Rachel Kushner ist für ihren Mut, ihren Ehrgeiz und ihren Killerinstinkt bekannt. In Harte Leute versammelt sie eine Auswahl ihrer Essays, die sich mit den drängendsten kulturellen, künstlerischen und politischen Themen unserer Zeit ebenso befasst wie mit Kushners schriftstellerischen Grundlagen und Wurzeln.
Das Buch enthält Texte über Jeff Koons, Denis Johnson und Marguerite Duras, über den Besuch in einem palästinensischen Flüchtlingslager, ein illegales Motorradrennen in Baja California, die wilden Streiks im Italien der Siebzigerjahre, ihre Liebe zu Oldtimern und ihr Leben als Jugendliche in der Musikszene von San Francisco. Es schließt mit einem Finale furioso: einem wilden Manifest über «harte Leute».
Zwanzig rasiermesserscharfe Essays von einer der großen Stimmen der zeitgenössischen US-Literatur.
Das Buch enthält Texte über Jeff Koons, Denis Johnson und Marguerite Duras, über den Besuch in einem palästinensischen Flüchtlingslager, ein illegales Motorradrennen in Baja California, die wilden Streiks im Italien der Siebzigerjahre, ihre Liebe zu Oldtimern und ihr Leben als Jugendliche in der Musikszene von San Francisco. Es schließt mit einem Finale furioso: einem wilden Manifest über «harte Leute».
Zwanzig rasiermesserscharfe Essays von einer der großen Stimmen der zeitgenössischen US-Literatur.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
In spannungsreichen, schwebenden Assoziationsketten erzählt Rachel Kushner aus ihrem Leben, verrät Rezensent Jörg Häntzschel über den Essayband "Harte Leute", dessen Protagonistin er ebenfalls als eine solche Person charakterisiert. Er staunt darüber, wie sie in allen Texten nur ein einziges Mal weint, bei einem Motorradunfall, obwohl sie einiges Wildes berichtet: Von der Hippie-Szene in San Francisco über ein Jerusalemer Flüchtlingslager bis hin zu Begegnungen mit diversen Akteur*innen aus dem Kulturbereich - nicht wenige tragische Schicksale kommen dabei vor, so Häntzschel. Er ärgert sich dabei zwar über einige Schnitzer in der Übersetzung, findet Kushners Texte aber dennoch kunstreich gestaltet und auch untereinander verwoben. Eine deutliche Empfehlung von Häntzschel.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Wer verstehen will, was in den USA geschieht, der sollte Rachel Kushner lesen. Claus-Jürgen Göpfert Frankfurter Rundschau 20221128
Einen wilden Ritt durch die USA (nicht nur) der Siebziger, durch ihre Persönlichkeit und die titelgebenden "Harten Leute", die sich vom Schrecken Amerikas nicht einschüchtern lassen, hat Claus-Jürgen Göpfert mit Rachel Kushner unternommen. Um Drogen und Hippies in San Francisco gehe es, um einen Motorradunfall, um Kunst und Kultur in New York. Temporeich findet der Rezensent das, und höchst interessant noch dazu, besonders, wenn die Autorin sich auf sich selbst zu besinnen beginnt und sich von den "harten Leuten" abgrenzt. "Kushner lesen", empfiehlt Göpfert überzeugt.
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Galerie der Seelen
Aufgewachsen im Hippie-Bus: Die umwerfende Erzählerin Rachel Kushner schreibt in schwebenden Essays
über ihre Herkunft, Motorradrennen, Künstler und andere Leute, die einstecken und austeilen können
VON JÖRG HÄNTZSCHEL
In ihrem Essayband „Harte Leute“ weint Rachel Kushner nur ein einziges Mal. Es sind Tränen der Erleichterung, und selbst für dieses Eingeständnis schämt sie sich. Beim Motorradrennen „Cabo 1000“ ist sie an einem Tag 1700 Kilometer gefahren, von San Ysidro, südlich von San Diego, bis Cabo San Lucas am Ende der mexikanischen Halbinsel Baja California. Sie hat sich auf der Strecke überschlagen und hätte tot sein können. Diebe schleppten die demolierte Maschine weg, während sie sich noch im Staub vor Schmerzen krümmte. Sie kaufte sie ihnen wieder ab und schaffte es damit zurück nach Kalifornien. Die meisten ihrer Biker-Freunde haben nicht so viel Glück, einer nach dem anderen verunglücken sie in den folgenden Jahren mit ihren Maschinen – so mutwillige wie sinnlose Tode, doch sie schockieren nur den Leser, nicht die Autorin.
