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Vorwort von Dr. Luise LutzHanne Vahldick war meine Patientin in einer Reha-Klinik. Als ich sie kennenlernte, war sie ein verzweifeltes Nervenbündel. Sie steckte in einem nicht endenden Albtraum: Eines Morgens war sie mit einer gelähmten rechten Seite aufgewacht, und während sie noch darüber grübelte, was passiert sein konnte und es ihrem Freund zu erklären versuchte, wurde alles noch schlimmer: Sie merkte, dass sie kein Wort hervorbringen konnte - ihre Sprache war weg. Ihr Freund konnte sie nicht mehr verstehen, und sie verstand ihn nicht. Ein Schlaganfall hatte sie aus ihrem Leben…mehr

Produktbeschreibung
Vorwort von Dr. Luise LutzHanne Vahldick war meine Patientin in einer Reha-Klinik. Als ich sie kennenlernte, war sie ein verzweifeltes Nervenbündel. Sie steckte in einem nicht endenden Albtraum: Eines Morgens war sie mit einer gelähmten rechten Seite aufgewacht, und während sie noch darüber grübelte, was passiert sein konnte und es ihrem Freund zu erklären versuchte, wurde alles noch schlimmer: Sie merkte, dass sie kein Wort hervorbringen konnte - ihre Sprache war weg. Ihr Freund konnte sie nicht mehr verstehen, und sie verstand ihn nicht. Ein Schlaganfall hatte sie aus ihrem Leben herauskatapultiert: Neben einer Halbseitenlähmung hatte er ihr eine 'Aphasie'' dage-lassen, d.h., er hatte auch das riesige neuronale Netzwerk gestört, das im Gehirn die Sprache erzeugt und verarbeitet. Das war 1980. Hanne war Ende Zwanzig: Eine junge Lehrerin, die das Leben und ihre Arbeit geliebt und voller Hoffnung in die Zukunft geblickt hatte. Diese Zukunft war nun mit einem Schlag weg, und mit ihr schien auch die Vergangenheit weg zu sein: Alles, was zu ihrem früheren Leben gehört hatte: Musik, Theater, Bücher, Abende mit Freunden, Urlaube mit Wanderungen, die Gespräche mit Schülern und Kollegen... Ein Schlaganfall war das Letzte, was Hanne in diesem Alter erwartet hätte, und von Aphasie hatte sie noch nie gehört. Es dauerte lange, bis sie nach und nach verstand, was ihr passiert war.Das volle Ausmaß ihres Schicksals wurde Hanne erst allmählich klar, als sie andere Patienten kennenlernte, meist älter als sie, deren rechter Arm und rechtes Bein auch gelähmt waren und die genauso um Worte kämpfen mussten wie sie. Eines Tages erschütterte sie die Begegnung mit einer jungen Frau, die bei der Geburt ihres ersten Kindes die gleiche Art Schlaganfall erlitten hatte wie sie, auch mit schwerer Aphasie. Manche Patienten waren zum zweiten oder dritten Mal in der Reha, und Hanne begann zu verstehen, dass sich die Folgen ihres Schlaganfalls, wenn überhaupt, dann nur sehr langsam verringern würden. Vielleicht würde sie nie wieder richtig sprechen können, nie wieder ihre Freunde verstehen, unterrichten, Bücher lesen und Briefe schreiben, nie wieder wandern, ins Theater gehen... Hanne merkte, dass sie mit manchen Patienten ein Gefühl der Zusammengehörigkeit verband: Mitgefühl ohne Worte. Sie lernte Patienten kennen, die verzweifelten und sich aufgaben. Aber andere bissen die Zähne zusammen, kämpften in den Therapien um jedes Wort, um jede Bewegung ihrer Hand und ihres Beines, feierten jeden noch so kleinen Fortschritt. Hanne feierte mit ihnen. Und je mehr sich ihr Traum von einer Zukunft, die ihrem früheren Leben ähneln würde, auflöste, desto deutlicher fühlte sie ihre Energie wachsen: Sie würde auch kämpfen, sie würde nicht verzweifeln. Sie würde ein anderes Leben haben, aber sie würde immer noch Hanne sein, mit all ihrem Wissen und ihrem Lachen. In der Therapie entdeckte Hanne das Wort "Heilungskräfte", das ihr immer wieder Mut machte, wenn das Herausbringen derWörter, das Verstehen der Antworten, das Aufschreiben des Gedachten und das Lesen der kurzen Wortsequenzen so mühsam war und die Fortschritte nie ihren Hoffnungen entsprachen. In der letzten Therapiestunde zog Hanne Bilanz: Sie hatte Fort-schritte gemacht, aber das Gefühl des Verlustes war geblieben ... Und zuhause würden sie die Erinnerungen an Früher überfallen ... Wie trostlos sie sich in ihrem neuen alten Zuhause dann tatsächlich fühlte, können wir ahnen, wenn wir ihr Gedicht lesen "Verschlungen sitze ich neben der Sprache".Verschlungen sitze ichneben der SpracheStumm ist mein Mund.Verworren lächle ich,bleib von dem Sprechen getrennt.Die Augen - aufmerksam,aber ich kanndas Sprechennicht finden.Oh grauenhafte Welt!Aus dieser Sackgasse,aus dieser Sprachstraßeverbissen kratze ichich mir das Gehirn. Ach,und während ichnoch mit den Worten kämpfe,öffnet sich der Schlundund aus spuckt erdie Verständnislosigkeit der anderen.Sie war aber doch die alte Hanne geblieben: Sie wollt
Autorenporträt
Vahldick, HanneKurz-VitaHanne Vahldick, geboren 1951 in Braunschweig.Besuch vom Gymnasium, Abitur und Studium an der Pädagogischen Hochschule.Lehrerin an einer Haupt- und Realschule.1980 Schlaganfall mit den Folgen einer rechtsseitigen Lähmung und der globalen Aphasie, dem totalen Verlust der Sprachfähigkeit.Die Erzählungen entstanden, um die lyrische Sprache präziser und deutlicher in der eigenen Rede werden zu lassen, um das Sprachliche anschaulicher und offenbarer zu formulieren.