Im schillernden Harlem der sechziger Jahre, wo Gangster und Zuhälter, Hochstapler und Schießwütige die Strippen ziehen, versucht ein Mann aus einfachen Verhältnissen so ehrlich wie möglich aufzusteigen. Doch nach kleineren Gaunereien steht er plötzlich mit Raubgut aus einem Luxushotel alleine da. Polizei und Gangster tauchen in seinem Einrichtungsladen auf und nach und nach zieht sich die Schlinge um seinen Kopf immer fester.
Der mitreißende Roman des zweifachen Pulitzer-Preisträgers Colson Whitehead ist Familiensaga, Soziographie und Ganovenstück, vor allem aber eine Liebeserklärung an New Yorks berühmtestes Viertel.
»Hat alles, was einen guten Roman ausmacht ... ihr Tempo aber hat sich die Geschichte vom Kino geborgt.« (Wieland Freund, Welt am Sonntag)»Intimer, burlesker, schneller, böser, auch humorvoller als die Vorgängerromane und belegt einmal mehr, dass dieser Autor aus jedem Werk etwas neues machen will.« (Florian Balke, Frankfurter Allgemeine Zeitung)»Harlem Shuffle ist weit mehr als ein Kriminalroman - es ist ein Buch über Amerika im Umbruch.« (René Pfister, Der Spiegel)»Großes Kino ... Der vielleicht größte Trumpf von Harlem Shuffle ist Whiteheads Fähigkeit, Atmosphäre zu erzeugen.« (Sebastian Fasthuber, Falter)»Whitehead porträtiert in seinem wundervollen neuen Roman das Harlem der sechziger Jahre. ... gleichermaßen unterhaltsam wie Gesellschaftsstudie und Zeitporträt. « (Gerrit Bartels, Tagesspiegel)»Grandios unterhaltsam und humorvoll ... Harlem Shuffle ist leicht und geht doch tief unter die Haut.« (ARD titel, thesen, temperamente)»Ein großer Spaß! Colson Whitehead spielt mit dem Krimi-Genre so lässig wie ein Jazzvirtuose mit einem Broadway-Schlager ... ein zeitloses Sittengemälde Amerikas.« (Andrian Kreye, Süddeutsche Zeitung)
Der mitreißende Roman des zweifachen Pulitzer-Preisträgers Colson Whitehead ist Familiensaga, Soziographie und Ganovenstück, vor allem aber eine Liebeserklärung an New Yorks berühmtestes Viertel.
»Hat alles, was einen guten Roman ausmacht ... ihr Tempo aber hat sich die Geschichte vom Kino geborgt.« (Wieland Freund, Welt am Sonntag)»Intimer, burlesker, schneller, böser, auch humorvoller als die Vorgängerromane und belegt einmal mehr, dass dieser Autor aus jedem Werk etwas neues machen will.« (Florian Balke, Frankfurter Allgemeine Zeitung)»Harlem Shuffle ist weit mehr als ein Kriminalroman - es ist ein Buch über Amerika im Umbruch.« (René Pfister, Der Spiegel)»Großes Kino ... Der vielleicht größte Trumpf von Harlem Shuffle ist Whiteheads Fähigkeit, Atmosphäre zu erzeugen.« (Sebastian Fasthuber, Falter)»Whitehead porträtiert in seinem wundervollen neuen Roman das Harlem der sechziger Jahre. ... gleichermaßen unterhaltsam wie Gesellschaftsstudie und Zeitporträt. « (Gerrit Bartels, Tagesspiegel)»Grandios unterhaltsam und humorvoll ... Harlem Shuffle ist leicht und geht doch tief unter die Haut.« (ARD titel, thesen, temperamente)»Ein großer Spaß! Colson Whitehead spielt mit dem Krimi-Genre so lässig wie ein Jazzvirtuose mit einem Broadway-Schlager ... ein zeitloses Sittengemälde Amerikas.« (Andrian Kreye, Süddeutsche Zeitung)
»Harlem Shuffle ist weit mehr als ein Kriminalroman - es ist ein Buch über Amerika im Umbruch.« René Pfister, Der Spiegel