Kushner, geboren 1968, wurde berühmt mit dem Roman „Die Flammenwerfer“, der unter italienischen Linksterroristen der Siebziger, der damaligen Kunstszene in Soho und im East Village und einer Gruppe von Rennfahrern spielt, die auf den Bonneville Salt Flats in Utah Geschwindigkeitsrekorde mit ihren Motorrädern aufstellen. Radikalität, Kaltblütigkeit, revolutionäres Denken und Handeln, eine Affinität zu Tod und Gewalt: Das waren die weltanschaulichen wie charakterlichen Nenner, die diese drei fernab voneinander liegenden Milieus verbanden.
Ihre Essays aus den vergangenen 20 Jahren sind bevölkert von weiteren Mitgliedern dieser „Hard Crowd“ (so der Originaltitel). Hart sind sie im Nehmen, wie die italienischen Arbeiter um 1970, von denen der Schriftsteller Nanni Balestrini in „Wir wollen alles“ berichtet. Wie ihre Eltern, die nahezu mittellos eine Familie in einem umgebauten Schulbus gründeten. Wie Kushner selbst, die mit 14 vor dem Konzert von The Who herumlungert und schlechtes Gras raucht.
Hart sind sie aber auch im Austeilen, wie der legendäre Rock-Impresario Bill Graham, in dessen Konzertsaal in San Francisco sie jahrelang als Barkeeperin arbeitet. Oder der Mitrennfahrer beim „Cabo 1000“, der einen verletzten Konkurrenten einfach liegen lässt (er verliert sein Bein).
Was sie vor allem beschäftigt, ist die Mischung aus beidem. Sie besucht das berüchtigte Flüchtlingslager Shuafat in Jerusalem, „verliebt“ sich in seine Bewohner, aber muss sich immer wieder daran erinnern, dass diese warmen Menschen, die unter so elenden Bedingungen leben, alle Waffen tragen. 15 Tage nach ihrem Besuch wird der charismatische Sozialarbeiter, der sie dort herumgeführt hat, erschossen. Warum, fragt sie, posieren so viele Künstler der Siebzigerjahre mit Waffen? Und selbst beim Fischessen in Venedig beschäftigt sie die Gewaltfrage. Der „Tagesfang“, den sie bestellt, besteht aus „kleinen Fischchen mit Verbrechervisage, Gründler, die wie Cartoon-Zeichnungen von Bankräubern aussahen, proletarische Gesichter, frittiert“. Und konstatiert: „Vielleicht war ich auch verletzt, weil diese kleinen Gesetzesbrecher mit einem Schleppnetz gefangen worden waren, und hatte Mitleid mit ihnen.“
Unter Kushners Essays sind brillante Texte über Cormac McCarthy, Jeff Koons und die amerikanische Bewegung zur Abschaffung von Gefängnissen. Doch am hellsten schimmert ihre Prosa, wenn sie das tut, was sie am besten kann: erzählen. Der Essay-Begriff ist hier weit gefasst. Er dient vor allem dazu, diesen Texten die Freiheit zu sichern, nicht von A nach B marschieren zu müssen, sondern schweben zu dürfen. Am radikalsten reizt sie das in „Der Untergang der HMS Bounty“ aus: ein versehentlicher Beinahe-Einbruch ihres Freunds in eine der Wohnungen der getöteten israelischen Sportler von den Olympischen Spielen in München, eine Begegnung mit Hans Magnus Enzensberger, der Hitchcock-Film „Lifeboat“, die Kunst von Thomas Demand, Industrieroboter und ein Besuch im Dogenpalast in Venedig – das alles flicht sie derart lässig zu einem Gewebe rund um die Frage von Anwesenheit und Abwesenheit, Fiktion und Realität, dass man es kaum fassen kann.
