Nach einer Zwangsversteigerung geht das Haus, das Kathy von ihrem Vater geerbt hat, über in die Hände einer iranischen Familie, und plötzlich wird der einfache Bungalow auf den Hügeln von San Fransisco zum Schauplatz eines Krieges, bei dem es um weitaus mehr geht als um seinen materiellen Wert - Andre Dubus hat einen packenden Roman geschrieben über das heutige Amerika, über die Hoffnung der Einwanderer und das Scheitern ihrer Träume.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2000Auf Sand gebaut
Für einen "creative writing"-Dozenten ist es von Vorteil, auf schriftstellernde Vorfahren verweisen zu können: wer die Verfertigung von Literatur aus der eigenen Familie kennt, wird die Überzeugung von der Erlernbarkeit des Romanschreibens mit besonderem Nachdruck vertreten. Der Amerikaner Andre Dubus III unterrichtet, wie sein verstorbener Vater, der Kurzgeschichten-Autor Andre Dubus II (Sohn des Dichters Dubus I), Literatur und Schreiben an einem kleinen College in Massachusetts. Sein zweiter Roman "Haus aus Sand und Nebel" (1999) ist aus einer Übungsaufgabe in einem jener "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt"-Kurse hervorgegangen, wie sie in Amerika landauf, landab gehalten werden.
Die Studenten sollten lokale Zeitungsnachrichten auf ihre Verwertbarkeit als Romanstoff untersuchen. Weil sich für die Meldung "Haus einer Drogensüchtigen wegen Steuerschulden zwangsversteigert" niemand erwärmen wollte, beschloss Andre Dubus III, die Sache selber in die Hand zu nehmen, zumal ihm spontan die haussuchende Familie eines iranischen Jugendfreundes einfiel - was lag näher, als das Thema "Hausbesitz und -verlust" mit dem Problem der Einwanderer-Mentalität zu verknüpfen? Im rasch skizzierten Romanentwurf geht das zu Unrecht zwangsversteigerte Haus in den Besitz eines iranischen Obersten über, der mit dem Hauskauf das gesellschaftliche Ansehen wiedergewinnen will, das er in der Heimat als wohlhabender Schah-Vertrauter besaß.
Die enteignete Amerikanerin aber klammert sich an ihr rechtmäßiges Eigentum. Die dramatischen Verwicklungen bei dem Versuch, amerikanische Besitz- und persische Ehrvorstellungen in Einklang zu bringen, münden in Chaos und Gewalt. Dubus hat aus einer unscheinbaren Zeitungsnotiz tatsächlich einen lebensprallen, packenden Roman gemacht. Weltbild und Selbstverständnis besitzstandwahrender Einheimischer und besitzbegehrender Einwanderer bergen reichlich sozialen Zündstoff - und sind zugleich ein fiktional fruchtbares Motiv; das alte Thema vom amerikanischen Traum, der - wie das kalifornische Haus des Titels - auf Sand gebaut ist und im Nebel zerfließt, liefert dazu die symbolträchtige Grundierung. Eine übersichtlich gebaute, redselig realistisch erzählte Geschichte, die das Zeug zum Drama hätte, hier aber eher mit den Merkmalen des Thrillers daherkommt. (Andre Dubus III: "Haus aus Sand und Nebel". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Verlag C.H. Beck, München 2000. 500 S., geb., 48,- DM.)
HELMUT WINTER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für einen "creative writing"-Dozenten ist es von Vorteil, auf schriftstellernde Vorfahren verweisen zu können: wer die Verfertigung von Literatur aus der eigenen Familie kennt, wird die Überzeugung von der Erlernbarkeit des Romanschreibens mit besonderem Nachdruck vertreten. Der Amerikaner Andre Dubus III unterrichtet, wie sein verstorbener Vater, der Kurzgeschichten-Autor Andre Dubus II (Sohn des Dichters Dubus I), Literatur und Schreiben an einem kleinen College in Massachusetts. Sein zweiter Roman "Haus aus Sand und Nebel" (1999) ist aus einer Übungsaufgabe in einem jener "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt"-Kurse hervorgegangen, wie sie in Amerika landauf, landab gehalten werden.
Die Studenten sollten lokale Zeitungsnachrichten auf ihre Verwertbarkeit als Romanstoff untersuchen. Weil sich für die Meldung "Haus einer Drogensüchtigen wegen Steuerschulden zwangsversteigert" niemand erwärmen wollte, beschloss Andre Dubus III, die Sache selber in die Hand zu nehmen, zumal ihm spontan die haussuchende Familie eines iranischen Jugendfreundes einfiel - was lag näher, als das Thema "Hausbesitz und -verlust" mit dem Problem der Einwanderer-Mentalität zu verknüpfen? Im rasch skizzierten Romanentwurf geht das zu Unrecht zwangsversteigerte Haus in den Besitz eines iranischen Obersten über, der mit dem Hauskauf das gesellschaftliche Ansehen wiedergewinnen will, das er in der Heimat als wohlhabender Schah-Vertrauter besaß.
Die enteignete Amerikanerin aber klammert sich an ihr rechtmäßiges Eigentum. Die dramatischen Verwicklungen bei dem Versuch, amerikanische Besitz- und persische Ehrvorstellungen in Einklang zu bringen, münden in Chaos und Gewalt. Dubus hat aus einer unscheinbaren Zeitungsnotiz tatsächlich einen lebensprallen, packenden Roman gemacht. Weltbild und Selbstverständnis besitzstandwahrender Einheimischer und besitzbegehrender Einwanderer bergen reichlich sozialen Zündstoff - und sind zugleich ein fiktional fruchtbares Motiv; das alte Thema vom amerikanischen Traum, der - wie das kalifornische Haus des Titels - auf Sand gebaut ist und im Nebel zerfließt, liefert dazu die symbolträchtige Grundierung. Eine übersichtlich gebaute, redselig realistisch erzählte Geschichte, die das Zeug zum Drama hätte, hier aber eher mit den Merkmalen des Thrillers daherkommt. (Andre Dubus III: "Haus aus Sand und Nebel". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Verlag C.H. Beck, München 2000. 500 S., geb., 48,- DM.)
HELMUT WINTER
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Sybil Wagner hält diesen Roman für so spannend, dass man ihn "nicht aus der Hand legen möchte". Zwei Aspekte hebt sie besonders hervor: Da ist zum einen der kulturelle Konflikt zwischen dem eingewanderten Perser, der an seinen Traditionen festhält und dem typisch amerikanischen Lebensstil mit seiner Schnelligkeit und seinem konsumorientierten Denken, in dem allerdings auch die "Rechtssicherheit abhängig vom Einkommen" ist. Der zweite Punkt ist die Aussichtslosigkeit und Verfahrenheit beim Streit um das Haus, an dem beide Parteien weitgehend schuldlos sind. Dennoch müssen der Perser und die Amerikanerin nun gegeneinander um ihre Existenz kämpfen. Nicht zuletzt findet Wagner den Roman "vorzüglich übersetzt".
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Die Personen dieses Romans suchen dasselbe wie wir alle: Liebe, Gerechtigkeit und ein Zuhause..." (Tobias Wolff)