Rezensentin Maike Albath schildert ausführlich den Inhalt von Colson Whiteheads neuem Buch "Harlem Shuffle". Whitehead erzählt in Form eines "swingenden Stadtporträts" aus der Perspektive von Ray Carney, einem ehrbar geworden Ganoven von der dunklen Seite Harlems in den fünfziger und sechziger Jahren, erklärt Albath. Der Aufbau des Buches - Romanteile mit einem Abstand von jeweils drei Jahren - erinnert sie stark an einen aus dem Jazz und Blues stammenden Shuffle. Die vielen Markennamen, Anspielungen auf die damalige Popkultur und detaillierten Beschreibungen von New York bremsen der Rezensentin zufolge an manchen Stellen den Erzählfluss ein wenig aus, aber alles in allem sei die Geschichte leicht und musikalisch erzählt, bediene dabei absichtlich Klischees und vermeidee politisch korrekte Sprache, um authentisch zu bleiben. Die deutsche Übersetzung kommt den Wünschen des Autors nach, bestätigt Albath. Eines macht ihr das Buch besonders deutlich: egal ob es 1964 oder 2021 ist, schwarze junge Männer erfahren noch immer brutale Willkür, resümiert die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Meilenweit entfernt vom ernsten Sklaverei-Epos "Underground Railroad" sieht Rezensentin Sonja Zekri Colson Whiteheads heitere Gaunerkomödie "Harlem Shuffle". Vergnügt folgt sie dem Möbelhändler Raymond Carney ins Harlem der sechziger Jahre, in dem Hehler, Cops, Nutten und Messerschwinger versuchen, sich ein solides Leben aufzubauen oder wenigstens eine solide Fassade. Zekri hält Whitehead für einen exzellenten Unterhalter, der souverän Tempo und Stil beherrscht, wie sie versichert, wobei sie es ihm allerdings fast schon als Eitelkeit ankreidet, dass er seine Brillanz dermaßen zur Schau stellt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.08.2021Ein hinreißender Möbelhändler
Colson Whitehead schreibt weiter an seinem Projekt schwarzer Geschichte, diesmal als Thriller: "Harlem Shuffle"
Die Straßen von Harlem verlaufen noch immer so wie früher: Riverside Drive, 125th Street, Lenox Avenue. Aber längst wohnen dort, oberhalb des Central Parks von Manhattan, andere, weißere Leute als zu jener Zeit, die Colson Whitehead jetzt in seinem neuen Roman beschreibt: "Harlem Shuffle" spielt Ende der Fünfziger-, Anfang der Sechzigerjahre. Mitten im Aufbruch der schwarzen Bürgerrechtsbewegung gegen rassistische Diskriminierung und Ausgrenzung. Eine Phase unter Hochspannung in der Geschichte der Vereinigten Staaten, als es auch in New York zu Protesten und Randalen kam. Nach den Vorkämpfern der schwarzen Emanzipationsbewegung jener Jahre sind seither einige der Straßen in Harlem umbenannt worden: Die Lenox Avenue wurde zum Malcolm X Boulevard. Ein Teil der 125. Straße heißt heute Martin Luther King Boulevard. Das schwarze Harlem drum herum, "die Hauptstadt aller Städte mit Ghettos", wie Bobby Womack es einmal besungen hat, verschwindet dagegen langsam, aber unaufhörlich. Die Gentrifizierung der letzten beiden Jahrzehnte hat es verwandelt.
Colson Whiteheads Geschichte vom Möbelhändler und Teilzeitgangster Ray Carney spielt vor dieser Verwandlung. Und doch ist sie in "Harlem Shuffle" angelegt und immer präsent. Vermutlich hätte sich dieser Ray Carney gar nicht vorstellen können, dass es einmal dazu kommt: Dass also eines Tages seine Kinder und die seiner schwarzen Nachbarn von weißen Zuzüglern aus Vierteln verdrängt werden, die man zu Rays Zeit lieber jetzt als gleich freiwillig verlassen hätte - um vor Gewalt, Drogen, Armut und Perspektivlosigkeit zu fliehen. Und doch ist das seit Langem Alltag.