Schade nur, dass die Übersetzerin Kushners kunstvolle, lakonische Texte immer wieder fast mutwillig ins Aus lenkt. Warum muss im Text einer passionierten Autoliebhaberin ein car zum „Pkw“ gemacht werden, als sei es aus Papier statt aus Blech, Glas und Gummi. Communities sind weder „Kommunen“ noch „Gemeinden“, und prankster sind keine „Schelme“, zumal wenn sie Anfang der Siebziger in einem umgebauten und wild bemalten Schulbus leben. Die Marian Goodman Gallery, eine der wichtigsten New Yorker Galerien für zeitgenössische Kunst, ist keine „Gemäldegalerie“. In vielen amerikanischen Städten ist downtown die „Innenstadt“ – aber nicht in New York, dort bezeichnet Downtown bekanntlich den Süden Manhattans und die dortige kulturelle Szene, die Kushner in einer wunderbaren Passage als 16-Jährige betritt. Sie besucht eine Lesung von Allen Ginsberg, bestellt einen White Russian und stellt nach einer Stunde fest: „Ginsberg ist was für Trottel.“
Kushners Literatur- und Kunstkritik ist eingebettet in eine lose Kette autobiografischer Texte. Sie erzählt von ihrer Kindheit im Hippie-Bus, ihrer wilden Jugend als Teenager in der alternden Rockszene von San Francisco, von ihren Bohème-Freunden. Es ist, als habe sie die Fähigkeit, in mehreren Epochen gleichzeitig zu leben, mehr Zeit zu absorbieren und mit Leben zu füllen als andere Menschen. In einer Art permanenten Gegenwärtigkeit schreibt sie in den Nuller- und Zehnerjahren darüber, wie sie in den Achtzigern und Neunzigern Autos aus den Sechzigern fährt, The Clash und Cream hört und in San Francisco im Hippie-Epizentrum Haight and Ashbury lebt, wo Oliver Stone gerade einen Film über Jim Morrison dreht.
Kushner ist überall präsent und doch entzieht sie sich bis zur Schemenhaftigkeit. Kushner, die Erzählerin, verweigert Kushner, der Protagonistin und Kunstfigur, Gefühle, Sentimentalität, Wut. Und genau das erzeugt die Spannung, die das ganze Buch über nicht nachlässt. Erst im letzten, umwerfenden Essay löst sie diese auf: „Die Schriftstellerin erweckt den Anschein, diejenige zu sein, die sich erinnert, die sah, tat und fühlte, aber sie ist nicht mehr dieser Mensch. Indem sie die Dinge niederschreibt, wird sie neu geboren. Und bleibt trotzdem von ihren Taten geprägt, selbst wenn sie sich jetzt distanziert.“ Jetzt blickt sie zurück auf die „Galerie all der Seelen, die ich gekannt habe“, ihre verschollene Freundin Sandy zum Beispiel, oder den Strichjungen, dessen Kopf später in einem Müllcontainer gefunden wurde. Und sie versteht, was sie vor einem ähnlichen Ende bewahrt hat: „Schriftstellerin zu sein, heißt, früher gegangen zu sein, egal wann man nach Hause gekommen ist.“
Ihre Eltern gründeten
mittellos in einem umgebauten
Schulbus eine Familie
Als 16-Jährige stellt Kushner auf
einer Allen-Ginsberg-Lesung fest:
„Ginsberg ist was für Trottel“
Rachel Kushner: Harte Leute. Essays. Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell. Rowohlt, Hamburg 2022. 320 Seiten, 26 Euro.
Mitleid mit dem Beifang: Die US-amerikanische Schriftstellerin Rachel Kushner.
