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Ueber vierzehn Tage ist es her, seit die Batterie Latour bei Renaix im Hennegau ausgeladen war. Nein, es ist schon hundert Tage her, es könnten auch schon Jahre sein, seit sie ununterbrochen auf dem Marsch ist. Weite Felder, Baumreihen, die Augustsonne brennt, Bremsen schwirren um Menschen und Pferde und saugen Blut. Blut hatte auch der junge Husar im Gesicht, der im Chausseegraben lag. Es war der erste Tote, den die Artilleristen sahen. »Das ist ja eine feine Sorte Krieg«, sagte Hauptmann Kuntze, der Chef der zweiten Batterie, zu Talbot Latour, der die dritte führte, »eine elende Tippelei:…mehr

Produktbeschreibung
Ueber vierzehn Tage ist es her, seit die Batterie Latour bei Renaix im Hennegau ausgeladen war. Nein, es ist schon hundert Tage her, es könnten auch schon Jahre sein, seit sie ununterbrochen auf dem Marsch ist. Weite Felder, Baumreihen, die Augustsonne brennt, Bremsen schwirren um Menschen und Pferde und saugen Blut. Blut hatte auch der junge Husar im Gesicht, der im Chausseegraben lag. Es war der erste Tote, den die Artilleristen sahen. »Das ist ja eine feine Sorte Krieg«, sagte Hauptmann Kuntze, der Chef der zweiten Batterie, zu Talbot Latour, der die dritte führte, »eine elende Tippelei: der Staub und der Gestank in der Marschkolonne!« »Ja, das ist stiefelsaures Strumpfoxyd, zurzeit das Parfum des feinen Mannes.« Sie ritten eine Weile nebeneinander. »Was soll bloss diese Rennerei?« »Soviel ich weiss, soll der rechte Flügel vorrücken und westlich an Paris vorbei zur Umfassung ausholen. Die Schangels sollen gleich in den grossen Wurstkessel getan werden.« »Und die Engländer?« »Ja, das weiss ich nicht. Die haben schon manchesmal manchem das Konzept verdorben. Und sie werden es wieder tun.« »So? Glauben Sie?« »Wissen Sie, warum ich aus der grossen Bude in unser schönes Regiment versetzt wurde? Ich habe bisher nicht darüber gesprochen, weil es mir nicht passte. Vom Februar bis April war ich in England zum Studium der Sprache. Nun ist meine Mutter Irin, und ich spreche fliessend Englisch. Ich hörte allerlei, und als ich wiederkam machte ich pflichtgemäss einen Bericht: Bahnbauten nach den Verschiffungshäfen, Rampen, neue Befestigungen in Kosyth und Scapa Flow, Propaganda für die allgemeine Wehrpflicht und so weiter. Kurz: wir unterschätzen die Engländer geradezu sträflich. Ein simpler Hauptmann hat aber nun einmal nicht soviel zu verstehen wie die hohen Vorgesetzten. Mein Abteilungschef gab mir den Bericht mit unsanften Bemerkungen zurück. Ich reichte ihn unter Vermeidung des Dienstweges dem Chef direkt ein, und das hat mich die roten Hosen gekostet.« »Das ist ja unglaublich.« »Aber wahr.« »Dabei halten die Leute mich für anglophil; den Sohn einer Irin, die nichts so hasst wie England.«
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Autorenporträt
Karl Federn war der Sohn eines bedeutenden Wiener Arztes, Salomon Federn, der die Blutdruckmessung am Krankenbett eingeführt hatte,[1] und der Frauenrechtlerin Ernestine Spitzer. Seine Brüder waren der Arzt und Psychoanalytiker Paul Federn und der Nationalökonom und Wirtschaftsjournalist Walther Federn, seine Schwester die Schriftstellerin und Spanienkämpferin Marietta Federn, sein Neffe der Psychoanalytiker Ernst Federn. Er wuchs in Wien auf, erhielt 1881¿1883 Privatunterricht und machte 1885 Matura am Akademischen Gymnasium. Er studierte 1885 bis 1890 Rechtswissenschaften und promovierte zum Dr. jur. Danach eröffnete er zunächst eine Anwaltspraxis, die er nach kurzer Zeit wieder aufgab. Er war dann als freier Autor in Wien und ab 1908 in Berlin tätig. Der Tänzerin Isadora Duncan, der er 1903 begegnete, versuchte er die Philosophie von Nietzsche als Grundlage ihrer Kunst nahezubringen;[2] er übersetzte auch ihre Vorlesung Der Tanz der Zukunft ins Deutsche. Für das liberale Berliner Blatt Vossische Zeitung war er 1915 bis 1918 als Sonderberichterstatter in Lugano tätig, danach arbeitete er bis 1921 im Auswärtigen Amt als Referent für italienische Angelegenheiten. Federn war zusammen mit Ludwig Fulda erster Vorsitzender des deutschen P.E.N.-Zentrums.