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Dieses Nachschlagewerk informiert über 228 Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Es bietet einen repräsentativen Überblick über die wichtigsten historiographischen Textgattungen von der Antike bis zur Gegenwart. Es gibt Auskunft über Entstehungsbedingungen, Inhalt und Wirkungsgeschichte der Werke und über die maßgeblichen Ausgaben und Forschungsbeiträge. Enthalten sind ferner ein chronlogisches Werkverzeichnis sowie ein Personen- und Titelregister.

Produktbeschreibung
Dieses Nachschlagewerk informiert über 228 Hauptwerke der Geschichtsschreibung. Es bietet einen repräsentativen Überblick über die wichtigsten historiographischen Textgattungen von der Antike bis zur Gegenwart. Es gibt Auskunft über Entstehungsbedingungen, Inhalt und Wirkungsgeschichte der Werke und über die maßgeblichen Ausgaben und Forschungsbeiträge. Enthalten sind ferner ein chronlogisches Werkverzeichnis sowie ein Personen- und Titelregister.
Autorenporträt
Prof. Dr. Volker Reinhardt, geboren 1954, Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte an der Universität Fribourg/Schweiz, ist Autor zahlreicher Buch- und Aufsatzveröffentlichungen zur italienischen Geschichte des 15. bis 18. Jahrhunderts. Im Alfred Kröner Verlag erschienen von ihm eine Überblicksdarstellung zu den >großen Familien Italiens< (1992, KTA 485), das >Handbuch der historischen Stätten Schweiz und Liechtenstein< (1996, KTA 280) sowie in Herausgeberschaft das Nachschlagewerk >Hauptwerke der Geschichtsschreibung< (KTA 435, 1997).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.01.1999

Was seid ihr für prosaische Geschöpfe !
Weshalb Volker Reinhardts Lexikon der Geschichtsschreibung die Hauptwerke ausgehen

Ein solches Buch hat es in deutscher Sprache noch nicht gegeben: ein Lexikon von 228 Hauptwerken jener gelehrt-literarischen Tradition, die im fünften Jahrhundert mit Herodot begann, dem Vater der Geschichte, und hier bis zu Fritz Fischer, geboren 1908, als jüngstem Sohn reicht. Das Historikerlexikon der Beck'schen Reihe (F.A.Z. vom 2. April 1991), herausgegeben von Rüdiger vom Bruch und Rainer A. Müller, führt zwar mehr als doppelt so viele Autoren auf, doch verzichten die Einträge weitgehend auf Analyse und Wertung zugunsten von knapper und übersichtlicher Information. Volker Reinhardt hat bei seinen Mitarbeitern dagegen "Essays" über "repräsentative" Werke bestellt, die im Durchschnitt drei Seiten in der augenfreundlichen Schrift des praktischen Kröner-Formats einnehmen. Streng hat der Herausgeber auf die Orientierung an dieser Richtgröße geachtet: So können weniger bekannte Geschichtsschreiber ziemlich ausführlich dargestellt werden, während die Kommentatoren der Klassiker sich relativ kurz fassen müssen und zur Pointierung verdammt sind.

Die Gattungsbezeichnung Essay darf man nicht so verstehen, daß die Beiträger sich literarische Freiheiten genommen hätten und jenem Ethos der unrhetorischen Sachlichkeit untreu geworden wären, dem sich die meisten der von ihnen vorgestellten Vorgänger rhetorisch verpflichtet zeigten. Jeder Eintrag unterrichtet über Aufbau und Inhalt des behandelten Textes, ordnet das Werk in das Leben des Autors ein und den Autor in die Gesellschaft seiner Zeit. Aber die Mitarbeiter waren zur Zuspitzung ihrer Interpretationen aufgefordert, sprachliche und sachliche Prägnanz war das Ideal.