Foto: Gabby Laurent
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Aufgewachsen im Hippie-Bus: Die umwerfende Erzählerin Rachel Kushner schreibt in schwebenden Essays
über ihre Herkunft, Motorradrennen, Künstler und andere Leute, die einstecken und austeilen können
VON JÖRG HÄNTZSCHEL
In ihrem Essayband „Harte Leute“ weint Rachel Kushner nur ein einziges Mal. Es sind Tränen der Erleichterung, und selbst für dieses Eingeständnis schämt sie sich. Beim Motorradrennen „Cabo 1000“ ist sie an einem Tag 1700 Kilometer gefahren, von San Ysidro, südlich von San Diego, bis Cabo San Lucas am Ende der mexikanischen Halbinsel Baja California. Sie hat sich auf der Strecke überschlagen und hätte tot sein können. Diebe schleppten die demolierte Maschine weg, während sie sich noch im Staub vor Schmerzen krümmte. Sie kaufte sie ihnen wieder ab und schaffte es damit zurück nach Kalifornien. Die meisten ihrer Biker-Freunde haben nicht so viel Glück, einer nach dem anderen verunglücken sie in den folgenden Jahren mit ihren Maschinen – so mutwillige wie sinnlose Tode, doch sie schockieren nur den Leser, nicht die Autorin.
Kushner, geboren 1968, wurde berühmt mit dem Roman „Die Flammenwerfer“, der unter italienischen Linksterroristen der Siebziger, der damaligen Kunstszene in Soho und im East Village und einer Gruppe von Rennfahrern spielt, die auf den Bonneville Salt Flats in Utah Geschwindigkeitsrekorde mit ihren Motorrädern aufstellen. Radikalität, Kaltblütigkeit, revolutionäres Denken und Handeln, eine Affinität zu Tod und Gewalt: Das waren die weltanschaulichen wie charakterlichen Nenner, die diese drei fernab voneinander liegenden Milieus verbanden.
Ihre Essays aus den vergangenen 20 Jahren sind bevölkert von weiteren Mitgliedern dieser „Hard Crowd“ (so der Originaltitel). Hart sind sie im Nehmen, wie die italienischen Arbeiter um 1970, von denen der Schriftsteller Nanni Balestrini in „Wir wollen alles“ berichtet. Wie ihre Eltern, die nahezu mittellos eine Familie in einem umgebauten Schulbus gründeten. Wie Kushner selbst, die mit 14 vor dem Konzert von The Who herumlungert und schlechtes Gras raucht.
Hart sind sie aber auch im Austeilen, wie der legendäre Rock-Impresario Bill Graham, in dessen Konzertsaal in San Francisco sie jahrelang als Barkeeperin arbeitet. Oder der Mitrennfahrer beim „Cabo 1000“, der einen verletzten Konkurrenten einfach liegen lässt (er verliert sein Bein).
Was sie vor allem beschäftigt, ist die Mischung aus beidem. Sie besucht das berüchtigte Flüchtlingslager Shuafat in Jerusalem, „verliebt“ sich in seine Bewohner, aber muss sich immer wieder daran erinnern, dass diese warmen Menschen, die unter so elenden Bedingungen leben, alle Waffen tragen. 15 Tage nach ihrem Besuch wird der charismatische Sozialarbeiter, der sie dort herumgeführt hat, erschossen. Warum, fragt sie, posieren so viele Künstler der Siebzigerjahre mit Waffen? Und selbst beim Fischessen in Venedig beschäftigt sie die Gewaltfrage. Der „Tagesfang“, den sie bestellt, besteht aus „kleinen Fischchen mit Verbrechervisage, Gründler, die wie Cartoon-Zeichnungen von Bankräubern aussahen, proletarische Gesichter, frittiert“. Und konstatiert: „Vielleicht war ich auch verletzt, weil diese kleinen Gesetzesbrecher mit einem Schleppnetz gefangen worden waren, und hatte Mitleid mit ihnen.“
Unter Kushners Essays sind brillante Texte über Cormac McCarthy, Jeff Koons und die amerikanische Bewegung zur Abschaffung von Gefängnissen. Doch am hellsten schimmert ihre Prosa, wenn sie das tut, was sie am besten kann: erzählen. Der Essay-Begriff ist hier weit gefasst. Er dient vor allem dazu, diesen Texten die Freiheit zu sichern, nicht von A nach B marschieren zu müssen, sondern schweben zu dürfen. Am radikalsten reizt sie das in „Der Untergang der HMS Bounty“ aus: ein versehentlicher Beinahe-Einbruch ihres Freunds in eine der Wohnungen der getöteten israelischen Sportler von den Olympischen Spielen in München, eine Begegnung mit Hans Magnus Enzensberger, der Hitchcock-Film „Lifeboat“, die Kunst von Thomas Demand, Industrieroboter und ein Besuch im Dogenpalast in Venedig – das alles flicht sie derart lässig zu einem Gewebe rund um die Frage von Anwesenheit und Abwesenheit, Fiktion und Realität, dass man es kaum fassen kann.