Das ist eine der Pointen dieses komplexen Romans, der sich so zugänglich liest wie kaum ein zweiter von Colson Whitehead: der gewaltige Umbruch sozialer und geographischer Zugehörigkeit, den Gentrifizierung mit sich bringt - und die Widersprüche, die sie zugleich produziert. Whitehead bringt es zwar so nicht explizit zur Sprache in diesem Buch. Aber man kann es nicht lesen, ohne permanent darüber nachzudenken, was aus diesen Straßen von Harlem heute geworden ist. Und deshalb kann man "Harlem Shuffle" auch genauso wenig ohne eine Straßenkarte lesen. Sonst verläuft man sich zwischen den vielen Adressen.
Und Ray Carney, der Möbelhändler und Teilzeitgangster, sammelt Adressen. Er wächst als Halbwaise auf zwischen der 127. und der 129. Straße - und will dorthin nur noch zurück, wenn er seine Tante besucht. Er will an den Riverside Drive, in eines der großen Apartment-Häuser, wo neuerdings weiße und schwarze Familien Seite an Seite zusammenwohnen. Und wo der Blick auf den mächtigen Hudson River fällt - und nicht auf Stundenhotels und Pfandhäuser und Junkies. "So wie er es sah", das ist Rays Maxime seit Schulzeiten, "lehrte einen das Leben, dass man nicht so leben musste, wie es einem gelehrt worden war. Man kam von einem bestimmten Ort, aber wichtiger war, wo man landen wollte."
Und Ray will landen. Er geht aufs College in Queens, studiert Betriebswirtschaft. Er heiratet eine Frau aus einer gutbürgerlichen schwarzen Familie, Elizabeth, und entdeckt ein Faible für Möbel. Er baut seinen eigenen Laden auf, "Carney's Furniture" auf der 125. Straße. Er träumt davon, Vertragspartner der Firma Bella Fontaine zu werden, Essecken aus Birkenholzfurnier, seidig glänzende Klapptische, mehrtürige Sideboards, die "Monte-Carlo-Kollektion". Aber Ray verkauft bis dahin auch Möbel aus Haushaltsauflösungen. Wobei sich manche dieser Haushalte vielleicht nicht ganz freiwillig aufgelöst haben und Ray aus diesen Auflösungen vielleicht nicht nur Möbel weiterverkauft, sondern auch schon mal Schmuck an die jüdischen Juweliere in Midtown. Einiges von diesem Zeug schafft Rays Cousin Freddie ran. Die beiden sind seit Kindertagen unzertrennlich. Aber Freddie bringt Ray nicht nur Hehlerware aus Einbrüchen, sondern regelmäßig großen Ärger. Und irgendwann ist der Ärger zu groß, und dann muss sein Cousin Ray alles riskieren, damit es doch gut ausgeht, und das ist das Fundament dieses Romans, der sich wie ein entspannter Thriller liest.
Über diesen Thriller hinweg hat der clevere Bestsellerautor Whitehead einen schwarzen Großstadtroman für ein Weltpublikum geschrieben. Er hat dafür wiedererkennbare Figuren geschaffen, irgendwo zwischen epischen und Comic-Helden: der Aufsteiger Ray, sein treulos krimineller Vater, der unverbesserliche Cousin Freddie, der gutherzige Berufsschläger Pepper, der kalte weiße Millionär Van Wyck und seine plumpen Schergen - und schließlich Elizabeth, Rays Ehefrau. Die vielleicht als Einzige wirklich versteht, was vor sich geht, die aber die coolste von allen sein könnte. Weil sie ahnt, was ihr Mann treibt, aber darüber hinwegsieht, weil auch sie nicht zurückwill in die gutbehütete Ödnis ihres Elternhauses in einem der guten schwarzen Viertel von Harlem.