Der Herausgeber übernimmt im Vorwort wegen der von ihm vorgeschlagenen Kürzungen in vielen Artikeln "ausdrücklich die Verantwortung für manche syntaktische Konstruktion". Das stilistische Ergebnis ist bisweilen ein unfreiwilliger Tacitismus. So führt etwa Ursula Jaitner-Hahner über Leonardo Bruni aus: "Doch ist der entscheidende Vorzug der ,Geschichte des florentinischen Volkes', deren annalistische, in Anlehnung an Livius der Klarheit der Darstellung wegen gewählte Anordnung der von Bruni angestrebten Veranschaulichung der historischen Entwicklung eher hinderlich ist, darin zu sehen, daß sein Bericht von einem klar reflektierten ideellen Konzept bestimmt wird." Nichts ist falsch in diesem Satz, doch wenn man ihn endlich verstanden hat, wird man sich düsteren Gedanken über die Zeichensetzung und die Verwechselbarkeit von Dativ und Genitiv im Deutschen hingeben. Aber solche Unklarheit der Darstellung ist die Ausnahme und die Veranschaulichung der historiographischen Entwicklung insgesamt geglückt.

Licht aufs Vorbild

Querverweise zeigen, wie die Geschichtsschreibung sich in der Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition schulte; Vergleiche erhellen nicht nur das Nachbild, sondern auch das Vorbild, wenn etwa Josef Fleckenstein seine konzentrierte und elegante Deutung der Karlsbiographie Einhards unter die Leitfrage der Nachahmung Suetons stellt. Manchmal fehlt der Querverweispfeil: Martinus Polonus, aus dem Flavio Biondo für seine Geschichte Italiens schöpfte, war der Dominikaner Martin von Troppau, gestorben 1278 oder 1279; im Artikel über seine Weltchronik erklärt Anna-Dorothee von den Brincken, warum er den Beinamen "der Pole" erhielt.

Die vorwissenschaftliche Geschichtsschreibung bildete eine Zeiten und Völker übergreifende Gemeinschaft der Abschreiber und Fortsetzer, verbunden durch die von Reinhart Koselleck niedergelegten Prämissen der historia magistra vitae. Weil sich die Welt nicht wesentlich änderte und es mehr auf die ewige Moral als auf die wechselhaften Tatsachen ankam, verzichtete noch Gibbon darauf, die Annalen des Tacitus durch eine neue Darstellung der frühen Kaiserzeit zu ersetzen, und erst Niebuhr forderte, wie Gerrit Walther darlegt, vom Historiker eine Synthese aller Überlieferungsfragmente aus dem Geist der eigenen Gegenwart. Seitdem hat jede Generation die Geschichte neu geschrieben.

Dem Pragmatismus des moralisch-politischen Interesses blieben nahezu alle antiken und auch die meisten mittelalterlichen Historiker treu, oder umgekehrt formuliert: Wer aus der Geschichte Nutzen für die Gegenwart ziehen wollte, gilt uns als Historiker und fand daher Eingang in dieses Lexikon, das durch die umfassende Berücksichtigung der vorneuzeitlichen Epochen besticht. Der Rationalismus, der bei Thukydides hinter dem Pragmatismus stand und den Menschen nahelegte, statt des Himmels die Erde zu erforschen, trat nackt erst in der Renaissance wieder hervor: Was als Wissenschaft begonnen hatte, kehrte als Ideologie zurück. Für Volker Reinhardt jedenfalls ist Machiavelli in den Erörterungen über Livius, insofern er die Totalität des historischen Wandels ausblendet und die Geschichte auf Grundtypen reduziert, "weniger Analytiker des historisch und politisch Faktischen als vielmehr Mythenbildner".

Man könnte meinen, diesem scharfen Urteil liege anachronistischerweise der Maßstab der modernen Geschichtswissenschaft mit ihren Postulaten der unberechenbaren Dauerbewegung und der unerschöpflichen Individualität zugrunde. Reinhardt dürfte entgegnen, daß gerade Ranke und andere Begründer der modernen kritischen Historie den Unterschied der Zeitalter ignorierten, als sie Machiavelli zum Patron ihrer ungläubigen Sachlichkeit erhoben, die um der Wahrheit willen den Vorwurf des Amoralismus in Kauf nahm. Der Herausgeber ist durch die Freiburger Schule von Ernst Schulin gegangen, der die Auswahl von Artikeln und Beiträgern für die neueste Geschichte übernommen hat und eine beachtliche Zahl seiner Schüler heranziehen konnte. Die Traditionskritik geht im Historismus, wie Schulin ihn versteht, dem Rekonstruktionsversuch voraus: Das rechtfertigt eine Deutlichkeit der Thesenbildung, welche die Kritik herausfordert, damit die Geschichte der Geschichtsschreibung weitergeht.

