte) das Bekannte, so daß die CDs fast das ganze Spektrum der Klaviersolomusik abdecken - einschließlich historischer Aufnahmen und natürlich Beispielen auf Cembalo oder Hammerflügel. Eine Skizze der Klaviermusikgeschichte und ein Lexikon der instrumentalen Bauformen betonen die technische Seite des geschichtlichen Wandels.
Die einzelnen Artikel, in Länge und Gehalt unterschiedlich gewichtet, sind in der Regel gewissenhaft recherchiert. Die Extreme von nichtssagender Routine und analytischer Tüftelei sind weitgehend vermieden. Ein weiterer Vorzug des Klaviermusikführers ist seine Übersichtlichkeit samt weitgehend vollständigen Werktabellen - eine Anordnung, die sich seit den Harenberg-Einführungen in Oper, Konzert und Kammermusik bewährt hat. Den bisher gebräuchlichsten Klaviermusikführer, den zweibändigen "Reclam", setzt der neue "Harenberg" nicht außer Kurs. Reclam behält seine Meriten, vor allem dank Klaus Billing, in der Musik von Debussy bis Stockhausen; Harenberg gibt mitunter dem neunzehnten Jahrhundert mehr Gewicht, so im vorzüglichen Tschaikowsky-Kapitel oder im erstaunlich ausführlichen Wagner-Porträt. Wer die beiden Klaviermusikführer recht handhabt, wird herausfinden, daß sie sich trefflich ergänzen. ELLEN KOHLHAAS
Christoph Rueger (Hrsg.): "Harenberg Klaviermusikführer". Harenberg Verlag, Dortmund 1998. 1008 S., 1100 Abb., geb., 98,- DM. CD-Edition: 12 CDs (15 Stunden Spielzeit) im Schuber, 149,- DM.
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