Schade nur, dass die Übersetzerin Kushners kunstvolle, lakonische Texte immer wieder fast mutwillig ins Aus lenkt. Warum muss im Text einer passionierten Autoliebhaberin ein car zum „Pkw“ gemacht werden, als sei es aus Papier statt aus Blech, Glas und Gummi. Communities sind weder „Kommunen“ noch „Gemeinden“, und prankster sind keine „Schelme“, zumal wenn sie Anfang der Siebziger in einem umgebauten und wild bemalten Schulbus leben. Die Marian Goodman Gallery, eine der wichtigsten New Yorker Galerien für zeitgenössische Kunst, ist keine „Gemäldegalerie“. In vielen amerikanischen Städten ist downtown die „Innenstadt“ – aber nicht in New York, dort bezeichnet Downtown bekanntlich den Süden Manhattans und die dortige kulturelle Szene, die Kushner in einer wunderbaren Passage als 16-Jährige betritt. Sie besucht eine Lesung von Allen Ginsberg, bestellt einen White Russian und stellt nach einer Stunde fest: „Ginsberg ist was für Trottel.“
Kushners Literatur- und Kunstkritik ist eingebettet in eine lose Kette autobiografischer Texte. Sie erzählt von ihrer Kindheit im Hippie-Bus, ihrer wilden Jugend als Teenager in der alternden Rockszene von San Francisco, von ihren Bohème-Freunden. Es ist, als habe sie die Fähigkeit, in mehreren Epochen gleichzeitig zu leben, mehr Zeit zu absorbieren und mit Leben zu füllen als andere Menschen. In einer Art permanenten Gegenwärtigkeit schreibt sie in den Nuller- und Zehnerjahren darüber, wie sie in den Achtzigern und Neunzigern Autos aus den Sechzigern fährt, The Clash und Cream hört und in San Francisco im Hippie-Epizentrum Haight and Ashbury lebt, wo Oliver Stone gerade einen Film über Jim Morrison dreht.
Kushner ist überall präsent und doch entzieht sie sich bis zur Schemenhaftigkeit. Kushner, die Erzählerin, verweigert Kushner, der Protagonistin und Kunstfigur, Gefühle, Sentimentalität, Wut. Und genau das erzeugt die Spannung, die das ganze Buch über nicht nachlässt. Erst im letzten, umwerfenden Essay löst sie diese auf: „Die Schriftstellerin erweckt den Anschein, diejenige zu sein, die sich erinnert, die sah, tat und fühlte, aber sie ist nicht mehr dieser Mensch. Indem sie die Dinge niederschreibt, wird sie neu geboren. Und bleibt trotzdem von ihren Taten geprägt, selbst wenn sie sich jetzt distanziert.“ Jetzt blickt sie zurück auf die „Galerie all der Seelen, die ich gekannt habe“, ihre verschollene Freundin Sandy zum Beispiel, oder den Strichjungen, dessen Kopf später in einem Müllcontainer gefunden wurde. Und sie versteht, was sie vor einem ähnlichen Ende bewahrt hat: „Schriftstellerin zu sein, heißt, früher gegangen zu sein, egal wann man nach Hause gekommen ist.“
Ihre Eltern gründeten
mittellos in einem umgebauten
Schulbus eine Familie
Als 16-Jährige stellt Kushner auf
einer Allen-Ginsberg-Lesung fest:
„Ginsberg ist was für Trottel“
Rachel Kushner: Harte Leute. Essays. Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell. Rowohlt, Hamburg 2022. 320 Seiten, 26 Euro.
Mitleid mit dem Beifang: Die US-amerikanische Schriftstellerin Rachel Kushner.
Foto: Gabby Laurent
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