Whitehead nutzt die Wiedererkennbarkeit seiner Figuren also, um eine Sozialstudie des kleineren und größeren schwarzen Bürgertums von Harlem zu schreiben, das Harlem nicht der schwarzen Show und der Musik, sondern der schwarzen Immobilien. Ein weiteres Element seines Projekts historischer Romane aus der Geschichte der Schwarzen seit den Zeiten der Sklaverei. "Harlem Shuffle" ist dabei ein witziges Buch, oft fast slapstickhaft, oft auch subtil, wenn sich Pepper, der Schläger, für einen Job von Ray mit einem Sessel aus dessen Laden bezahlen lässt und vorher Probe sitzt oder sich weiße und schwarze Gangster einfach nicht einigen können, wie man nur diesen Van Wyck richtig ausspricht. Weik? Oder Wick?
Doch auch wenn es deswegen so wirken könnte, als habe Colson Whitehead zwischen gewichtigeren Projekten hier einmal kurz durchgeatmet - nachdem er zuletzt 2019 mit "Underground Rail-road" den Jahrhundertroman der amerikanischen Sklaverei geschrieben hat, aufsehenerregend preisgekrönt, als Serie verfilmt: Dieser neue Roman wirkt nur leicht, wirkt nur wie Genre-Imitat, wirkt nur so, als würde Whitehead sich an Kulissen bedienen, die wie von selbst Atmosphäre erzeugen: schäbige Bars, Puffs, Hotels, die ihre besseren Tage hinter sich haben, New York.
Denn hinter diesen Kulissen verbirgt sich abermals die große Erzählung der schwarzen Emanzipation. Im Juli 1964 kommt es nach dem gewaltsamen Tod eines fünfzehnjährigen schwarzen Jungen, erschossen von einem weißen Polizisten, zu Ausschreitungen in Harlem: ein wahres Kapitel aus der unendlichen Geschichte weißer Polizeigewalt gegen schwarze Amerikanerinnen und Amerikaner jedes Alters, die bis heute anhält. Ray Carney läuft mitten in die Proteste hinein. Kriegt ein Flugblatt in die Hand, auf dem beschrieben ist, wie man einen Brandsatz baut, und hält es fest - und sorgt sich zugleich, wie sich die Randale auf seine neuen Geschäftsbeziehungen zur Möbelfirma Bella Fontaine auswirken. Dieser Ray Carney, der die feinen und nicht so feinen Unterschiede zwischen ihm und dem Rest der Welt genauestens studiert, um die Armut hinter sich lassen zu können, ohne seine schwarze Identität dabei preiszugeben, ist eine ambivalente, stolze, unvergessliche Figur.
Einmal fragt ihn der weiße Cop, den Ray besticht, damit er in Ruhe seine Zeitung lesen kann, ob Ray heute schon die Zeitung gelesen hat. "Wie kommen Sie darauf, dass wir dieselbe Zeitung lesen?", fragt Ray zurück, und in dieser kleinen Szene liegt die große Geschichte eines fundamentalen Risses begründet, den die Vereinigten Staaten bis heute nicht überwunden haben. Und es vielleicht auch niemals werden. TOBIAS RÜTHER.
Colson Whitehead, "Harlem Shuffle". Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Hanser, 384 Seiten, 25 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Colson Whitehead schreibt weiter an seinem Projekt schwarzer Geschichte, diesmal als Thriller: "Harlem Shuffle"
Die Straßen von Harlem verlaufen noch immer so wie früher: Riverside Drive, 125th Street, Lenox Avenue. Aber längst wohnen dort, oberhalb des Central Parks von Manhattan, andere, weißere Leute als zu jener Zeit, die Colson Whitehead jetzt in seinem neuen Roman beschreibt: "Harlem Shuffle" spielt Ende der Fünfziger-, Anfang der Sechzigerjahre. Mitten im Aufbruch der schwarzen Bürgerrechtsbewegung gegen rassistische Diskriminierung und Ausgrenzung. Eine Phase unter Hochspannung in der Geschichte der Vereinigten Staaten, als es auch in New York zu Protesten und Randalen kam. Nach den Vorkämpfern der schwarzen Emanzipationsbewegung jener Jahre sind seither einige der Straßen in Harlem umbenannt worden: Die Lenox Avenue wurde zum Malcolm X Boulevard. Ein Teil der 125. Straße heißt heute Martin Luther King Boulevard. Das schwarze Harlem drum herum, "die Hauptstadt aller Städte mit Ghettos", wie Bobby Womack es einmal besungen hat, verschwindet dagegen langsam, aber unaufhörlich. Die Gentrifizierung der letzten beiden Jahrzehnte hat es verwandelt.