"Die Motive, die er den Handelnden zuschreibt, erweisen sich in der Regel als unhaltbar, nicht selten absurd. Häufig zerstückelt er die Abfolge von Ereignissen oder Handlungen und vertauscht die Reihenfolge. Damit geht die Ereignislogik verloren - welche der moderne Historiker freilich meist unschwer wiederherstellen kann -, und der Text verdunkelt sich." Der Stümper, über den Egon Flaig hier handelt, ist Tacitus. Die Moral der Kollegenschelte: Der Historiker soll sich nicht der humanistischen Illusion hingeben, sein berühmter Vorläufer hätte schon dasselbe gewollt wie er und daher nichts Besseres zu tun gehabt, als der Fachwelt verläßliche Quellen zu liefern. Flaig radikalisiert Schulins Hermeneutik: Wenn Tradition Schlamperei ist, wird Dekonstruktion zur Pflicht. Seltsam vielleicht nur, daß auch Tacitus in Flaigs Porträt eine Art Dekonstrukteur gewesen ist.

Die Grenze zwischen der moralisch-vorwissenschaftlichen und der unpolitisch-fachlichen Historie läuft mitten durch Reinhardts Lexikon und gefährdet die Einheit des Unternehmens, auch wenn Justus Cobet die "strenge Quellenkritik" Herodots würdigen kann und Volker Ullrich den "Griff nach der Weltmacht" als Zeichen der Zeit deuten möchte. Seit die Historiker ins prosaische Zeitalter eingetreten sind und der Ereignislogik den Vorrang vor der literarischen Gestaltung geben, ist fraglich, ob sie noch "Hauptwerke" einer auf Zeitlosigkeit zielenden literarischen Kunstform produzieren.

Der Kanon ist keine Rettung

Die alphabetische Anordnung der Artikel kommt dem Benutzer gewiß entgegen, aber sie simuliert eine Gleichzeitigkeit des Kanonischen, die mit der Vorläufigkeit des wissenschaftlichen Wissens, der immanenten Historizität der modernen Historiographie, nicht vereinbar ist. Während die Geschichtsschreibung großen Stils im neunzehnten Jahrhundert ihre Formen noch der Tradition entlieh, deren Inhalte - wie die Lehre von der unwandelbaren Menschennatur - sie zerstörte, wird die Auswahl von "Hauptwerken" für das zwanzigste Jahrhundert vollends problematisch.

E. P. Thompsons "Making of the English Working Class" repräsentiert hier die englische Geschichtswissenschaft unserer Epoche. Es ist kein Zufall, daß dieses Buch durch seinen moralischen Ton und sein narratives Verfahren der beschriebenen Epoche, dem achtzehnten Jahrhundert, und damit der historiographischen Tradition viel näher steht als etwa Lewis Namiers "Structure of Politics at the Accession of George III" - obwohl Thompson ein Marxist war und Namier ein Tory. Doch man fiele hinter Niebuhrs Erkenntnis vom Zusammenhang von Quellenkritik und Rekonstruktion zurück, wiese man Namiers strukturhistorische Analysen einem fachlichen Positivismus zu, der in einem Lexikon der Geschichtsschreibung nicht dokumentiert werden müsse. Auch die Wissenschaft hat ihre literarischen Strategien. Nicht mehr das Ausnahmewerk, das man nicht verbessern kann, ist in der arbeitsteiligen Wissenschaft repräsentativ, sondern die schulbildende Studie, weshalb man vielleicht eher Karl Dietrich Bracher in einem solchen Lexikon suchen würde als Hannah Arendt.

Es ist nicht zu leugnen, daß der Historie des zwanzigsten Jahrhunderts die Einheit des Metiers zweifelhaft wird und daß insofern der Beliebigkeit der Beispiele eine Art von Objektivität zukommt. Seien wir Reinhardt dankbar für die Arbeit, die er sich und seinen Kollegen gemacht hat, und hoffen wir, er möge einen zweiten Band folgen lassen - mit Hauptwerken der Geschichtswissenschaft. PATRICK BAHNERS

Volker Reinhardt (Hrsg.): "Hauptwerke der Geschichtsschreibung". Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1997. 792 S., geb., 49,- DM.

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