Colson Whiteheads Geschichte vom Möbelhändler und Teilzeitgangster Ray Carney spielt vor dieser Verwandlung. Und doch ist sie in "Harlem Shuffle" angelegt und immer präsent. Vermutlich hätte sich dieser Ray Carney gar nicht vorstellen können, dass es einmal dazu kommt: Dass also eines Tages seine Kinder und die seiner schwarzen Nachbarn von weißen Zuzüglern aus Vierteln verdrängt werden, die man zu Rays Zeit lieber jetzt als gleich freiwillig verlassen hätte - um vor Gewalt, Drogen, Armut und Perspektivlosigkeit zu fliehen. Und doch ist das seit Langem Alltag.
Das ist eine der Pointen dieses komplexen Romans, der sich so zugänglich liest wie kaum ein zweiter von Colson Whitehead: der gewaltige Umbruch sozialer und geographischer Zugehörigkeit, den Gentrifizierung mit sich bringt - und die Widersprüche, die sie zugleich produziert. Whitehead bringt es zwar so nicht explizit zur Sprache in diesem Buch. Aber man kann es nicht lesen, ohne permanent darüber nachzudenken, was aus diesen Straßen von Harlem heute geworden ist. Und deshalb kann man "Harlem Shuffle" auch genauso wenig ohne eine Straßenkarte lesen. Sonst verläuft man sich zwischen den vielen Adressen.
Und Ray Carney, der Möbelhändler und Teilzeitgangster, sammelt Adressen. Er wächst als Halbwaise auf zwischen der 127. und der 129. Straße - und will dorthin nur noch zurück, wenn er seine Tante besucht. Er will an den Riverside Drive, in eines der großen Apartment-Häuser, wo neuerdings weiße und schwarze Familien Seite an Seite zusammenwohnen. Und wo der Blick auf den mächtigen Hudson River fällt - und nicht auf Stundenhotels und Pfandhäuser und Junkies. "So wie er es sah", das ist Rays Maxime seit Schulzeiten, "lehrte einen das Leben, dass man nicht so leben musste, wie es einem gelehrt worden war. Man kam von einem bestimmten Ort, aber wichtiger war, wo man landen wollte."
Und Ray will landen. Er geht aufs College in Queens, studiert Betriebswirtschaft. Er heiratet eine Frau aus einer gutbürgerlichen schwarzen Familie, Elizabeth, und entdeckt ein Faible für Möbel. Er baut seinen eigenen Laden auf, "Carney's Furniture" auf der 125. Straße. Er träumt davon, Vertragspartner der Firma Bella Fontaine zu werden, Essecken aus Birkenholzfurnier, seidig glänzende Klapptische, mehrtürige Sideboards, die "Monte-Carlo-Kollektion". Aber Ray verkauft bis dahin auch Möbel aus Haushaltsauflösungen. Wobei sich manche dieser Haushalte vielleicht nicht ganz freiwillig aufgelöst haben und Ray aus diesen Auflösungen vielleicht nicht nur Möbel weiterverkauft, sondern auch schon mal Schmuck an die jüdischen Juweliere in Midtown. Einiges von diesem Zeug schafft Rays Cousin Freddie ran. Die beiden sind seit Kindertagen unzertrennlich. Aber Freddie bringt Ray nicht nur Hehlerware aus Einbrüchen, sondern regelmäßig großen Ärger. Und irgendwann ist der Ärger zu groß, und dann muss sein Cousin Ray alles riskieren, damit es doch gut ausgeht, und das ist das Fundament dieses Romans, der sich wie ein entspannter Thriller liest.
Über diesen Thriller hinweg hat der clevere Bestsellerautor Whitehead einen schwarzen Großstadtroman für ein Weltpublikum geschrieben. Er hat dafür wiedererkennbare Figuren geschaffen, irgendwo zwischen epischen und Comic-Helden: der Aufsteiger Ray, sein treulos krimineller Vater, der unverbesserliche Cousin Freddie, der gutherzige Berufsschläger Pepper, der kalte weiße Millionär Van Wyck und seine plumpen Schergen - und schließlich Elizabeth, Rays Ehefrau. Die vielleicht als Einzige wirklich versteht, was vor sich geht, die aber die coolste von allen sein könnte. Weil sie ahnt, was ihr Mann treibt, aber darüber hinwegsieht, weil auch sie nicht zurückwill in die gutbehütete Ödnis ihres Elternhauses in einem der guten schwarzen Viertel von Harlem.
Whitehead nutzt die Wiedererkennbarkeit seiner Figuren also, um eine Sozialstudie des kleineren und größeren schwarzen Bürgertums von Harlem zu schreiben, das Harlem nicht der schwarzen Show und der Musik, sondern der schwarzen Immobilien. Ein weiteres Element seines Projekts historischer Romane aus der Geschichte der Schwarzen seit den Zeiten der Sklaverei. "Harlem Shuffle" ist dabei ein witziges Buch, oft fast slapstickhaft, oft auch subtil, wenn sich Pepper, der Schläger, für einen Job von Ray mit einem Sessel aus dessen Laden bezahlen lässt und vorher Probe sitzt oder sich weiße und schwarze Gangster einfach nicht einigen können, wie man nur diesen Van Wyck richtig ausspricht. Weik? Oder Wick?
Doch auch wenn es deswegen so wirken könnte, als habe Colson Whitehead zwischen gewichtigeren Projekten hier einmal kurz durchgeatmet - nachdem er zuletzt 2019 mit "Underground Rail-road" den Jahrhundertroman der amerikanischen Sklaverei geschrieben hat, aufsehenerregend preisgekrönt, als Serie verfilmt: Dieser neue Roman wirkt nur leicht, wirkt nur wie Genre-Imitat, wirkt nur so, als würde Whitehead sich an Kulissen bedienen, die wie von selbst Atmosphäre erzeugen: schäbige Bars, Puffs, Hotels, die ihre besseren Tage hinter sich haben, New York.
Denn hinter diesen Kulissen verbirgt sich abermals die große Erzählung der schwarzen Emanzipation. Im Juli 1964 kommt es nach dem gewaltsamen Tod eines fünfzehnjährigen schwarzen Jungen, erschossen von einem weißen Polizisten, zu Ausschreitungen in Harlem: ein wahres Kapitel aus der unendlichen Geschichte weißer Polizeigewalt gegen schwarze Amerikanerinnen und Amerikaner jedes Alters, die bis heute anhält. Ray Carney läuft mitten in die Proteste hinein. Kriegt ein Flugblatt in die Hand, auf dem beschrieben ist, wie man einen Brandsatz baut, und hält es fest - und sorgt sich zugleich, wie sich die Randale auf seine neuen Geschäftsbeziehungen zur Möbelfirma Bella Fontaine auswirken. Dieser Ray Carney, der die feinen und nicht so feinen Unterschiede zwischen ihm und dem Rest der Welt genauestens studiert, um die Armut hinter sich lassen zu können, ohne seine schwarze Identität dabei preiszugeben, ist eine ambivalente, stolze, unvergessliche Figur.
Einmal fragt ihn der weiße Cop, den Ray besticht, damit er in Ruhe seine Zeitung lesen kann, ob Ray heute schon die Zeitung gelesen hat. "Wie kommen Sie darauf, dass wir dieselbe Zeitung lesen?", fragt Ray zurück, und in dieser kleinen Szene liegt die große Geschichte eines fundamentalen Risses begründet, den die Vereinigten Staaten bis heute nicht überwunden haben. Und es vielleicht auch niemals werden. TOBIAS RÜTHER.
Colson Whitehead, "Harlem Shuffle". Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Hanser, 384 Seiten, 25 Euro
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